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Читать онлайн.Wer eine reizbare Seele hat, bei dem weckt ganz natürlich die Gegenwart Eines Unglücks die ganze Schar des andern Unglücks auf, und nun gehts im Sturm und Zittern alles bunt durcheinander, ohne Verstand und Überlegung
Den 1sten September.
Heute hatte ich einen äußerst gesegneten Tag. Nur früh einige leise Anwandlungen von Ängstlichkeit. Nachher den ganzen Tag unaussprechlich ruhig, stark, mutig, frei und gelassen. Ich habe Gott recht herzlich gedankt. Ach! um meiner guten Julie willen; auch wegen meiner andern Lieben. Ich sehe schon tausend Früchte dieser trüben Stunden. Die Liebe der Meinigen und andrer guter Menschen, die Pflichten gegen Kranke und Notleidende, das hohe Glück der innern Gesundheit und Ruhe, die innigere Anhänglichkeit an Gott und Jesus, der Trost eines unbescholtenen Lebenswandels und eines sanften, gutmütigen Bezeugens gegen andere Menschen – alles ist mir klarer, deutlicher und kräftiger geworden. Auch über die Natur der Angst und die Mittel, sie wenigstens zu mäßigen, habe ich einige wohltätige Erfahrungen gemacht. Sobald eine bestimmte Empfindung kommt, ist die Angst weg. Die Angst ist ein Schwanken, eine Ungewißheit, meist körperlich. Der Gesunde ist immer ruhig, selbst unter den schlimmsten Umständen.
Am 6sten September.
Wenn man sich nur immer recht lebhaft sagen könnte, daß die Angst meist körperlich ist. Mein Magen hat mir lediglich vorgestern und gestern die trüben und unruhigen Stunden verursacht. Heute früh währte es nur eine Weile. Sobald ich den Magen gestärkt, ward ich unbeschreiblich ruhig und heiter, und habe so bis jetzt zugebracht. Die Welt wird dann in einem Augenblick anders. Selbst das Traurigste erscheint mild, und man findet wieder an allem Behagen – an Arbeiten, Gehn, Sitzen, Gesellschaft etc. Alle Hoffnungen erwachen; der Nebel verschwindet, und der innigste Dank gegen Gott erfüllt uns auf das Wohltätigste. Ruhe ist der wahre Zustand des Menschen. Für den Ruhigen ist jede äußre Lage erträglich, und selbst angenehm. Es ist nicht das fatale Treiben zu spüren, und selbst Langeweile erträgt sich leicht. Dem Ruhigen ist alles leicht und bequem. Alle Vorstellungen, alle Gedanken an Religion werden kräftig und erfreulich, und die wahrhaft himmlische Lust der Tätigkeit erwacht mit Kraft.
Ich kann noch lange Blut auswerfen – aber wird das helfen, daß ich mich jedesmal von neuem ängstige? Angst schadet – Mut stärkt. So ein Zufall verliert sich nicht gleich. Des Herrn Wille geschehe – nicht der Meinige. Ich muß darauf gefaßt sein und denken, es wird sich schon nach gerade verlieren. Hat es der Doktor doch zwei Jahre gehabt. Geduld und Ergebung in den Willen Gottes sind die besten Hilfsmittel. Auch diese Läuterung soll ich empfahen. Gott weiß die Zeit der Krankheit, denn jegliche Krankheit hat ihre Zeit. Fein kindlich, das ist das Beste. Es ist nichts schwerer, als mit sich selbst Geduld haben – seine eigne Schwachheit zu tragen. Gott hilft zu allem.
Die Lehrlinge zu Sais
1798-1799
Inhalt
1. Der Lehrling
Mannigfache Wege gehen die Menschen. Wer sie verfolgt und vergleicht, wird wunderliche Figuren entstehen sehn; Figuren, die zu jener großen Chiffernschrift zu gehören scheinen, die man überall, auf Flügeln, Eierschalen, in Wolken, im Schnee, in Kristallen und in Steinbildungen, auf gefrierenden Wassern, im Innern und Äußern der Gebirge, der Pflanzen, der Tiere, der Menschen, in den Lichtern des Himmels, auf berührten und gestrichenen Scheiben von Pech und Glas, in den Feilspänen um den Magnet her, und sonderbaren Konjunkturen des Zufalls, erblickt. In ihnen ahndet man den Schlüssel dieser Wunderschrift, die Sprachlehre derselben, allein die Ahndung will sich selbst in keine feste Formen fügen, und scheint kein höherer Schlüssel werden zu wollen. Ein Alkahest scheint über die Sinne der Menschen ausgegossen zu sein. Nur augenblicklich scheinen ihre Wünsche, ihre Gedanken sich zu verdichten. So entstehen ihre Ahndungen, aber nach kurzen Zeiten schwimmt alles wieder, wie vorher, vor ihren Blicken.
