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      Die Herrin des Clans

      Barbara Cartland

      Barbara Cartland E-Books Ltd.

      Vorliegende Ausgabe ©2016

      Copyright Cartland Promotions 1985

      9781782138532

      Gestaltung M-Y Books

       www.m-ybooks.co.uk

      1 ~ 1886

      Der Herzog von Invercaron fand keinen Schlaf. Er warf sich im Bett von einer Seite auf die andere.

      Es ist einfach lächerlich, dachte er. Ich sollte endlich einschlafen, anstatt mir den Kopf über unbestimmte Vorahnungen zu zerbrechen.

      Doch eine innere Stimme, die sich beim besten Willen nicht zum Schweigen bringen ließ, sagte ihm, daß etwas nicht in Ordnung war.

      Am meisten irritierte ihn, daß er nicht wußte, was ihm eigentlich den Schlaf raubte, in den er gewöhnlich nach einem langen, anstrengenden Tag mühelos fiel.

      Ein solcher Tag lag tatsächlich hinter ihm. Gleich als er am Morgen aufgestanden war, war ihm klar geworden, daß ihn nur unangenehme Dinge erwarteten.

      Er versuchte sich einzureden, daß er seine Pflicht, die ihm auferlegt worden war, erfüllen mußte, genau wie er einem Regimentsbefehl gefolgt wäre, ohne Widerspruch zu erheben.

      Es waren kaum zwei Monate vergangen, seit er die feuchte Hitze Kalkuttas hinter sich gelassen und sich nach England eingeschifft hatte. Er hatte die Heimreise ohne die leiseste Vorstellung davon angetreten, was an deren Ende auf ihn zukam.

      Als er das Telegramm geöffnet hatte, das ihn vom Tode seines Onkels und der Tatsache informierte, er habe dessen Titel geerbt, hatte Talbot McCaron, wie er damals noch hieß, das Ganze zunächst für einen dummen Scherz seiner Offizierskameraden gehalten, die einander aus purer Langeweile ständig den einen oder anderen Streich zu spielen pflegten.

      Erst nach mehrfacher Lektüre des dem Telegramm folgenden Briefes, den er vorfand, als er von einer äußerst gefährlichen Mission an der Nord-West-Grenze Indiens zurückkehrte, stellte er fest, daß er tatsächlich der dritte Herzog von Invercaron war.

      Anschließend ging alles so schnell, daß er kaum noch zur Besinnung kam.

      Sein Vorgesetzter gewährte ihm selbstverständlich Urlaub. Dabei wußten beide, daß es nur eine Frage der Zeit war, bis er den Dienst quittieren mußte. Seine Pflichten in Schottland als Chieftain des McCaron-Clans würden ihm nicht gestatten, zum Regiment zurückzukommen.

      „Wir werden Sie sehr vermissen“, versicherte sein Kommandeur ehrlichen Herzens. „Ich weiß, daß gewisse Leute Ihnen sehr dankbar sind für Ihre Unterstützung in Angelegenheiten, die wir im Augenblick nicht diskutieren sollten.“

      „Ich werde Sie ebenfalls vermissen“, gestand Talbot McCaron bedauernd ein.

      „Darüber bin ich mir im Klaren, mein Lieber“, erwiderte der Oberstleutnant. „Andererseits wird es Zeit für Sie, sich an einem festen Ort niederzulassen und eine Familie zu gründen. Es wäre doch wirklich keiner Frau zuzumuten, einen Mann zu heiraten, der ständig sein Leben freiwillig aufs Spiel setzt, wie Sie es während der letzten Jahre getan haben.“

      Die zwei Männer lächelten sich wie zwei Verschwörer an. Diese Bemerkung bezog sich auf geheime Angelegenheiten, deren Einzelheiten am besten unausgesprochen blieben, selbst unter vier Augen.

      Von den guten Wünschen seiner Offizierskameraden begleitet, fuhr der Herzog nach Kalkutta, wohin ihn der Vizekönig zu einer Unterredung bestellt hatte.

      Am meisten bekümmerte ihn der Abschied von seinen Sepoys, mit denen er Seite an Seite unzählige Kämpfe ausgefochten hatte. Sie hatten ihm blindlings vertraut, wußten sie doch, daß sie es nur der Tüchtigkeit und dem Glück ihrer Offiziere verdankten, daß sie einigermaßen unversehrt davonkamen.

      Wann immer Talbot McCaron einen seiner Männer verloren hatte, hatte er tiefen Schmerz empfunden. Sich selbst gegenüber gab er ehrlich zu, daß auch keiner seiner schottischen Clansleute ihm mehr Treue und Hingabe hätte zeigen können, als diese einfachen Inder, die unter ihm dienten.

