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die Mitschuldige der Deportierten gewartet, war gekommen. Sie hing sich mit aller acht an ihn. Ihr langes Haar berührte sein Gesicht, ihr warmer Atem strich über seine Wange, ihr herabgerissenes Kleid ließ die bebende Schulter sehen. Er wandte sich zurück, halb besiegt, halb trunken von Leidenschaft, als plötzlich die reiche Gluth ihres Antlitzes erbleichte; die Lippen wurden weiß und eine aschgraue Farbe überzog ihr Gesicht. Ihre Augen schlossen sich in Todesangst und ihn loslassend, schwankte sie auf ihren Füßen und ihre Hände ; aus die Brust drückend, stieß sie einen scharfen Angstschrei aus. Das Fieber, das sie seit zwei Tagen gepackt hatte, und das sie mit ihrem starken Willen und durch die große Aufregung in der sie sich befand, bisher niedergehalten hatte, brach in diesem wichtigen Augenblick plötzlich mit neuer Gewalt aus. Todtenbleich und krank taumelte sie an die Seite.

      Ein zweiter Schuß fiel und ein heftiges Klirren von Waffen ließ sich hören. Frere überließ das unglückliche Weib , seinem Schicksal und sprang aus der Kajüte auf Deck.

       Zehntes Capitel.

      Das achte Glas

      Um sieben Uhr war eine ungewöhnliche Bewegung ich dem Gefängnis gewesen. Die Nachricht von dem Ausbruch des Fiebers hatte in den Deportierten die Liebe zur Freiheit die während der einförmigen, langen Reise etwas geschlummert hatte, von Neuem wieder geweckt. Jetzt, nun der Tod sie bedrohte, sehnten sie sich heftig nach dein Entkommen aus dieser Gefahr, wie es doch freien Leuten möglich war. »Wir wollen hinaus,« sagten sie unter einander, »wir müssen hier sterben wie Schafe.« Düstere Gesichter und verzweifelte Blicke begegneten jedem Auge und nur zuweilen schoß ein wildes Feuer hervor, das die Nacht ein wenig aufhellte, wie wenn ein Blitz durch eine dunkelblaue Gewitterwolke fährt. Nach und nach kam Jedem, der mit seinem Kameraden sprach, der Gedanke, daß etwas gethan werden könne. Es war eine Verschwörung im Werk. Auf eine unbegreifliche Weise war die Nachricht verbreitet, daß sie von ihren Banden befreit werden sollten und daß Einige unter ihnen ihre Freiheit gewinnen wollten. Das Zwischendeck war sehr schweigsam über diese Sachen, aber in Bewunderung und Sorge versunken. Der Einfluß dieser vorherrschenden Idee zeigte sich in einer merkwürdigen Wendung der Dinge. Die Masse, welche aus Schurkerei, Unwissenheit und vielleicht auch Unschuld zusammen gesetzt war, wurde jetzt durch eine fast gemeinsame Bewegung belebt. Wahlverwandtschaften zeigten sich und Gleiches gesellte sich zu gleichem wie die bunten Glasstücke und Perlen in einem Kaleidoskop stets beim Zusammenfallen eine mathematische Figur geben.

      Um sieben war das Gefängnis in drei Parteien getheilt: die Verzweifelten, die Furchtsamen und die Vorsichtigen. Diese drei Parteien hatten sich in natürlicher Folge entwickelt.

      Die Meuterer von Gabbett, Vetch und dem Schnüffler angeführt hielten sich nächst der Thür; die Furchtsamen, – Knaben – alte Männer, unschuldige, elende Menschen, die auf Verdacht hin verurtheilt waren oder Landleute, welche als Diebe galten, weil sie eine Rübe ausgezogen hatten, hielten sich am hinteren Ende, in großer Furcht dicht zusammen gedrängt.

      Die Vorsichtigen, das heißt, alle Uebrigen waren bereit , zu kämpfen oder zurückzuweichen, den Gefährten oder der Autorität beizustehen, je nachdem das Schicksal des Tages entscheiden würde. Sie nahmen die Mitte ein.

      Die Meuterer zählten etwa dreißig und von diesen wußten kaum die Hälfte was geschehen sollte.

      Die Schiffsglocke schlägt halb und als der Ruf der drei Schildwachen, die sich bis zum Quarterdeck hin anrufen, verhallt, stößt Gabbett, der mit seinem Rücken gegen die Thür lehnt, Jemmy Vetch an.

      »Nun, Jemmy,« flüstert er. »Sage es ihnen.«

      Das Flüstern, das die Nächststehenden gehört, verursachte tiefes Schweigen, welches sich immer weiter verbreitet, wie die gekräuselte Welle an dem See, so daß es selbst die letzten Kojen erreicht.

      »Meine Herren,« sagt Jemmy Vetch, ein wenig sarkastisch in seiner Galgenmarnier, »ich und meine Freunde wollen das Schiff für Euch nehmen. Diejenigen, welche sich uns anschließen wollen, müssen sich erklären, denn in einer halben Stunde ist keine Gelegenheit mehr dazu.«

      Er hält an und sieht mit einer so unverschämt sicheren Miene umher, daß Drei, welche noch schwankten aus der Mittel Partei zu ihm stoßen.

