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Im Space Race hatten die Russen die Nase vorne. Mit »Sputnik« schossen sie 1957 das erste von Menschen gebaute Objekt in den Orbit. Im selben Jahr flog das erste Lebewesen in die Umlaufbahn, die Hündin Laika. 1961 umrundete der Kosmonaut Juri Gagarin als erster Mensch die Erde.

      Die USA befürchteten, das Space Race zu verlieren. Darum beauftragte US-Präsident John F. Kennedy 1961 die NASA, »innerhalb der nächsten zehn Jahre einen Menschen auf dem Mond zu landen und sicher wieder zurück zur Erde zu bringen«. Er wollte die USA als führende Weltraummacht etablieren.

      Dieser sogenannte Moonshot schien damals unmöglich. Noch heute gibt es Menschen, die bezweifeln, dass die Mondlandung jemals stattgefunden hat. Es ist kaum vorstellbar, wie sich das Team der NASA gefühlt haben muss, als der Präsident diese anscheinend unlösbare Aufgabe stellte. Wie würdest du in einer solchen Situation reagieren? Würdest du in eine Abwehrhaltung gehen und Argumente aufzählen, wieso diese Aufgabe nicht zu schaffen ist? Oder würdest du die Herausforderung annehmen und alles daran setzen, eine Lösung zu finden?

      Die NASA hat sich für Letzteres entschieden, obwohl die Voraussetzungen sehr ungünstig waren. Die Raketen waren noch zu schwach, um eine Mondlandekapsel mit drei Astronauten, genug Vorräten und Treibstoff für den Flug von der Erde zum Mond und wieder zurück zu starten. Der deutschstämmige Raketeningenieur Wernher von Braun schrieb damals: »Um dies zu erreichen, müssten die Raketen um das Zehnfache [10x!] leistungsfähiger werden.« – Das erschien aussichtslos. Kennedy hielt dennoch an seinem Vorhaben fest. In seiner berühmten Mondrede von 1962 schwor er die Amerikaner auf das gemeinsame Ziel ein: »Wir haben den Mond als Ziel gewählt, nicht weil es leicht zu erreichen ist, sondern gerade weil es schwierig ist.« Die NASA konzentrierte all ihre Kräfte auf dieses Ziel. Zur Hochphase des Projekts arbeiteten über 400.000 Forscher, Ingenieure und Mathematiker an radikal neuen Lösungen. Die USA steckten rund 2,5 % ihrer jährlichen Wirtschaftskraft (GDP) in Forschung und Entwicklung dieser neuen Technologien. Das waren pro Jahr 25 Milliarden Dollar, was einem heutigen Wert von 100 Milliarden Dollar entspricht. Diese Investition ermöglichte letztendlich nicht nur die Mondlandung: Sie erschuf komplett neue Industrien, die Ideen der hellsten Köpfe des Moonshot-Projektes prägen uns noch heute.

      Margaret Hamilton zum Beispiel, Direktorin am Draper Lab des MIT, war für die Entwicklung der Onboard-Steuerungssoftware in den Apollo-Raumkapseln verantwortlich. Sie prägte den Begriff »Software Engineering« und entwickelte neuartige Ansätze von Systemarchitektur und END-TO-END-TESTING. Heute wird routinemäßig zu jeder professionellen Software neben der Applikation auch der Code erstellt, der vor der Veröffentlichung Tausende Testfälle automatisch durchgeht und die einwandfreie Funktion der Software überprüft.

      Robert Noyce (Fairchild Semiconductor) und Jack Kilby (Texas Instruments) entwickelten integrierte Schaltkreise für das Apollo-Projekt. Diese »Microchips« genannten Bauteile waren für die Steuerung und Überwachung der Raketensysteme und für die Navigation der Raumkapseln unentbehrlich. Jack erhielt später den Nobelpreis in Physik für diese Arbeit. Robert gründete mit seinem Kollegen Gordon Moore ein eigenes Unternehmen in Mountain View, Kalifornien, das auf Chips spezialisiert war: Integrated Electronics – kurz INTEL. Heute wird fast jedes elektronische Gerät von einem Chip gesteuert – vom Staubsauger über den Fön zum Kopfhörer.

      Durch das Projekt Mondlandung entstand ein Biotop für Ingenieure und Macher, die quasi alles für möglich hielten. Genau diese Einstellung ist es, die zu großartigen Entwicklungen und Durchbrüchen führt.

      End-to-End-Testing ist eine Software-Testmethode, um den Ablauf einer Anwendung von Anfang bis Ende zu testen. Der Zweck von End-to-End-Tests ist es, das reale Benutzerszenario zu simulieren und die Funktion des zu testenden Systems und seiner einzelnen Komponenten zu überprüfen.

      Die 10x DNA im Silicon Valley

      Die Mondlandung war das erste echte 10xProjekt der Geschichte. Viele der daran beteiligten Pioniere gründeten in den folgenden Jahren eigene Unternehmen und kommerzialisierten die von ihnen entwickelten Technologien. Aber vor allem kultivierten sie eine neue Geisteshaltung: Denke größer.