      Bei seiner Ankunft in London hatte er zu seiner Überraschung erfahren, daß ihn eine ganze Anzahl von Leuten zu sehen wünschten.

      Im Verlauf seines letzten Heimaturlaubes hatte er zwei Wochen lang damit zugebracht, Theateraufführungen, Bälle und die Partys zu besuchen, bei denen ein attraktiver Junggeselle immer willkommen war.

      Er hatte auch eine Menge Einladungen ausgeschlagen. Wenn ihm der Sinn nach ausgesprochenem Gesellschaftsleben gestanden hätte, hätte er das in Indien finden können.

      Auf jeden Fall hatte er mehr Geld ausgegeben, als er sich eigentlich leisten konnte, indem er ein oder zwei hübsche Tänzerinnen vom Varieté zum Essen ausgeführt hatte. Die leichtsinnigen und amüsanten Mädchen hatten ihm eine andere Art von Vergnügungen geboten als die, die auch in Indien einem gut aussehenden Offizier offen standen.

      Seit er Herzog von Invercaron war, war alles anders geworden. Seine erste Verabredung war mit dem Staatssekretär für Schottland, dem Marquis von Lothian, der ernsthaft mit ihm über seine Pläne diskutierte.

      „Sie werden leider feststellen müssen, daß Ihr Onkel während der letzten Jahre seines Lebens so krank war, daß er seine Angelegenheiten ziemlich vernachlässigte“, begann der Marquis die Unterredung. „Als mich das letzte Mal Geschäfte in jene Gegend führten, besuchte ich ihn in seinem Schloß. Ich hatte den Eindruck, daß eine Menge Geld nötig sein wird, sowohl Ihr künftiges Heim wie auch die Pachthöfe auf Ihren Ländereien wieder in Ordnung zu bringen.“

      Der Herzog sah ihn beunruhigt an.

      „Geld, Mylord?“ wiederholte er. „Ich wurde bereits informiert, daß so gut wie keines vorhanden ist.“

      „Das weiß ich natürlich“, erwiderte der Marquis.

      Um die Lippen des Herzogs zuckte es spöttisch.

      „Können Sie mir verraten, Mylord, wie ich in einem alten, wunderschönen, aber auch bekanntermaßen keinen Gewinn abwerfenden Teil Schottlands etwas so Begehrenswertes erlangen soll?“

      „Sie drücken sich ja ungeheuer gewählt aus“, bemerkte der Marquis lächelnd. „Ich stimme Ihnen zu, daß es keine schönere Gegend als Strathclyde gibt, wo die McCarons seit Jahrhunderten ansässig sind. Aber nur ein Wunder könnte bewirken, daß dort Profit zu erzielen wäre.“

      „Darüber dachte ich schon während der ganzen Schiffsreise nach“, sagte der Herzog. „Offen gestanden überlege ich, ob ich das Schloß zusperren, so sparsam wie möglich leben und versuchen soll, so etwas wie eine kleine Industrie aufzubauen, die wenigstens einigen der jüngeren Männer meines Clans den Lebensunterhalt garantiert.“

      Der Marquis blickte ihn bestürzt an.

      „Sie wollen das Schloß zusperren?“ rief er. „Einen derartigen Vorschlag hätte ich aus dem Munde eines McCaron niemals erwartet.“

      „Er wäre zumindest vernünftig“, verteidigte sich der Herzog.

      Der Marquis lehnte sich in seinem Sessel zurück und betrachtete sein Gegenüber wie ein Wesen aus einer anderen Welt.

      Dann sagte er ärgerlich: „Ich finde es ganz und gar unmöglich, daß Sie einen solchen Schritt auch nur in Erwägung ziehen. Ihr Schloß ist seit Jahrhunderten der Mittelpunkt, um den sich das Leben des McCaron-Clans dreht. Alle Mitglieder, ob sie sich nun auf Reisen befinden oder wie im Exil in anderen Ländern der Welt leben, würden das Gefühl haben, daß ihnen etwas Kostbares geraubt wurde, wenn es das Schloß nicht mehr gibt.“

      „Dessen bin ich mir sehr wohl bewußt“, sagte der Herzog. „Selbst als drei Menschen zwischen mir und dem Titel standen und ich mir nicht vorstellen konnte, jemals Chieftain zu werden, dachte ich bereits über dieses Problem nach. Ich sprach auch häufig mit meinem Vater darüber, als er noch lebte.“

      Ein minutenlanges Schweigen herrschte. Der Staatssekretär

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