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bekommen.«

      Am nächsten Tag ereignete sich nichts. Am zweiten Tag aber stellte ein zweiter Brief eine kühne Anforderung an den nicht sehr geduldigen Sir Giles Mountjoy.

      Schon das Couvert war ein Rätsel in diesem Fall; das Postzeichen war »Ardoon«. Mit anderen Worten, der Schreiber hatte den Postmann als Boten benützt; während er oder sein Helfershelfer wirklich in der Stadt sich aufhielt, hatte er doch den Brief auf der Post aufgegeben, die nur ein paar Schritte von dem Bankhause entfernt lag. Der Inhalt bot ein undurchdringliches Rätsel; die Schrift machte den Eindruck, als ob sie von einem Verrückten herrührte; die Sätze befanden sich in einem unglaublichen Zustand der Verwirrung, und die Worte waren so verstümmelt, daß man sie gar nicht verstehen konnte. Diesmal lagen die Verhältnisse so, daß Sir Giles nicht anders konnte, als seinen ersten Commis in das Geheimnis einzuweihen.

      »Wir wollen mit dem Anfang beginnen,« sagte er. »Hier ist der Brief, den Sie auf meinem Bette liegen sahen, als ich Sie das erste mal holen ließ. Ich fand ihn auf meinem Tisch, als ich an jenem Morgen erwachte. Wie er dorthin gekommen ist, das weiß ich nicht. Lesen Sie ihn.«

      Dennis las wie folgt:

      »Sir Giles Mountjoy! Ich habe Ihnen eine Eröffnung zu machen, welche ein Glied Ihrer Familie nahe berührt. Bevor ich wagen kann, mich zu erklären, muß ich versichert sein, daß ich Ihnen trauen darf, und als Beweis hiefür fordere ich von Ihnen, daß Sie die folgenden zwei Bedingungen erfüllen und zwar ohne den geringsten Zeitverlust. Ich darf Ihnen nicht meinen Namen und meine Adresse nennen. Die geringste Unvorsichtigkeit meinerseits könnte sehr verhängnisvoll werden für den wahren Freund, der diese Zeilen schreibt. Wenn Sie meine Warnung nicht beherzigen, werden Sie es bis an Ihr Lebensende bedauern.«

      Die beiden in dem Briefe genannten Bedingungen brauchen wir nicht noch einmal mitzuteilen. Von ihnen ist schon berichtet worden bei Gelegenheit der Funde, die hinter dem Meilenstein und zwischen den Seiten von Gibbons Geschichte gemacht wurden. Sir Giles war schon zu dem Schluß gekommen, daß ein Anschlag auf sein Leben und vielleicht auf Beraubung des Bankhauses im Entstehen begriffen sei. Der vernünftigere Dennis wies auf das durchlöcherte Papier und das unverständliche Schreiben hin, welches der Bankier heute morgen erhalten hatte, und sagte:

      »Wenn wir herausbekommen können, was dies bedeutet, dann werden Sie besser im stande sein, sich eine richtige Meinung zu bilden.«

      »Und wer wird das können?« fragte der Bankier.

      »Ich kann es nur versuchen, Sir,« lautete die bescheidene Entgegnung, »wenn Sie in einem Versuche meinerseits nicht etwa eine Anmaßung sehen.«

      Sir Giles gab seine Zustimmung zu dem vorgeschlagenen Versuche durch stummes und spöttisches Nicken mit dem Kopfe zu erkennen.

      Aber Dennis war ein vorsichtiger Mann und machte deshalb auch nicht gleich vollständigen Gebrauch von der ihm privatim gewordenen Belehrung: das hätte seinem Chef doch verdächtig vorkommen können. Er trug vielmehr Sorge, daß der erste Versuch ein erfolgloser war. Dann fragte er bescheiden, ob er noch einen zweiten Versuch machen dürfe, und diesen zweiten Versuch ließ er zu einem glücklichen Ende kommen. Er hob das durchlöcherte Papier in die Höhe und legte es sorgfältig auf den Brief, der das unverständliche Geschreibsel enthielt. Worte und Sätze erschienen jetzt durch die Löcher in der richtigen Anordnung und Folge. Der Inhalt war an Sir Giles gerichtet und lautete folgendermaßen:

      »Ich spreche Ihnen meinen Dank aus für die pünktliche Erfüllung der gestellten Bedingungen. Sie haben zu Ihrem eigenen Besten mich zufriedengestellt. Gleichwohl ist es leicht möglich, daß Sie noch Bedenken tragen, einem Menschen zu trauen, der noch nicht im stande ist, Sie mit seiner Person bekannt zu machen. Aber die gefährliche Lage, in der ich mich befinde, zwingt mich, Sie noch um zwei oder drei Tage Frist zu bitten, bevor ich ohne Gefahr für mich eine Begegnung mit Ihnen herbeiführen und mich so Ihnen zu erkennen geben kann. Fassen Sie sich daher, bitte, in Geduld und wenden Sie sich um keinen Preis um Rat oder Schutz an die Polizei.«