      Sie siedelten sich rund um die Stanford Universität südlich von San Francisco in Städten wie Mountain View, Palo Alto oder Cupertino an und brachten ihre 10xDNA mit. Der Stammbaum vieler großer Unternehmen – Google, Cisco und Nvidia – weist eine direkte Linie zu den Gründern von Fairchild Semiconductor und damit zum Projekt Mondlandung auf.

      Robert Noyce wurde zur Vaterfigur und zum Mentor für den jungen Steve Jobs und unterstützte ihn während der Gründung von Apple. Andere Fairchild-Alumnis gründeten VC-Firmen wie Kleiner Perkins oder Sequoia, die auch heute noch zu den bedeutendsten Finanziers von Startups gehören. Kleiner Perkins war einer der ersten Investoren in Google, Amazon und Spotify. Sequoia investierte unter anderem in PayPal, Youtube und WhatsApp. Sie waren maßgeblich am Erfolg der Unternehmen beteiligt, die heute die meisten von uns täglich nutzen.

      Es entstand eine Szene, die anders dachte und handelte, die auf der Suche nach dem nächsten großen Sprung nicht mit kleinen Optimierungen zufrieden war.

      Heute ist die 10xDNA ein fester Bestandteil der Kultur vieler Unternehmen im Valley. Die meisten CEOs sind mit Verbesserungen von 2 bis 3 % pro Jahr zufrieden. Google-Gründer Larry Page nicht. Für ihn ist »10x« zum Mantra geworden. Selbst eine Verbesserung von 10 % bedeutet für ihn, dass immer noch das Gleiche gemacht wird. Um 10x besser als der Wettbewerber zu sein, muss man exponentiell denken und neue Wege gehen. Nur so entsteht echter Fortschritt. Ein Beispiel für das 10xMantra ist die Markteinführung von Gmail im Jahr 2004: Google versprach seinen Nutzern einen E-Mail-Speicher von 1 Gigabyte – 250 mal mehr als der Wettbewerber Yahoo. Bei einem damaligen Speicherpreis von ca. 4 Dollar pro Gigabyte und bei geplant vielen 100 Millionen Kunden schien sich ein potenzieller Milliardenverlust abzuzeichnen. Kein deutscher Controller hätte das zugelassen, aus Sorge um seinen Arbeitsplatz. Aber das Gmail-Team hatte die 10xDenke. Es handelte vorausschauend und optimistisch, ging von exponentiellen Fortschritten bei der Speichertechnik und folglich sinkenden Kosten für Speicherkapazitäten aus.

      Das Team behielt recht: Die Nutzerzahlen stiegen, zugleich sanken die Kosten für Speicher auf wenige Cent pro Gigabyte. Gmail wurde ein hochprofitables Business mit über 1 Milliarde Nutzern.

      Ein weiterer Vordenker der 10xPhilosophie im Silicon Valley ist Elon Musk. Seine bevorzugte Methode zur Entdeckung radikal neuer Lösungen nennt sich First Principle Thinking. Elon bricht große Herausforderungen zunächst auf ihre fundamentalen Teilaspekte herunter. Dann versucht er mit seinen Teams, diese Teilaspekte von Grund auf neu zu denken und nutzt neue technische Methoden. Statt sich daran zu orientieren, wie die Dinge bisher gemacht wurden, fragt er: Was ist nach heutigem Stand und nach den Gesetzen der Physik und Chemie technisch möglich?

      First Principle Thinking beschreibt eine Denkmethode, bei der man eine Fragestellung auf ihre fundamentalen Eigenschaften, zum Beispiel physikalische Begebenheiten, herunterbricht und dann darauf basierend nach neuen Lösungsansätzen sucht. Man lässt bewusst bisher angewandte Verfahren außer acht und fokussiert sich auf neue Wege oder Technologien, um neue, innovative Lösungen zu finden.

      Meistens lösen die Leute Probleme, indem sie das kopieren, was andere vor ihnen gemacht haben und es leicht anpassen. Ich handle mehr nach der wissenschaftlichen Methode der Analyse der Grundprinzipien. Man reduziert die Dinge erst einmal auf ihre grundlegenden Wahrheiten und überlegt von dort aufwärts.

      Elon Musk

      Mit seinem Startup SpaceX will er die Raumfahrt »massentauglich« machen. Die Entwicklung wiederverwendbarer Raketen soll die Kosten für Weltraumflüge um ein Vielfaches senken.

      Als Elons erster Plan, ausgemusterte Raketen des russischen Weltraumprogramms zu kaufen und aufzubereiten, gescheitert war, gab er nicht auf. Er reduzierte Raketen auf ihre zentralen Bereiche Aerodynamik, Thermodynamik, Treibstoff und Triebwerke. Mit dieser grundlegenden Aufteilung entwickelte sein Team einen Bauplan für Raketen mit

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