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der erste Zank. Lucilla wurde geboren; der ältere Bruder des Ehrwürdigen Finch, der mit keinem anderen Mitgliede der Familie sprach, trat mit dem christlichen Vorschläge hervor, sich über der Wiege des neugebornen Kindes die Hände zu reichen. Der Vorschlag wurde von den großherzigen Batchfords angenommen. Erste Versöhnung. Die Zeit verging; der Ehrwürdige Finch, der damals ein kärglich besoldeter Pfarrgehilfe an einer Kirche in der Nähe einer großen Fabrikstadt war, fühlte einen Mangel, nämlich den Mangel an Geld, und nahm sich eine Freiheit, nämlich die Freiheit, von seinem Schwager Geld zu borgen. Herr Batchford, der ein reicher Mann war, betrachtete diese Eröffnung, wie wohl kaum bemerkt zu werden braucht, in dem Lichte einer Insulte. Fräulein Batchford trat auf die Seite ihres Bruders. Das war der zweite Zank. Wieder verging die Zeit. Die erste Frau Finch starb. Der ältere Bruder des ehrwürdigen Finch, der noch immer mit den übrigen Mitgliedern der Familie auf dem schlechtesten Fuße stand, machte einen zweiten christlichen Vorschlag, nämlich sich über dem Grabe der verstorbenen Frau die Hände zu reichen. Auch dieser Vorschlag wurde von den trauernden Bartchfords angenommen. Und eine zweite Versöhnung erfolgte. Wieder verging die Zeit. Der Ehrwürdige Finch, der nun Wittwer war und eine Tochter hatte, machte die Bekanntschaft eines Bewohners der großen Stadt, in deren Nähe er als Pfarrgehilfe fungirte, welcher gleichfalls Wittwer war und eine Tochter hatte. Dieser Wittwer war seinem social-politisch-religiösen Stande nach ein radicaler baptistischer Schuster. Der Ehrwürdige Finch, der noch immer an Geldmangel litt, setzte sich über das Alles weg und heirathete die Tochter mit einer Mitgift von dreitausend Pfund. Dieses Verfahren entfremdete ihm für immer nicht nur die Batchfords, sondern auch den friedenstiftenden älteren Bruder. Dieser vortreffliche Christ stand von nun an mit seinem Bruder wie mit der übrigen Familie auf gespanntem Fuße. Die Folge davon war die vollständige Isolirung des Ehrwürdigen Finch. Die zweite Frau Finch gab regelmäßig jedes Jahr Gelegenheit sich die Hände zu reichen, nicht nur über einer Wiege, sondern bisweilen über zwei Wiegen. Aber diese so verdienstliche Fruchtbarkeit blieb doch fruchtlos! Dieselbe führte zu nichts als einer Art von Compromiß; Lucilla, aus welche bei der raschen Zunahme der zweiten Familie des Rectors wenig mehr geachtet wurde, erhielt Erlaubniß, ihre mütterliche Tante und ihren mütterlichen Onkel jedes Jahr zu bestimmten Zeiten zu besuchen. Das arme Kind, welches allem Anscheine nach bei seiner Geburt im vollen Besitze seiner Sehkraft gewesen, war noch vor vollendetem ersten Lebensjahre unheilbar erblindet. In allen an deren Beziehungen war sie ihrer Mutter auffallend ähnlich. Der ledige Onkel Batchford und seine alte ledige Schwester faßten beide die zärtlichste Zuneigung zu dem Kinde. »Unsere Nichte Lucilla,« sagten sie, »hat unsere innigsten Hoffnungen erfüllt, sie ist eine Batchford, keine Finch!« Lucilla’s Vater aber, der um diese Zeit zum Pfarrer von Dimchurch befördert war, sagte nur: »Laßt sie nur reden. Wartet nur ein wenig und die Sache wird uns Geld bringen.« Und Geld brauchte er allerdings sehr; bei der Fruchtbarkeit von Frau Finch, welche Jahr für Jahr die Zahl ihrer Wiegen um eine vermehrte, bis der im Jahrgehalt stehende Hausarzt selbst der Sache überdrüssig wurde und eines Tages äußerte: »Es ist nicht wahr, daß Alles ein Ende hat; die Vervielfältigungsfähigkeit von Frau Finch hat kein Ende.«

      Lucilla wuchs heran und hatte das zwanzigste Jahr erreicht, bevor sich die Hoffnungen ihres Vaters verwirklichten und Geld zum Vorschein kam. Onkel Batchford starb unverheirathet und hinterließ sein Vermögen seiner ledigen Schwester und seiner Nichte zu gleichen Theilen. Die Zinsen, deren Lucilla nach Eintritt ihrer Volljährigkeit sich zu erfreuen haben sollte, betrugen jährlich fünfzehnhundert Pfund. Diese Erbschaft war jedoch an zwei in dem Testament sehr ausführlich entwickelte Bedingungen geknüpft. Diese Bedingungen liefen darauf hinaus: Erstens es dem ehrwürdigen Finch vollkommen unmöglich zu machen, unter irgend welchen Umständen einen Heller des Lucilla hinterlassenen Vermögens von ihr zu erben und zweitens, Lucilla, so lange sie unverheirathet bleibe, während eines Zeitraums von drei Monaten in jedem Jahr aus dem Hause ihres Vaters zu entfernen und unter die Obhut ihrer ledigen Tante zu stellen.

