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Читать онлайн.Schluß des ersten Bandes.
Zweiter Band
Dreizehntes Kapitel.
Eine halbe Stunde später verzehrten Tarvin und Fibby einträchtiglich ihr Frühstück in dem sonndurchspähten Schatten des Buschwerks am Fuße der Mauer. Das Pferd vergrub die Nase in seinen Futtersack und sagte gar nichts, und der Mann verhielt sich nicht weniger schweigsam. Zwei-oder dreimal sprang er auf, betrachtete prüfend die unregelmäßigen Linien von Mauer und Wall und schüttelte den Kopf. Nein, er hatte keine Lust, dorthin zurückzukehren. Als die Sonne heißer und heißer zu brennen anfing, suchte er sich einen geeigneten Ruheplatz in einem Kreis von Dornbüschen, schob sich den Sattel unter den Kopf und legte sich zum Schlafen nieder. Fibby fand das Beispiel seines Herrn durchaus nachahmenswert und wälzte sich wohlig im Gras. So pflegten die beiden der Ruhe, während die Luft vor Hitze brodelte und vom Summen der Insekten schwirrte, und die werdenden Ziegen mit tapp tapp kletterten oder durch die Wasserrinnen platschten.
Der Schatten vom Turm des Ruhmes wuchs, er fiel über die Mauer hinüber und streckte sich lang hinaus ins flache Land, die Weihen senkten sich paarweise oder zu dreien aus der Höhe herab, nackte Kinder, die einander mit schallender Stimme anriefen, sammelten die zerstreuten Ziegen, um sie heimzutreiben in die rauchigen Hütten der nahen Dörfer, und nun erst schickte sich Tarvin zur Heimreise an.
Als er die Anhöhe gegenüber der Stadt wieder erreicht hatte, hielt er Fibby an, um einen letzten Blick auf Gunnaur zu werfen. Die Sonne hatte sich schon von den Mauern verabschiedet, die nun pechschwarz aus der dunstbedeckten Ebene und dem bläulichen Zwielicht in die Luft aufragten. Aus einem Dutzend Höhlen rings am Fuß des Bollwerks zwinkerten Hirtenfeuer auf, aber längs der Umfassung des trostlosen Orts schimmerte kein Licht.
»Ein trübseliges Nest, Fibby,« sagte Tarvin, die Zügel aufnehmend. »Wir halten nicht viel von unsrer Landpartie und werden in Rhatore nicht darüber reden, merk’ dir das, mein Sohn!«
Er trieb das Pferd an und Fibby jagte heimwärts, daß die Funken stoben; er hatte es so eilig, daß er unterwegs nur ein einziges Mal eine Stärkung verlangte. Tarvin that auf dem langen, langen Ritt den Mund nicht mehr auf, aber als er im hellen Morgensonnenschein vor dem Rasthaus abstieg, entrang sich ein tiefer Atemzug der Erleichterung seiner Brust.
Als er dann in seinem Zimmer saß, bereute er es zwar tief, sich nicht in Gunnaur eine Fackel zurecht gemacht und das unterirdische Gewölbe genauer untersucht zu haben, aber sobald ihm die grünen Augen und der Moschusgeruch in Erinnerung kamen, schauderte ihn. Das Ding war unausführbar. Nie wieder, mochte ihn locken, was da wollte, würde er, solang er im gesegneten Licht der Sonne wandelte, einen Fuß in die Höhle des Kuhmauls setzen, so fremd seiner Natur die Furcht war.
Es war sein Stolz, in allen Stücken immer zu wissen, wann er genug hatte. Vom Kuhmaul hatte er genug gehabt, und das Einzige, wonach ihn in Beziehung darauf noch gelüstete, war, dem Maharadscha die Meinung darüber zu sagen. Daran war aber unglücklicherweise gar nicht zu denken. Der müßige Monarch, der ihn, wie er nun deutlich sah, dorthin gewiesen hatte, entweder in einer Anwandlung despotischer Sport-und Spottlust, oder um ihn von der richtigen Fährte des Halsbands abzulenken, war und blieb ja der einzige Mensch, von dessen Wohlwollen der endliche Sieg abhing. Dem Maharadscha zu sagen, was er von ihm dachte, wäre ein Genuß gewesen, den er sich leider versagen mußte.
Glücklicherweise fand der König zu viel Spaß an den Arbeiten am Ametfluß, die Tarvin gleich am nächsten Tag einleitete, um sich eingehend zu erkundigen, ob sein Freund das Naulahka im Gye-Mukh gesucht habe oder nicht. Am Morgen nach seiner Rückkehr von dem unheimlichsten Fleck Erde, den er je gesehen hatte, war Tarvin vor dem Maharadscha erschienen mit der Miene eines Mannes, der nicht ahnt, was Furcht ist, und nie eine Enttäuschung erfahren hat, und hatte ihn fröhlich an die Erfüllung seines Versprechens gemahnt. Nach dem bedeutenden Mißerfolg in einer Richtung, fühlte er das Bedürfnis, auf der Stelle den ersten Spatenstich an einem neuen Werk zu thun, gerade wie die Bewohner von Topaz am Morgen nach dem großen Brand zu bauen angefangen hatten. Seine Erlebnisse am Gye-Mukh stählten nur seine Entschlossenheit und gesellten ihr das ingrimmige Verlangen bei, mit dem Mann, der ihn hingeschickt hatte, Abrechnung zu halten.
