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Die Frau in Weiss. Уилки Коллинз
Читать онлайн.Название Die Frau in Weiss
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Уилки Коллинз
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Am folgenden Morgen, sobald das Frühstück vorbei war, ging ich zu Miß Fairlie’s Wohnstube hinauf. Das arme Mädchen sah so blaß und traurig aus und kam mir so bereitwillig und hübsch entgegen, daß mein Entschluß, sie über ihre Laune und Unentschlossenheit auszuzanken, sofort wankte. Ich führte sie zu dem Sitze zurück, den sie verlassen, und setzte mich dann ihr gegenüber. Ihr mürrisches kleines Windspiel war in der Stube und ich war vollkommen auf einen knurrenden, bellenden Empfang von ihm vorbereitet. Seltsamerweise aber täuschte das wunderliche kleine Thier meine Erwartungen, indem es mir auf den Schooß sprang und seine spitze kleine Schnauze vertraulich in meine Hand steckte.
»Sie haben früher oft auf meinem Schooße gesessen, mein liebes Kind,« sagte ich, »und jetzt scheint Ihr kleiner Hund entschlossen, den von Ihnen verlassenen Thron einzunehmen. Ist diese hübsche Zeichnung von Ihnen?«
Ich deutete auf ein kleines Album, das neben ihr auf dem Tische lag, und in dem sie offenbar geblättert, als ich herein kam. Die Seite, an der es offen lag, zeigte eine sehr hübsch vollendete kleine Landschaft in Wasserfarbe. Dies war die Zeichnung, welche meine Frage dictirt hatte: eine allerdings sehr müßige Frage, aber wie hätte ich wohl, sowie ich meine Lippen öffnete, von Geschäften anfangen können?
»Nein,« sagte sie etwas verlegen von der Zeichnung hinwegblickend, »sie ist nicht von mir.«
Sie hatte eine unruhige Gewohnheit der Finger, deren ich mich aus ihrer Kindheit erinnerte, immer mit dem ersten Gegenstande, der ihr zur Hand kam zu spielen, wenn Jemand mit ihr sprach. Bei dieser Gelegenheit wanderten sie nach dem Album, und spielten zerstreut mit dem Rande der kleinen Wasserfarbenskizze. Der Ausdruck der Trauer auf ihrem Gesichte wurde tiefer. Sie sah weder mich noch die Zeichnung an. Ihre Augen bewegten sich unruhig von einem Gegenstande zum andern im Zimmer und verriethen deutlich, daß sie errathe, weshalb ich gekommen sei mit ihr zu sprechen. Da ich dies sah, hielt ich es für das Beste, mit möglichst geringem Zeitverluste zur Sache zu kommen.
»Einer der Zwecke, die mich zu Ihnen führen, mein liebes Kind,« begann ich, »ist, mich von Ihnen zu verabschieden. Ich muß heute nach London zurückkehren und ehe ich abreise, muß ich ein paar Worte über Ihre Angelegenheiten mit Ihnen sprechen.«
»Es thut mir sehr leid, daß Sie schon abreisen müssen, Mr. Gilmore,« sagte sie, mich liebevoll anblickend, »es erinnert mich an die alten, glücklichen Zeiten, Sie hier zu sehen.«
»Ich hoffe im Stande zu sein, wiederzukommen und jene glücklichen Erinnerungen noch einmal wieder zu erwecken,« fuhr ich fort; »da jedoch über die Zukunft immer eine Ungewißheit herrscht, so muß ich meine Gelegenheit benützen und jetzt gleich mit Ihnen reden. Ich bin Ihr alter Advocat und Freund und darf Sie wohl, ohne Sie zu verletzen, an die Möglichkeit Ihrer Vermählung mit Sir Percival Glyde erinnern.«
Sie nahm ihre Hand so schnell von dem kleinen Album, als ob es plötzlich glühend heiß geworden und sie verbrannt hätte. Sie faltete ihre Finger heftig auf ihrem Schooße, und ihre Augen senkten sich zu Boden; ein Ausdruck von Zwang ruhte auf ihrem Gesichte, der beinahe ein Ausdruck von Schmerz schien.
»Ist es durchaus nothwendig darüber zu sprechen?« fragte sie mit leiser Stimme.