      Das Testament sprach sich über den Zweck dieser letzten Bedingung in der unumwundensten Weise aus: »Ich sterbe wie ich gelebt habe,« hieß es in dieser letztwilligen Verfügung Onkel Batchford’s, »als ein Anhänger der Hochkirche und ein Tory. Mein Vermächtniß an meine Nichte soll nur unter folgenden Bedingungen gültig sein, nämlich: daß sie während eines bestimmten, periodisch wiederkehrenden Zeitraums den religiös dissentirenden und politisch radicalen Einflüssen im Hause ihres Vaters entzogen und unter die Obhut einer englischen Dame gestellt werde, welche mit den Vortheilen der Geburt und Erziehung den Besitz reiner und ehrenwerther Principien verbindet « u.s.w. u.s.w.

      Man kann sich vorstellen, was der Ehrwürdige Finch empfand, als er an der Seite seiner Tochter nebst den andern Leidtragenden der Verlesung des Testaments beiwohnte und dies mit anhören mußte. Er erhob sich als echter Engländer und hielt eine Anrede an die Versammlung. »Meine Damen und Herren,« sagte er, »ich gebe zu, daß ich in der Politik liberalen Grundsätzen huldige und daß die Familie meiner Frau zu den Dissenters gehört. Als ein Beispiel für die in Folge dieser Richtungen in meinem Hause herrschenden Grundsätze erlaube ich mir Ihnen zu erklären, daß meine Tochter dieses Vermächtniß mit meiner vollen Genehmigung acceptirt, und daß ich Herrn Batchford vergebe.« Mit diesen Worten gab er seiner Tochter den Arm und verließ mit ihr das Zimmer. Er hatte, wohlgemerkt, genug gehört, um gewiß zu sein, daß Lucilla, solange sie unverheirathet sei, mit ihrem Einkommen thun könne, was sie wolle. Noch bevor sie nach Dimchurch zurückgekehrt waren, hatten der Ehrwürdige Finch mit seiner Tochter ein Arrangement dahin getroffen, daß sie eine voll kommen unabhängige Stellung in dem Pfarrhause erhalten, dagegen ihrem Vater jährlich die Summe von 500 Pfund als ihren Beitrag zur Wirthschaft tragen solle. Bei dieser Mittheilung empfand ich das tiefste Bedauern darüber, daß Finch mit seinen liberalen Principien nicht den Dritten im Bunde mit meinem armen Pratolungo und mir in Central-Amerika gebildet habe. Wenn wir uns seines Raths hätten erfreuen können, würden wir die heilige Sache der Freiheit gerettet haben, ohne einen Heller dafür aus zugeben.

      Der bis dahin unbewohnte alte Theil des Pfarrhauses wurde, natürlich auf Lucilla’s Kosten, in Ordnung gebracht und möblirt. An ihrem einundzwanzigsten Geburtstage waren die Reparaturen vollendet und wurde die erste Rate des mit Lucilla ausbedungenen Hausstandsgeldes bezahlt und die Tochter als eine unabhängige Einwohnerin in dem Hause ihres Vaters installirt. Um den Leser in den Stand zu setzen, die Schlauheit des von Finch getroffenen Arrangements ganz würdigen zu können, sei hier noch bemerkt, daß Lucilla, als sie heranwuchs, ein: steigende Abneigung gegen den Aufenthalt im väterlichen Hause gezeigt hatte. In ihrer Blindheit war ihr das ewige lärmende Getümmel der Kinder lästig; zwischen ihr und ihrer Stiefmutter bestand nicht die geringste Sympathie und mit ihrem Verhältniß zu ihrem Vater stand es nicht viel anders. Sie empfand Mitleid mit seiner Armuth und behandelte ihn mit der Nachsicht und der Achtung, auf die er als ihr Vater Anspruch hatte. Was aber wahre Liebe und Verehrung betrifft – nun darüber will ich lieber schweigen. Ihre glücklichsten Tage waren die mit ihrem Onkel und ihre Tante verlebten; ihre Besuche bei den Batchfords hatten sich mit jedem Jahre weiter ausgedehnt. Wenn ihr Vater es nicht bei seinem Appell an die Sympathien der Tochter geschickt so einzurichten verstanden hätte, ihr das fernere Verbleiben im väterlichen Hause unter völliger Wahrung ihrer Unabhängigkeit als möglich vorzustellen, würde sie nach erreichter Volljährigkeit entweder ganz zu ihrer Tante gezogen sein oder sich selbständig etablirt haben. So aber hatte sich der Pfarrer unter für beide Theile acceptablen Bedingungen seine 500 Pfund jährlich gesichert und, was noch mehr war, er hatte seine Tochter beständig unter Augen; denn, wohlgemerkt, es gab eine schreckliche, ihm in der Zukunft drohende Möglichkeit, die nämlich, einer Verheirathung Lucilla’s.

      Das war zu der Zeit, wo ich im Pfarrhause eintraf, die eigenthümliche Stellung Lucilla’s. Man wird es daher jetzt begreiflich finden, wie völlig rathlos ich war, als ich mir am Abende des Tages meiner Ankunft das Vorgefallene durch den Kopf gehen ließ und mich fragte, was mir in der Angelegenheit des geheimnißvollen Fremden demnächst zu thun obliege. Ich hatte Lucilla alleinstehend gefunden, in ihrer Blindheit hilflos, abhängig von Andern und in dieser traurigen Lage ohne eine Mutter oder eine Schwester oder selbst eine Freundin, an deren Busen sie vertrauensvoll ruhen, auf deren Rath und Beistand sie sich hätte verlassen können. Der erste Eindruck, den ich auf sie gemacht hatte, war ein günstiger gewesen, ich hatte sofort ihre Zuneigung gewonnen, wie sie die meinige. Ich hatte sie, ohne zu ahnen was in ihr vorging, auf einem Abendspaziergange begleitet. Ich hatte

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