Der Maharadscha, der an diesem Morgen ganz besonders zerstreuungsbedürftig war, zeigte sich voll Eifers, Wort zu halten, und erteilte Befehl, daß dem langen Engländer, mit dem er Pachisi spiele, so viel Mannschaft zur Verfügung gestellt werden solle, als er verlange. Tarvin stürzte sich in die Ableitung des Flusses und die Erbauung des Damms mit der ganzen Willenskraft der Wut, die aus der Erinnerung an die fraglichsten und ungemütlichsten Augenblicke seines Lebens immer neue Nahrung sog. In dem Land, worein er geraten war, schien es ja nötig zu sein, den Leuten Sand in die Augen zu streuen, um seine Absichten zu verbergen, und das wollte Tarvin in einem Maßstab besorgen, der dem Abenteuer, das er selbst bestanden hatte, entsprechen würde. Geschäftsmäßig, gründlich, unerbittlich wollte er sie in wahre Wirbelstürme von Sand einhüllen.
Der Anfang seiner Thätigkeit war wirklich verblüffend und in Sandwolken gehüllt. Seit der Gründung dieses Staats hatte man nichts Derartiges zu sehen bekommen in Gokral Sitarun. Der Maharadscha stellte ihm die ganze Arbeitskraft seiner Sträflinge zur Verfügung, und Tarvin ließ die kleine Armee an den Beinen gefesselter »Kaidies« fünf Meilen vor der Stadt ein Feldlager beziehen und entwarf höchst feierlich die Pläne für die zwecklose Stauung des halb eingetrockneten Amet. Seine frühere Ausbildung zum Ingenieur kam ihm jetzt sehr zu statten, denn er war wenigstens im stande, die Arbeiten sachgemäß anzuordnen und seinem Werk den Anschein der Zweckmäßigkeit zu verleihen. Am Ausgangspunkt einer ungeheueren Schleife, die der Fluß beschrieb, sollte das Wasser durch einen Querdamm gestaut und dann ein neues Bett gegraben werden, das in gerader, bedeutend kürzerer Linie an den Weiterlauf anschließen würde. Auf diese Weise war das alte Flußbett auf verschiedene Meilen bloßgelegt, und falls sich überhaupt Gold darin fand, sagte sich Tarvin, könne man sich ja wohl die Zeit nehmen, es herauszuschaffen. Einstweilen fand der König das Unternehmen höchlich unterhaltend, ritt jeden Morgen hinaus und sah eine Stunde oder länger mit an, wie Tarvin seine Mannschaft befehligte. Das Hin-und Hermarschieren der Sträflinge in wohlgeordneten Reihen mit Körben, Schaufeln und Spaten, die Esel mit zwei großen Tragkörben, die verschwenderisch ausgeführten Felssprengungen, das Geschrei und das emsige Gewimmel, das alles ergötzte den König, in dessen Anwesenheit Tarvin auch immer die größten Sprengungen vornehmen ließ. Da der König das Pulver lieferte, überhaupt die Kosten des ganzen Vergnügens trug, fand Tarvin dies nur recht und billig.
Zu den minder angenehmen Obliegenheiten Tarvins gehörte die Notwendigkeit, jeden Tag dem Oberst Nolan, dem König und sogar allen Handlungsreisenden, die im Rasthaus einkehrten, seine Gründe für die Stauung des Flusses auseinanderzusetzen, so oft es eben dem einen oder andern beliebte, danach zu fragen. Ja, sogar die kaiserlich indische Regierung fragte nach diesen Gründen und zwar schriftlich, sie wollte ferner wissen, weshalb Oberst Nolan die Arbeiten am Amet zulasse, und sogar, warum der Maharadscha einen Ingenieur, der nicht von der Regierung angestellt und mit keinerlei Machtbefugnissen versehen sei, den Amet ableiten lasse. Diese Anfrage war von dem Ersuchen um nähere Auskunft begleitet. Tarvin für sein Teil erfand eine so vortrefflich ausweichende und eigentlich nichtssagende Antwort, daß er sich schmunzelnd sagen konnte, eine bessere Vorbereitung für die staatsmännische Laufbahn zu Hause hätte er gar nicht finden können. Der Oberst Nolan gab amtlich bekannt, die Arbeit der Sträflinge würde bezahlt, und fügte vertraulich bei, der Maharadscha sei so erstaunlich fügsam und artig,