      »Diese letzten Worte,« erklärte Sir Giles, »sind entscheidend! Je eher ich unter dem Schutz des Gesetzes stehe, um so besser ist es für mich. Tragen Sie meine Karte auf das Polizeiamt.«

      »Darf ich mir erst ein paar Worte erlauben, Sir?«

      »Soll das heißen, daß Sie mit mir nicht übereinstimmen?«

      »Ja, Sir.«

      »Sie sind Ihr Lebtag eigensinnig gewesen, Dennis, und das nimmt zu, je älter Sie werden. Nun, das thut nichts: sprechen Sie sich nur deutlich aus. Wer ist denn nach Ihrer Ansicht die Person, auf welche es in diesen verwünschten Briefen abgesehen ist?«

      Dennis Howmore nahm den ersten der beiden Briefe in die Hand und zeigte auf die Anfangsworte: »Sir Giles Mountjoy, ich habe Ihnen eine Eröffnung zu machen, welche ein Glied Ihrer Familie nahe berührt.« Dennis wiederholte noch einmal nachdrücklich die Worte: »ein Glied Ihrer Familie.«

      Sein Chef sah ihn erstaunt und fragend an.

      »Ein Glied meiner Familie?« wiederholte nun Sir Giles seinerseits. »Nun, mein Freund, was denken Sie darüber? Ich bin ein alter Junggeselle und habe keine Familie.«

      »Ihr Bruder ist auch noch da, Sir.«

      »Mein Bruder lebt in Frankreich – ganz außer dem Bereiche jener Schurken, die mich bedrohen. Ich wollte, ich wäre bei ihm.«

      »Ihr Bruder hat auch zwei Söhne, Sir Giles.«

      »Gewiß; was ist da aber zu befürchten? Mein Neffe Hugh ist in London und hält sich von allen politischen Dingen fern. Ich hoffe über kurz oder lang von ihm zu hören, daß er sich verheiraten wird, wenn das beste und niedlichste Mädchen in England ihn haben will. Was ist jetzt dabei Schlimmes?«

      Dennis erklärte:

      »Ich will nur sagen, Sir, daß ich bei meinen Worten an Ihren andern Neffen gedacht habe.«

      Sir Giles lachte.

      »Arthur in Gefahr?« rief er aus. »Der harmloseste junge Mann, der jemals gelebt hat? Das Schlimmste, was man von ihm sagen kann, ist, daß er sein Geld zum Fenster hinauswirft infolge seiner verrückten Idee, in Kerry ein Gut zu pachten.«

      »Entschuldigen Sie, Sir Giles, dort, wo er sich jetzt befindet, ist aber nicht viel Gelegenheit, sein Geld wegzuwerfen. Niemand wird wagen, sein Geld zu nehmen. Ich traf gestern auf dem Markt einen von Herrn Arthurs Nachbarn. Ihr Neffe ist boykottirt.«

      »Um so besser!« erklärte der hartnäckige Bankier. »Dann wird er wenigstens bald von der Verrücktheit, den Pächter zu spielen, geheilt werden und an den Platz zurückkehren, den ich für ihn in meinem Geschäft offen halte.«

      »Gott gebe es!« sagte Dennis ernst und bewegt.

      Einen Augenblick schwieg Sir Giles betroffen still. Dann fragte er:

      »Haben Sie irgend etwas gehört, was Sie mir bis jetzt noch nicht gesagt haben?«

      »Nein, Sir. Ich habe nur an etwas gedacht, was Sie – verzeihen Sie den Ausdruck – vergessen zu haben scheinen. Der letzte Pächter dieses Gutes in Kerry weigerte sich, den Pachtzins zu entrichten. Herr Arthur hat also ein Gut gepachtet, das man ein weggenommenes Gut nennt. Es ist meine feste Ueberzeugung,« sagte der Buchhalter, indem er sich erhob und mit ernster Stimme sprach, »daß die Person, welche jene Briefe an Sie gerichtet hat, Herrn Arthur kennt und weiß, daß er sich in Gefahr befindet; sie versucht, durch Sie Ihren Neffen zu retten, und setzt dabei ihr eigenes Leben aufs Spiel.«

      Sir Giles schüttelte den Kopf.

      »Das nenne ich aber eine weit hergeholte Erklärung, Dennis. Wenn das, was Sie sagen, wahr ist, warum wandte sich denn der Schreiber dieser anonymen Briefe nicht geradenwegs an Arthur, anstatt an mich?«

      »Ich habe soeben meine Ansicht darüber geäußert, Sir, daß nämlich der Schreiber des Briefes Herrn Arthur kennt.«

      »Ja, das haben Sie. Aber was besagt das?«

      Dennis erklärte seine Worte.

      »Jeder, der mit Herrn Arthur bekannt ist, weiß, daß der junge Mann neben allen möglichen guten Eigenschaften starrköpfig und tollkühn ist. Wenn ein Freund ihm sagen würde,

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