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Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4. Александр Дюма
Читать онлайн.Название Die Gräfin von Charny Denkwürdigkeiten eines Arztes 4
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Александр Дюма
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Der Salon war nur durch das im Herde brennende Feuer und durch zwei aus dem Kamin angezündete Kerzen beleuchtet.
Andrée zog ihren Sohn auf eine Art von Causeuse fort, wo sich das doppelte Licht concentrirte.
Dann rief sie mit einem Freudenausbruch, in welchem noch ein letzter Zweifel zitterte:
»Oh! mein Kind, mein Kind, Du bist es also wirklich?«
»Meine Mutter!« erwiederte Sebastian mit einem Ergusse des Gemüths, der sich wie ein mildernder Thau aus dem springenden Herzen und den fieberhaften Adern von Andrée verbreitete.
»Und hier, hier,« rief Andrée umherschauend, da sie sich in demselben Salon befand, wo sie Sebastian geboren, mit Angst und Schrecken dieses Zimmer betrachtend, wo er ihr geraubt worden war.
»Hier,« wiederholte Sebastian, »was will dies besagen, meine Mutter?«
»Dies will besagen, mein Kind, daß Du vor bald fünfzehn Jahren hier in diesem Zimmer, wo wir sind, geboren worden bist, und daß ich die Barmherzigkeit des allmächtigen Gottes preise, der Dich nach Verlauf von fünfzehn Jahren so wunderbar zurückgeführt hat.«
»Oh! ja, wunderbar,« sprach Sebastian; »denn hätte ich nicht für das Leben meines Vaters gefürchtet, so wäre ich nicht allein und bei Nacht nach Paris abgegangen; wäre ich nicht allein und bei Nacht nach Paris abgegangen, so würde ich nicht verlegen gewesen sein, zu erfahren, welchen von den zwei Wegen ich wählen mußte; ich hätte nicht aus der Landstraße gewartet; ich hätte nicht Herrn Isidor von Charny, als er vorüberritt, gefragt; er hätte mich nicht erkannt, mir nicht angeboten, mit ihm nach Paris zu kommen, er hätte mich nicht in den Palast der Tuilerien geführt, und ich hätte Sie auch nicht in dem Augenblick gesehen, wo Sie durch den grünen Salon schritten; ich hätte Sie nicht erkannt; ich wäre Ihnen nicht nachgelaufen; ich hätte Sie nicht eingeholt: ich hätte Sie endlich nicht meine Mutter genannt! ein Wort, das sehr süß und sehr zärtlich auszusprechen ist!«
Bei den Worten von Sebastian:
»Hätte ich nicht für das Leben meines Vaters gefürchtet,« empfand Andrée eine scharfe Herzbeklemmung, sie schloß die Augen und warf den Kopf zurück.
Bei den Worten: »Hätte mich Herr Isidor von Charny nicht erkannt, hätte er mir nicht angeboten, mit nach Paris zu kommen, hätte er mich nicht in den Palast der Tuilerien geführt,« öffneten sich ihre Augen wieder, ihr Herz that sich auf, ihr Blick dankte dem Himmel; denn in der That, es war ein Wunder, das Sebastian, geführt vom Bruder ihres Gatten, zurückbrachte.
Bei den Worten endlich: »Ich hätte Sie nicht Mutter genannt! ein Wort, das sehr süß und sehr zärtlich auszusprechen ist,« drückte sie, zum Gefühle ihres Glückes zurückgerufen, Sebastian abermals an ihre Brust.
»Ja, ja, Du hast Recht, mein Kind,« rief sie; »sehr süß! es gibt nur eines, das vielleicht süßer und zärtlicher ist, es ist das, welches ich Dir sage, indem ich Dich an mein Herz drücke: mein Sohn! mein Sohn!«
Dann trat ein Augenblick des Stillschweigens ein, und man hörte nur das sanfte Beben der über die Stirne des Kindes hinschweifenden mütterlichen Lippen.
