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sind Sie aber nicht dort geblieben, wenn die Stadt so herrlich ist?«

      »Weil ich Sie sehen wollte,« versetzte Tarvin, rasch gefaßt. »Weil ich drüben von Ihnen gehört habe, Maharadscha Sahib.«

      »So ist es doch wahr, was meine Dichter singen, daß mein Ruhm ertönt an allen vier Enden der Welt? Ich will Bussant Naos Mund mit Gold füllen, wenn dem so ist.«

      »Darauf können Sie Ihr Leben wetten, Maharadscha Sahib. Ist es Ihnen aber lieber, wenn ich wieder gehe? Sie brauchen nur ein Wort zu sprechen!«

      Tarvin that, als ob er sein Pferd herumwerfen wollte. Der Maharadscha versank für eine Weile in tiefes Nachdenken, dann begann er zu sprechen, langsam und besonders deutlich, daß Tarvin jedes Wort wohl erfassen möge.

      »Ich hasse alle Engländer,« sagte er. »Ihre Art ist nicht meine Art; sie machen uns nichts als Scherereien, wenn hier und da ein Mann totgeschlagen wird. Auch Tarvin Sahibs Art ist nicht meine Art, aber er macht mir viel weniger Scherereien und er ist der Freund der Doktordame.«

      »Auch der Freund des Maharadscha Kunwar, dächte ich,« sagte Tarvin.

      »Sind Sie ihm ein wahrer Freund?« fragte der Fürst, ihm scharf in die Augen sehend.

      »Und ob! Den Mann möchte ich sehen, der es wagen wollte, Hand an den Kleinen zu legen! Er würde verschwinden, Herr, weggefegt werden von der Erde, nicht mehr sein! Ganz Gokral Sitarun würde ich mit ihm auftrocknen!« »Ich sah, wie Sie eine Rupie im Fluge treffen, bitte, lassen Sie mich das noch einmal sehen.«

      Ohne einen Augenblick an die Nerven des jungen Hengstes zu denken, nahm Tarvin seinen Revolver, warf eine Münze in die Luft und feuerte. Das Geldstück, dieses Mal ein frisches, fiel, genau in der Mitte durchschossen, zur Erde; das Pferd aber machte tolle Sätze, und auch die Stute des Maharadscha tänzelte aufgeregt. Zu gleicher Zeit ertönte von hinten her dröhnender Hufschlag. Das Gefolge, das bisher seinen vorgeschriebenen Abstand von einer Viertelmeile ehrfürchtig innegehalten hatte, jagte mit eingelegten Lanzen in Carriere heran. Der König lachte verächtlich.

      »Sie denken, Sie hätten auf mich geschossen,« sagte er, »und wenn ich nicht Einhalt gebiete, so sind Sie ein toter Mann. Was soll ich thun?«

      Tarvin streckte den Unterkiefer vor, wie es in gewissen Stimmungen sein Brauch war, warf das Pferd herum und sah, die waffenlosen Hände auf dem Sattelknopf gefaltet, den Reitern entgegen, ohne den König einer Antwort zu würdigen. Der Trupp stob in unregelmäßigem Haufen heran, jeder Reiter mit eingelegter Lanze vorne über den Sattelknopf geduckt, der Anführer der Truppe ein langes, breites Radschputenschwert schwingend. Tarvin fühlte mehr, als er sah, wie die schlanken, vergifteten Lanzenspitzen auf die Brust des Hengstes zusammenliefen. Der König ritt etliche fünfzig Schritt seitwärts und beobachtete, wie er ganz allein in der flachen Ebene dem Angriff entgegensah. In dem kurzen Augenblick, wo ihn wirklich der Tod angrinste, überlegte Tarvin, daß ihm doch so ziemlich jeder andre Kunde lieber wäre als ein indischer Maharadscha.

      Plötzlich rief der König ein Wort, und die Lanzenköpfe senkten sich, als ob sie abgehauen worden wären. Der Trupp teilte sich und wirbelte zu beiden Seiten an Tarvin vorüber, wobei sich jeder Mühe gab, wenigstens des weißen Mannes Stiefel kräftig zu streifen. Dieser starrte vor sich hin, ohne den Kopf zu drehen; der König, der herangeritten war, brummte beifällig vor sich hin.

      »Würden Sie das für den Maharadscha Kunwar auch gethan haben?« fragte er, sein Pferd wendend, so daß er wieder an Tarvins Seite war.

      »Nein,« sagte dieser gelassen. »Da hätte ich lang vorher zu schießen angefangen.«

      »Was? Fünfzig Mann würden Sie der Reihe nach erschossen haben?«

      »Nein, aber den Anführer.«

      Der König schüttelte sich vor Lachen und hielt eine Hand in die Höhe. Auf dieses Zeichen ritt der Hauptmann der Leibwache heran.

