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Sprengschüsse bis zu den Wildgänsen hinauf hören konnte, und wo ganze Städte und Arbeiterwohnungen aus dem Waldessaum auftauchten. Da waren alte, verlassene Schmieden, wo der Junge durch das zusammengestürzte Dach auf mächtige, eisenbeschlagene Hammerschäfte und plump gemauerte Öfen hinabsehen konnte, und da waren große, neuangelegte Eisenwerke, wo gearbeitet und gehämmert wurde, daß die Erde erbebte. Da waren kleine Städte mitten in der Wildnis; sie lagen ganz still und sahen so aus, als wüßten sie nichts von dem Lärm ringsumher. Da gingen Drahtbahnen durch die Luft, an denen erzbeladene Körbe lautlos entlang glitten. In allen Gießbächen schnurrten Räder, elektrische Leitungen liefen durch den stummen Wald, und endlos lange Eisenbahnzüge kamen mit sechzig, siebzig Wagen dahergerollt, die bald mit Erz und Kohlen, bald mit Eisenstangen, Eisenplatten und Stahldraht beladen waren.

      Als der Junge eine Weile still dagesessen und das alles betrachtet hatte, konnte er sich nicht länger ruhig verhalten. »Wie heißt doch nur dies Land, wo nichts weiter wächst als Eisen?« fragte er, obwohl er wußte, daß die Vögel unten auf der Erde sich über ihn lustig machen würden.

      Da fuhr eine alte Eule, die in einer verlassenen Schmelzhütte saß und schlief, aus ihrem Schlaf auf. Sie streckte ihren runden Kopf aus und rief mit ihrer unheimlichen Stimme: »Uhu, uhu, uhu! Dies Land heißt Bergwerkdistrikt! Wüchse hier kein Eisen, so wohnte hier heutigentags niemand als Eulen und Bären.«

       Ende des ersten Bandes.

      Zweiter Teil

       Inhaltsverzeichnis

      XXVII. Das Eisenwerk

       Inhaltsverzeichnis

       Donnerstag, 28. April.

      Fast den ganzen Tag, als die Wildgänse über den Bergwerkdistrikt hinflogen, wehte ein starker Westwind, und sobald sie versuchten, gen Norden zu steuern, wurden sie gen Osten geworfen. Akka aber glaubte, daß Reineke in dem östlichen Teil des Landes umherlief. Aus diesem Grunde wollte sie nicht nach der Seite fliegen, sondern kehrte einmal über das andere um und kämpfte sich mühselig nach Westen zurück. Auf diese Weise kamen die wilden Gänse nur langsam vorwärts, und gegen Nachmittag waren sie noch nicht weitergekommen als bis an den Bergwerkdistrikt von Westmanland. Gegen Abend legte sich der Wind plötzlich, und die müden Reisenden faßten Hoffnung auf eine Stunde ruhigen Fluges vor Sonnenuntergang. Aber da kam ein heftiger Windstoß gefahren, der trieb die Gänse vor sich her wie Bälle, und Niels Holgersen, der ganz sorglos dasaß und von keiner Gefahr träumte, ward von dem Gänserücken gehoben und in den leeren Luftraum geschleudert.

      Der Junge war so klein und so leicht, daß er in dem mächtigen Sturm nicht gleich auf die Erde fallen konnte, er flog noch eine Weile mit dem Wind weiter und sank dann langsam und flatternd hinab, wie ein Blatt, das vom Baume weht.

      »Ach, das hat keine Not!« dachte der Junge noch während er fiel. »Ich sinke so langsam hinab, als wäre ich ein Stück Papier. Der Gänserich Martin wird sich schon beeilen und mich wieder aufsammeln.«

      Das erste, was er tat, als er auf die Erde hinabkam, war die Mütze vom Kopf zu reißen und damit zu winken, damit der große, weiße Gänserich sehen sollte, wo er war. »Hier bin ich, wo bist du? Hier bin ich, wo bist du?« rief er und war ganz erstaunt, daß der Gänserich Martin noch nicht neben ihm war.

      Aber der große Weiße war nicht zu sehen, und er sah auch die Schar der Wildgänse sich nicht vom Himmel abzeichnen. Sie war ganz verschwunden.

      Er fand das ja freilich ein wenig sonderbar, aber er wurde nicht bange oder unruhig. Es fiel ihm auch nicht einen Augenblick ein, daß Akka oder Martin ihn im Stich lassen könnten. Der heftige Windstoß hatte sie wohl mitgenommen. Sobald sie imstande waren, zu wenden, würden sie schon zurückkommen und ihn holen.

