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wissen, aber er scheute sich, geradeheraus zu fragen. Deswegen sagte er: »Mutter war wohl nicht sehr ärgerlich, als sie sah, daß der Gänserich Martin davonflog?«

      »Ich glaube, sie hatte sich die Sache mit dem Gänserich nicht so zu Herzen genommen, wenn sie gewußt hätte, wie es kam, daß er davonflog. Jetzt trauert sie Tag und Nacht darüber, daß ihr eigener Sohn sich von Hause fortgeschlichen und den Gänserich mitgenommen hat.«

      »Sie glaubt also, daß ich den Gänserich gestohlen habe?« fragte der Junge. – »Was sollte sie sonst wohl glauben?« – »Vater und Mutter glauben wohl, daß ich mich diesen Sommer wie ein Landstreicher umhergetrieben habe?« – »Sie denken, daß es schlimm mit dir steht,« antwortete Mairose. »Und sie haben über dich getrauert, wie man trauert, wenn man das Liebste verliert, was man besitzt.«

      Als der Junge dies hörte, ging er schnell aus dem Kuhstall und begab sich in den Pferdestall. Der war klein aber zierlich. Man konnte deutlich sehen, daß Holger Nielsen sich alle erdenkliche Mühe gegeben hatte, um ihn so einzurichten, daß das neuangekommene Pferd sich wohl dort fühlen sollte. Und da stand ein wunderschönes Pferd, das förmlich von Wohlsein glänzte.

      »Willkommen im Stall!« sagte der Junge. »Ich habe gehört, daß hier ein krankes Pferd sein soll, aber das kannst du doch nicht sein, so frisch und gesund, wie du aussiehst!« Das Pferd wandte den Kopf um und sah den Jungen aufmerksam an. »Bist du der Sohn des Hauses?« fragte es. »Von dem habe ich soviel Schlimmes gehört. Aber du siehst so gut aus, daß, wenn ich nicht wüßte, er sei in ein Heinzelmännchen verwandelt, ich nie geglaubt hätte, daß du es seiest.« – »Ich weiß sehr wohl, daß ich hier zu Hause einen schlechten Ruf hinterlassen habe,« sagte der Junge. »Meine eigene Mutter glaubt, daß ich mich als Dieb weggeschlichen habe, aber das ist jetzt einerlei, denn ich bleibe nicht lange zu Hause. Ehe ich gehe, möchte ich aber doch gern wissen, was dir eigentlich fehlt.«

      »Schade, daß du nicht hier bleibst,« sagte das Pferd, »denn ich bin überzeugt, du und ich, wir wären gute Freunde geworden. Mir fehlt nichts weiter, als daß ich mir etwas in den Fuß hineingetreten habe, eine Messerspitze oder was es sonst sein mag. Das sitzt so gut verborgen, daß der Doktor es nicht hat finden können, aber es sticht und sticht, so daß ich fast nicht auftreten kann. Wenn du Holger Nielsen nur erzählen wolltest, was mir fehlt, so glaube ich, daß er mir leicht helfen könnte. Ich möchte so gern für mein Futter arbeiten. Ich schäme mich so, daß ich dastehe und fresse, ohne das Geringste zu leisten.«

      »Gut, daß du keine eigentliche Krankheit hast,« sagte der Junge. »Ich will sehen, ob ich nicht dafür sorgen kann, daß du kuriert wirst. Es tut dir wohl nicht weh, wenn ich mit meinem Messer etwas in deinen Huf ritze?«

      Niels Holgersen war gerade mit dem Pferd fertig geworden, als er draußen auf dem Hof Stimmen vernahm. Er öffnete die Stalltür ein klein wenig und sah hinaus. Es waren sein Vater und seine Mutter, die von der Landstraße her auf das Haus zukamen. Man konnte ihnen ansehen, daß sie von Sorgen niedergedrückt waren. Seine Mutter hatte viel mehr Runzeln bekommen, als sie früher gehabt hatte, und das Haar des Vaters war grau geworden. Die Mutter redete dem Vater zu, sich Geld von seinem Bruder zu leihen. »Nein, ich will nicht noch mehr Geld leihen,« sagte der Vater, gerade als sie am Stall vorübergingen. »Schulden sind das Schlimmste von allem. Dann müssen wir lieber das Haus verkaufen.« – »Ich hätte auch nichts dagegen, daß wir uns von dem Hause trennten, wenn es nicht des Jungen wegen wäre. Aber was soll er anfangen, wenn er eines Tages arm und elend, wie er natürlich ist, zurückkehrt, und wir dann nicht hier sind?« – »Ja, darin hast du recht,« sagte der Vater, »wir müßten dann die Leute, die hier nach uns wohnen, bitten, sich seiner anzunehmen und ihm zu sagen, daß wir ihn erwarten. Er soll kein böses Wort von uns hören, wie er auch sein mag. Nicht wahr, Mutter!« – »Ach nein, nein! Hätte ich ihn nur wieder daheim, so daß ich wüßte, er triebe sich nicht hungrig und frierend auf der Landstraße herum, dann könnte alles andere einerlei sein.«

      Als sein Vater und seine Mutter das gesagt hatten, gingen sie ins Haus, und Niels konnte nichts mehr von ihrer Unterhaltung hören. Er war sehr glücklich und tief gerührt, als er hörte, daß sie ihn so lieb hatten, obwohl sie glaubten, er sei ganz vor die Hunde gegangen. Am liebsten wäre er gleich zu ihnen gelaufen. »Aber wenn sie mich so sehen, wie ich jetzt bin, würden sie vielleicht noch betrübter werden,« dachte er.