»Es ist nothwendig,« entgegnete ich. »Lassen Sie uns einfach annehmen, daß Sie entweder heiraten oder nicht heiraten werden. In ersterem Falle muß ich vorbereitet sein, Ihren Contract abzufassen; und dies darf ich nicht thun, ehe ich als Sache der Höflichkeit Sie zu Rathe ziehe. Dies mag vielleicht meine einzige Gelegenheit sein, Ihre Wünsche über den Gegenstand zu vernehmen. Lassen Sie uns daher den Fall Ihrer Vermählung annehmen und erlauben Sie mir, Sie in möglichst wenigen Worten zu unterrichten, was Ihre Lage augenblicklich ist und was Sie in Zukunft aus derselben machen können, wenn es Ihnen gefällt.«
Ich erklärte ihr den Zweck eines Heiratscontractes und was ihre Aussichten seien – erstens, sobald sie mündig sein werde, und zweitens beim Ableben ihres Onkels – indem ich sie auf den Unterschied aufmerksam machte zwischen demjenigen Eigenthum, von dem sie nur den Nießbrauch haben und dem, welches ganz ihrer eigenen Willkür überlassen sein werde. Sie hörte mich aufmerksam, doch mit dem gezwungenen Ausdrucke im Gesichte an, während ihre Hände noch immer nervös gefaltet in ihrem Schooße lagen.
»Und jetzt,« sagte ich, indem ich schloß, »sagen Sie mir, ob – in dem soeben angenommenen Falle – Sie wünschen, daß ich irgend eine Bedingung für Sie mache, nachdem dieselbe natürlich Ihrem Vormunde zur Genehmigung vorgelegt worden, da Sie noch nicht mündig sind.«
Sie bewegte sich unruhig auf ihrem Stuhle, dann sah sie mir plötzlich sehr ernst in’s Gesicht.
»Wenn es geschieht,« begann sie leise; »wenn ich –«
»Wenn Sie sich verheiraten,« fügte ich ihr aushelfend hinzu.
»Geben Sie es nicht zu, daß er mich von Marianne trennt,« rief sie mit einem plötzlichen Ausbruche von Energie. »O, Mr. Gilmore, bitte, machen Sie es zum Gesetz, daß Marianne bei mir bleibt!«
Unter anderen Verhältnissen hätte mich diese so vollkommen weibliche Erklärung wahrscheinlich amüsirt. Aber ihre Blicke und der Ton, mit dem sie sprach, waren derart, daß sie mich mehr als ernst machten, mich betrübten. Ihre Worte, so wenige ihrer waren, verriethen ein verzweifeltes Festhalten an der Vergangenheit, das für die Zukunft Nichts Gutes prophezeite.
»Daß Marianne Halcombe bei Ihnen bleibt, kann leicht durch Privatübereinkunft bestimmt werden,« sagte ich. »Sie haben meine Frage kaum verstanden, glaube ich. Sie betraf Ihr Eigenthum, die Verfügung über Ihr Geld. Gesetzt, Sie machten ein Testament, sobald Sie mündig würden, wem möchten Sie Ihr Vermögen hinterlassen?«
»Marianne ist mir sowohl Mutter als Schwester gewesen,« sagte das liebe, zärtliche Mädchen, indem ihre schönen blauen Augen glänzten. »Darf ich es nur Mariannen hinterlassen, Mr. Gilmore.«
»Gewiß, liebes Kind,« entgegnete ich; »doch bedenken Sie, welch eine große Summe es ist. Möchten Sie Miß Halcombe das Ganze vermachen?«
Sie zögerte; die Farbe wechselte schnell auf ihren Wangen, und ihre Hand stahl sich nach dem kleinen Album zurück.
»Nicht das Ganze,« sagte sie, »es ist noch außer Mariannen Jemand –«
Sie schwieg und erröthete tiefer; und die Finger der Hand, die auf dem Album ruhten, schlugen leise auf den Rand der Zeichnung, als ob ihre Gedanken sie mechanisch nach der Erinnerung einer geliebten Melodie bewegten.
»Sie meinen außer Miß Halcombe noch ein anderes Mitglied der Familie?« sagte ich, da ich sah, daß sie verlegen darüber war, wie sie fortfahren sollte.
Tiefe Röthe verbreitete sich über Stirn und Nacken, und die nervösen Finger faßten plötzlich den Rand des Buches.
»Es ist noch Jemand da,« sagte sie, meine letzten Worte unberücksichtigt lassend, obwohl sie dieselben offenbar gehört hatte; »– es ist noch Jemand da – der vielleicht gern ein kleines Andenken hätte, wenn – wenn ich es vermachen dürfte. Es würde kein Unrecht