      Aber was war denn das? Wo in aller Welt war er hingeraten? Bisher hatte er nur dagestanden und nach den Gänsen zum Himmel emporgesehen, aber jetzt blickte er plötzlich um sich. Er war nicht auf die flache Erde hinabgefallen, sondern in eine tiefe, breite Bergschlucht, oder was es nun sein mochte. Es war ein Raum so groß wie eine Kirche, mit fast lotrechten Felsenwänden nach allen Seiten und ganz ohne Decke. An der Erde lagen einige große Felsblöcke und dazwischen wuchsen Moos und Preißelbeergrün und kleine, niedrige Birken. Hier und da an den Felswänden waren vorspringende Ecken, von denen zerbrochene Leitern herabhingen. Nach der einen Seite erschloß sich ein finsteres Gewölbe, das tief in den Berg hineinzuführen schien.

      Der Junge war nicht umsonst einen ganzen Tag über den Bergwerkdistrikt dahingeflogen. Er begriff sofort, daß die große Schlucht dadurch entstanden war, daß man in früheren Zeiten an dieser Stelle Erz in dem Berge gebrochen hatte. »Aber ich muß sofort versuchen, ob ich nicht wieder auf die Erde hinaufklettern kann,« dachte er, »denn sonst fürchte ich, daß meine Reisegefährten mich nicht finden können.«

      Er wollte eben an die Felswand gehen, als jemand kam und ihn von hinten packte, und er hörte eine grobe Stimme in sein Ohr brummen: »Was für einer bist du denn?«

      Der Junge wandte sich schnell um, und im ersten Schrecken glaubte er, einem großen Felsblock gegenüberzustehen, der mit graubrauner Bartflechte bedeckt war; dann aber gewahrte er, daß der Felsblock breite Füße hatte, auf denen er gehen konnte, und einen Kopf und Augen und einen großen, brummenden Mund.

      Er konnte kein Wort der Entgegnung hervorbringen, aber das schien das große Tier auch gar nicht zu erwarten. Er warf ihn um, rollte ihn mit der Pfote hin und her und beschnüffelte ihn. Es sah so aus, als wolle es ihn verschlingen, da aber kam es auf andere Gedanken und rief: »Murre und Brumme, kommt schnell, meine Kleinen! Hier ist was Leckeres für euch!«

      Augenblicklich kamen zwei zottige Junge dahergestürzt, sie standen schlecht auf den Beinen und hatten ein weiches Fell so wie junge Hunde.

      »Was habt Ihr da gefunden, Bärenmutter? Dürfen wir sehen, was es ist?«

      »Also Bären sind es, unter die ich geraten bin,« dachte der Junge. »Dann fürchte ich, braucht sich Reineke Fuchs keine Mühe mehr zu geben, hinter mir drein zu jagen.«

      Die Bärin schob den Jungen mit der Tatze den Kleinen hin, und eins von ihnen schnappte ihn weg und lief mit ihm davon. Aber es biß nicht hart zu, denn es war ausgelassen und wollte mit dem Däumling spielen, ehe es ihn tot biß. Das andere lief hinterdrein, um den Jungen zu ergattern und kam so watschelnd und taumelnd daher, daß es dem mit dem Jungen gerade auf den Kopf fiel. Und so rollten sie über-und untereinander und rissen sich und bissen sich und brummten.

      Währenddessen entkam der Junge, lief an die Felswand und begann hinaufzuklettern. Aber die beiden Bärenkinder kamen hinter ihm drein gestürzt, kletterten schnell und behende den Berg hinauf, holten ihn ein und warfen ihn auf das Moos hinab wie einen Ball. »Jetzt weiß ich, was eine arme kleine Maus empfindet, wenn sie in die Krallen der Katze geraten ist,« dachte der Junge.

      Er versuchte mehrmals zu entschlüpfen. Er lief tief in den alten Grubengang hinein, verbarg sich hinter den Steinen und kletterte in die Birken hinauf, aber die Bärenkinder fanden ihn, wo er sich auch versteckte. Sobald sie ihn eingefangen hatten, ließen sie ihn wieder los, damit er ihnen wieder fortlaufen sollte, denn dann hatten sie das Vergnügen, ihn wieder einzufangen.

      Schließlich wurde der Junge so müde und hatte das Ganze so satt, daß er sich an die Erde warf. »Lauf! Lauf!« riefen die Bärenkinder, »sonst fressen wir dich!« – »Meinetwegen!« sagte der Junge, »ich kann nicht mehr laufen.« Sofort stürzten die Kleinen zu der Bärenmutter. »Mutter, Mutter, er will nicht mehr spielen,« klagten sie. – »Ja, dann nehmt ihn und teilt ihn unter euch, aber ganz gerecht,« sagte die Bärenmutter. Als der Junge das hörte, wurde er so bange, daß er gleich wieder zu spielen anfing.

      Als es Schlafenszeit war und die Bärin ihre Jungen rief, damit sie dicht an sie herankriechen und sich schlafen legen sollten, hatten

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