      »Ihr braucht Euch nicht zu fürchten,« fügt Vetch hinzu. »Wir haben es Alles für Euch zurecht gelegt. Freunde wachen draußen für uns und die Thür wird sogleich geöffnet werden.

      Alles, was wir brauchen, ist Ihre Stimme und Ihr Interesse meine Herren, – ich meine« —

      »Das verdammte Geschwätz,« unterbrach ihn der Riese ärgerlich. »Zur Sache, kannst Du nicht zur Sache kommen. Sage ihnen, daß, ob sie wollen oder nicht, wir wollen das Schiff haben und die nicht dabei sein wollen, werden über Bord spedirt. Das ist deutlich gesprochen.«

      Diese praktische Art, die Sache auseinander zu sehen, machte Aufsehen und die conservative Partei am andern Ende gerieth in große Unruhe. Ein wildes Murren läßt sich hören und Jemand in Gabbett’s Nähe lacht so wüst und gehässig, daß die Furchtsamen sich dadurch nicht beruhigt fühlen.

      »Was hat’s auf sich mit den Soldaten,« schreit der Schnüffler, als ob er eine plötzliche Inspiration hätte. »Sie können uns ja nur erschießen und das ist mindestens eben so gut als am Typhus sterben.«

      Jetzt war der richtige Ton angeschlagen und mit unterdrücktem Gelächter erkannte das Gefängnis die Wahrheit dieses Gedankens an. »Weiter, alter Herr,« ruft Jemmy Vetch dem Riesen zu und reibt sich die Hände in teuflischem Vergnügen. »Alles in Ordnung!« Sein feines Ohr hört fest das Klirren der Waffen und er fügt hinzu: »Jetzt fest an der Thür, – ein Sturm und es ist gethan!« Das achte Glas war abgelaufen und die Ablösung kam von dem Hinterdeck. Die Gefangenen, in der Nähe der Thür hielten fast ihren Athem an.

      »Es ist Alles abgemacht,« murmelte Gabbett. »Wenn die Thür aufgeht, stürzen wir Alle hinaus und sind mitten in der Wache, ehe sie sich besinnen können. Schleppt sie schnell in’s Gefängnis, plündert den Waffenständer und Alles ist fertig.«

      »Sie sind so sehr ruhig,« sagte die Krähe argwöhnisch. »Ich hoffe, Alles ist in Richtigkeit!«

      »Laß mich herein, Miles,« hörte man jetzt Pine’s Stimme draußen, in seiner gewöhnlichen, ruhigen Art.

      Die Krähe fühlte sich erleichtert. Der Ton war sein gewöhnlicher und Miles war der Soldat, welchen Sara bestochen hatte, daß er nicht schießen solle. Alles ging gut.

      Die Schlüssel wurden in’s Schloß gesteckt und umgedreht und der Tapferste von der Partei der Vorsichtigen, der den Gedanken verfolgt hatte, ob er sein Leben wagen solle und im rechten Augenblick vorspringen, um die Wache zu warnen, hielt den Aufschrei zurück, der schon auf seiner Zunge schwebte, als er sah, wie die Männer an der Thür ein wenig zurück traten, um bereit zu sein und als er einen Blick auf des Riesen sich sträubendes Haar und seine gefletschten Zähne warf.

      »Jetzt,« schrie Jemmy Vetch, als die eisenbeschlagene Eichenthür zurück schlug und mit dem tiefen Kehlton, den der wilde Eber ausstößt, sprang Gabbett aus dem Gefängnis hinaus.

      Das rothe Licht, das einen Augenblick durch die geöffnete Thür gefallen, wurde schnell durch die Leiber verfinstert, die sich hinaus drängten. Das ganze Gefängnis stürzte vor und ehe das Auge blicken konnte, waren fünf, zehn, ja zwanzig der Wüthendsten draußen.

      Es war, als ob die See, welche gegen einen Steinwall tobt, plötzlich eine Oeffnung gefunden durch welche das Wasser abfließt. Die Kampfeswuth steckte an. Die Vorsicht war vergessen und selbst die Letzten, als sie sahen, wie Jemmy Vetch auf dieser Welle von menschlichen Körpern, die so zu sagen, sich auf dem undeutlichen, fernliegenden Ufer brach, emporgehoben wurde, antworteten auf seinen Ermunterungsruf damit, daß sie wüthend vorwärts drängten. Plötzlich hätte man ein fürchterliches Gebrüll, wie das eines wilden Thieres, das gefangen ist. Der Strom stockte in der Thür und aus dem hellen Raum draußen, in den der Riese hinein gestürzt war, brach ein Feuerstrom, dem unmittelbar ein furchtbares Stöhnen folgte und die treulose Schildwache stürzte nieder, tödtlich durch die Brust geschossen. Die Menge in der Thür stockte unentschlossen und dann, durch das Gewicht der Nachfolgenden gedrängt, stürzten sie wieder ein wenig vor und als sie vorgingen, ächzten

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