      Während er noch dastand und überlegte, hielt ein Wagen am Zaun. Der Junge hätte beinahe laut aufgeschrien vor Überraschung; denn niemand anders als das Gänsemädchen Aase und ihr Vater stiegen aus und kamen auf den Hof gegangen. Hand in Hand schritten sie dem Hause zu; sie kamen so still und ernsthaft daher, aber ein schöner Schimmer von Glück strahlte aus ihren Augen. Als sie ungefähr mitten auf dem Hofe waren, hielt Aase ihren Vater zurück und sagte zu ihm: »Vergiß nun auch nicht, Vater, daß du kein Wort von dem Holzschuh oder den Gänsen oder dem kleinen Wicht sagst, der Niels Holgersen so ähnlich sah, daß, wenn er es nicht selbst gewesen ist, es einer sein muß, der etwas mit ihm zu schaffen hat.« – »Nein,« sagte Jon Assarson, »nein, ich sage natürlich nichts weiter, als daß ihr Sohn dir mehrmals große Hilfe geleistet hat, als du umherwandertest und nach mir suchtest, und daß wir gekommen sind, um zu fragen, ob wir ihnen dafür nicht auch einen Dienst erweisen können, jetzt, wo ich ein wohlhabender Mann geworden bin und mehr habe, als ich gebrauchen kann, seit ich die Grube da oben fand.« – »Ja, ich weiß sehr wohl, daß du dich gut ausdrücken kannst,« sagte Aase. »Ich meinte ja auch nur, daß du dies nicht sagen solltest.«

      Sie gingen ins Haus, und der Junge hätte schrecklich gern gehört, worüber sie da drinnen sprachen, aber er hatte nicht den Mut, sich auf den Hofplatz hinauszuwagen. Es währte nicht lange, da kamen die beiden wieder heraus, und da begleiteten der Vater und die Mutter sie bis an die Gitterpforte. Es war merkwürdig zu sehen, wie froh die beiden jetzt waren. Sie sahen so aus, als hätten sie neues Leben bekommen.

      Als die Gäste wieder fortgefahren waren, blieben der Vater und die Mutter an der Pforte stehen und sahen ihnen nach. »Jetzt will ich auch nicht mehr traurig sein,« sagte die Mutter, »jetzt, wo ich soviel Gutes von Niels gehört habe.« – »Viel haben sie eigentlich nicht von ihm erzählt,« sagte der Vater nachdenklich. – »War es nicht schon genug, daß sie einzig und allein hergereist kamen, um uns zu helfen, nur weil unser Niels ihnen große Dienste geleistet hatte? Ich finde übrigens, du hättest ihr Anerbieten annehmen sollen, Vater.« – »Nein, Mutter, ich will von niemand Geld annehmen, weder als Geschenk noch als Darlehn. Erst will ich meine Schulden abbezahlen, und dann wollen wir versuchen, uns wieder emporzuarbeiten. Wir sind ja doch noch nicht so uralt, Mutter!« Der Vater lachte so herzlich, als er das sagte. »Ich glaube wahrhaftig, du findest es ergötzlich, den Hof zu verkaufen, in den wir soviel Arbeit hineingesteckt haben,« sagte die Mutter. – »Ach, du weißt ja recht gut, weswegen ich lache, Mutter,« entgegnete der Vater. »Was mich so bedrückt hat, daß ich zu nichts mehr zu gebrauchen war, das war ja, daß ich glaubte, der Junge sei vor die Hunde gegangen. Aber jetzt, wo ich weiß, daß er lebt und sich gut geschickt hat, jetzt sollst du sehen, daß Holger Nielsen noch was wert ist!«

      Die Mutter ging ins Haus hinein, aber Niels Holgersen versteckte sich schleunigst in eine Ecke, denn der Vater kam in den Stall, um nach dem Pferd zu sehen. Er ging zu ihm in den Stand hinein und hob, wie er es zu tun pflegte, den kranken Fuß in die Höhe, um zu sehen, ob er nicht entdecken könne, was ihm fehlte. »Aber was ist denn das?« fragte der Vater, denn er sah, daß einige Buchstaben in den Huf hineingeritzt waren. »Nimm das Eisen von dem Huf ab!« las er. Verwundert und fragend sah er sich nach allen Seiten um. Schließlich besah und befühlte er die untere Seite des Hufes. »Ich glaube wahrhaftig, daß etwas Scharfes darin sitzt,« murmelte er nach einer Weile.

      Während der Vater mit dem Pferde beschäftigt war und der Junge in einer Ecke des Stalles versteckt saß, kam noch mehr Besuch auf den Hof. Als nämlich der Gänserich Martin gesehen hatte, daß er sich so in der Nähe seiner alten Heimat befand, war es ihm unmöglich, der Lust zu widerstehen, seinen früheren Kameraden auf dem Hofe Frau und Kinder zu zeigen; und ohne weitere Umstände zu machen, nahm er Daunfein und die jungen Gänse mit und flog dahin.

      Es war kein Mensch draußen auf dem Hofe bei Holger Nielsen, als der Gänserich geflogen kam; so konnte er sich denn ganz ruhig niederlassen und Daunfein zeigen,

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