      »Oho, Pertab Singh-Ji, er sagt, er würde dich erschossen haben,« teilte ihm der König mit und setzte, zu Tarvin gewendet, lächelnd hinzu: »Er ist nämlich mein Vetter.«

      Der wohlbeleibte Radschpute verzog den Mund grinsend von einem Ohr zum andern, entgegnete aber zu Tarvins höchster Ueberraschung in tadellosem Englisch: »Bei ungeschulten Truppen wäre es das Richtige, die würden mit dem Fall des Führers ausreißen, wir sind aber nach englischem Muster gedrillt, wie ich auch meinen Rang und Auftrag unmittelbar von der Königin erhalten habe. In der deutschen Armee ist der Dienst…«

      Tarvin riß förmlich Mund und Nase auf.

      »Doch, Sie sind ja nicht Fachmann in militärischen Dingen,« unterbrach sich Pertab Singh-Ji mit verbindlichem Lächeln. »Ich will nur bemerken, daß ich Ihren Schuß hörte und wohl sah, um was es sich handelte. Wir haben aber den Befehl, sofort einzuschreiten, wenn in der Nähe Seiner Hoheit ein Schuß abgegeben wird; darum bitte ich, den Ansturm zu entschuldigen.«

      Mit soldatischem Gruß zog er sich zu seinen Leuten zurück. Die Sonne brannte jetzt schon sehr unangenehm, und der König und Tarvin ritten in gemäßigter Gangart heimwärts.

      »Wieviele Sträflinge können Sie mir zur Verfügung stellen?« fragte Tarvin nach einer Weile.

      »So viele Sie haben wollen, die Gefängnisse sind gepfropft voll,« versetzte der König, mit Begeisterung darauf eingehend. »Bei Gott, Sahib, einen Mann wie Sie habe ich nie gesehen, ich würde Ihnen geben, was Sie haben wollen.«

      Tarvin nahm den Hut ab und trocknete sich unter Lachen die feuchte Stirne.

      »Ich nehme Sie beim Wort, und was ich fordere, soll Sie nicht einmal etwas kosten!«

      Der Maharadscha brummte zweifelhaft vor sich hin. Die Leute verlangten in der Regel gerade das von ihm, was er nicht hergeben mochte.

      »Diese Rede klingt mir fremd, Tarvin Sahib!« bemerkte er.

      »Und ist doch richtig. Ich wünsche nichts, als das Naulahka sehen zu dürfen. Alle Staatsdiamanten und goldenen Karossen habe ich gesehen, nur das Naulahka nicht.«

      Der Maharadscha trabte etliche hundert Schritte schweigend einher.

      »Weiß man auch davon in dem Lande, wo Sie herkommen?« fragte er dann.

      »Selbstverständlich! Jeder Amerikaner weiß, daß es das Großartigste in ganz Indien ist. Das steht in allen Reisehandbüchern,« log Tarvin unverfroren.

      »Steht in den Büchern auch, wo es ist? Die Englischen sind ja so weise!«

      Der Maharadscha blickte gerade vor sich hin und lächelte leise.

      »Nein, das steht nicht darin, aber es heißt, der Maharadscha von Gokral Sitarun wisse es, und ich möchte es sehen!«

      »Sie müssen wissen, Tarvin Sahib,« sagte der Fürst wie aus tiefen Gedanken heraus, »daß unsre Naulahka nicht ein, sondern das Staatskleinod ist, ein Heiligtum – Staatsglück bedeutet ja sein Name. Selbst ich habe es nicht in Verwahrung und kann nicht befehlen, daß es Ihnen gezeigt wird.«

      Das war eine bittere Enttäuschung für Tarvin!

      »Aber wenn ich Ihnen sage, wo es ist,« fuhr der König fort, »so können Sie auf Ihre eigene Gefahr hingehen, die Regierung hat da nichts drein zu reden. Ich habe gesehen, daß Sie keine Gefahr scheuen, und ich habe einen dankbaren Sinn. Vielleicht, daß die Priester es Ihnen zeigen, vielleicht auch nicht. Möglich, daß Sie die Priester überhaupt nicht antreffen – ach, ich vergaß ja! In dem Tempel, woran ich dachte, ist es gar nicht. Nein, nein, es muß im Gye-Mukh sein – das heißt Kuhmaul. Aber dort sind keine Priester und niemand geht hin. Jawohl, jawohl, im Kuhmaul ist’s; ich dachte erst, es wäre in der Stadt,« setzte der Maharadscha hinzu. Es klang, als ob von einem verlorenen Hufeisen oder einem verlegten Turban die Rede wäre.

      »Versteht sich, im Kuhmaul,« wiederholte Tarvin, gerade wie wenn er durch seine Reisehandbücher auch über das »Kuhmaul« ganz genau unterrichtet wäre.

      Mit erneuter Lebendigkeit fuhr der König fort: »Bei Gott, nur ein sehr tapferer Mann wird zum Gye-Mukh

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