Von weitem hört ich sagen: die Unverständlichkeit sei Folge nur des Unverstandes; dieser suche, was er habe, und also niemals weiter finden könne. Man verstehe die Sprache nicht, weil sich die Sprache selber nicht verstehe, nicht verstehen wolle; die echte Sanskrit spräche, um zu sprechen, weil Sprechen ihre Lust und ihr Wesen sei.
Nicht lange darauf sprach einer: »Keiner Erklärung bedarf die heilige Schrift. Wer wahrhaft spricht, ist des ewigen Lebens voll, und wunderbar verwandt mit echten Geheimnissen dünkt uns seine Schrift, denn sie ist ein Akkord aus des Weltalls Symphonie.«
Von unserm Lehrer sprach gewiß die Stimme, denn er versteht die Züge zu versammeln, die überall zerstreut sind. Ein eignes Licht entzündet sich in seinen Blicken, wenn vor uns nun die hohe Rune liegt, und er in unsern Augen späht, ob auch in uns aufgegangen ist das Gestirn, das die Figur sichtbar und verständlich macht. Sieht er uns traurig, daß die Nacht nicht weicht, so tröstet er uns, und verheißt dem emsigen, treuen Seher künftiges Glück. Oft hat er uns erzählt, wie ihm als Kind der Trieb die Sinne zu üben, zu beschäftigen und zu erfüllen, keine Ruhe ließ. Den Sternen sah er zu und ahmte ihre Züge, ihre Stellungen im Sande nach. Ins Luftmeer sah er ohne Rast, und ward nicht müde seine Klarheit, seine Bewegungen, seine Wolken, seine Lichter zu betrachten. Er sammelte sich Steine, Blumen, Käfer aller Art, und legte sie auf mannigfache Weise sich in Reihen. Auf Menschen und auf Tiere gab er acht, am Strand des Meeres saß er, suchte Muscheln. Auf sein Gemüt und seine Gedanken lauschte er sorgsam. Er wußte nicht, wohin ihn seine Sehnsucht trieb. Wie er größer ward, strich er umher, besah sich andre Länder, andre Meere, neue Lüfte, fremde Sterne, unbekannte Pflanzen, Tiere, Menschen, stieg in Höhlen, sah wie in Bänken und in bunten Schichten der Erde Bau vollführt war, und drückte Ton in sonderbare Felsenbilder. Nun fand er überall Bekanntes wieder, nur wunderlich gemischt, gepaart, und also ordneten sich selbst in ihm oft seltsame Dinge. Er merkte bald auf die Verbindungen in allem, auf Begegnungen, Zusammentreffungen. Nun sah er bald nichts mehr allein. – In große bunte Bilder drängten sich die Wahrnehmungen seiner Sinne: er hörte, sah, tastete und dachte zugleich. Er freute sich, Fremdlinge zusammenzubringen. Bald waren ihm die Sterne Menschen, bald die Menschen Sterne, die Steine Tiere, die Wolken Pflanzen, er spielte mit den Kräften und Erscheinungen, er wußte wo und wie er dies und jenes finden, und erscheinen lassen konnte, und griff so selbst in den Saiten nach Tönen und Gängen umher.
Was nun seitdem aus ihm geworden ist, tut er nicht kund. Er sagt uns, daß wir selbst, von ihm und eigner Lust geführt, entdecken würden, was mit ihm vorgegangen sei. Mehrere von uns sind von ihm gewichen. Sie kehrten zu ihren Eltern zurück und lernten ein Gewerbe treiben. Einige sind von ihm ausgesendet worden, wir wissen nicht wohin; er suchte sie aus. Von ihnen waren einige nur kurze Zeit erst da, die andern länger. Eins war ein Kind noch, es war kaum da, so wollte er ihm den Unterricht übergeben. Es hatte große dunkle Augen mit himmelblauem Grunde, wie Lilien glänzte seine Haut, und seine Locken wie lichte Wölkchen, wenn der Abend kommt. Die Stimme drang uns allen durch das Herz, wir hätten gern ihm unsere Blumen, Steine, Federn alles gern geschenkt. Es lächelte unendlich ernst, und uns ward seltsam wohl mit ihm zumute. »Einst wird es wiederkommen«, sagte der Lehrer, »und unter uns wohnen, dann hören die Lehrstunden auf.« – Einen schickte er mit ihm fort, der hat uns oft gedauert. Immer traurig sah er aus, lange Jahre war er hier, ihm glückte nichts, er fand nicht leicht, wenn wir Kristalle suchten oder Blumen. In die Ferne sah er schlecht, bunte Reihen gut zu legen wußte er