»Aber,« rief plötzlich Andrée, »es ist unmöglich, daß Alles so geheimnisvoll in mir und um mich her bleibt; Du hast mir wohl erklärt, wie Du da warst, aber Du hast mir nicht erklärt, wie Du mich erkanntest, warum Du mir nachliefst, warum Du mich Deine Mutter nanntest.«
»Kann ich es Ihnen sagen?« erwiederte Sebastian, Andrée mit einem unaussprechlichen Ausdruck von Liebe anschauend, »ich weiß es selbst nicht, Sie sprechen von Geheimnissen: Alles ist geheimnißvoll in mir wie in Ihnen.«
»Aber es hat Dir doch Jemand in dem Augenblick wo ich vorüberging, gesagt: »»Kind, da ist Deine Mutter!««
»Ja . . .mein Herz.«
»Dein Herz? . . .«
»Hören Sie, meine Mutter, ich will Ihnen etwas erzählen, was an’s Wunderbare grenzt.«
Andrée rückte noch näher zu dem Kinde, während, sie einen Blick zum Himmel sandte, als wolle sie ihm dafür danken, daß er, als er ihr ihren Sohn zurückgab, ihn so zurückgab.
»Es sind zehn Jahre, daß ich Sie kenne, meine Mutter.«
Andrée bebte.
»Sie begreifen nicht?«
Andrée schüttelte den Kopf.
»Lassen Sie sich sagen, ich habe zuweilen seltsame Träume, die mein Vater Sinnestäuschungen nennt.«
Bei der Erinnerung an Gilbert, welche wie eine stählerne Spitze von den Lippen des Kindes in ihr Herz eindrang, schauerte Andrée.
»Schon zwanzigmal habe ich Sie gesehen, meine Mutter.«
»Wie so?«
»In den Träumen, von denen ich so eben sprach,« Andrée dachte ihrerseits an die schrecklichen Träume, die ihr Leben bewegt hatten, an den Traum, dem ihr Kind seine Geburt verdankte.
»Stellen Sie sich vor, meine Mutter,« fuhr Sebastian fort, »wenn ich, noch ein Kind, mit den Kindern des Dorfes spielte und im Dorfe blieb, waren meine Eindrücke ganz die der andern Kleinen, und nichts erschien mir, als die wirklichen Gegenstände; doch, sobald ich das Dorf verließ, sobald ich die letzten Gärten überschritt, sobald ich den Saum des Waldes hinter mir hatte, fühlte ich etwas wie das Rauschen eines Kleides an mir vorüberziehen; ich streckte die Arme aus, um es zu fassen, doch ich faßte nur die Luft; da entfernte sich das Phantom. Aber von unsichtbar, wie es Anfangs war, wurde es allmälig sichtbar; im ersten Augenblick war es ein Dunst durchsichtig wie eine Wolke, ähnlich der, mit welcher Virgil die Mutter des Aeneas umhüllte, da sie ihrem Sohne auf der Küste von Carthago erschien; bald verdichtete sich dieser Dunst und nahm eine menschliche Gestalt an; diese menschliche Gestalt, welche die einer Frau war, glitt mehr über den Boden hin, als daß sie aus der Erde ging: da zog mich eine unbekannte, seltsame, unwiderstehliche Gewalt ihr nach. Sie drang in die dunkelsten Orte des Waldes ein, und ich verfolgte sie hier mit ausgestreckten Armen, stumm wie sie; denn obgleich ich ihr zu rufen versuchte, gelang es meiner Stimme doch nie, einen Ton zu articuliren, und ich verfolgte sie so, ohne daß sie stille stand, ohne daß ich sie einholen konnte, bis das Wunder, das mir ihre Gegenwart verkündigt hatte, mir ihren Abgang bezeichnete. Die Erscheinung verschwand allmälig, doch sie schien ebenso sehr als ich unter diesem Willen des Himmels zu leiden, der uns trennte, denn sie entfernte sich, indem sie sich nach mir umschaute, und, gelähmt vor Müdigkeit, als ob ich nur durch ihre Gegenwart aufrecht erhalten worden wäre, fiel ich an derselben Stelle, wo sie verschwunden war, nieder.«
Diese Art von zweiter Existenz von Sebastian, dieser in seinem Leben lebende Traum glich zu sehr dem, was Andrée selbst begegnet war, als daß sie sich nicht in ihrem Kinde hätte wiedererkennen sollen.
»Armes Kind,« sagte sie, indem sie ihn an ihr Herz drückte, »es war also unnütz, daß der Haß Dich von mir entfernte; Gott halte uns einander genähert, ohne daß ich es vermuthete; nur sah ich Dich, weniger glücklich als Du, weder im Traume, noch in der Wirklichkeit, und dennoch, als ich durch den grünen Salon ging, ergriff mich ein Schauer; als ich Deine Tritte hinter den meinigen hörte, zog etwas wie ein Schwindel zwischen meinem Geiste und meinem Herzen durch; als Du mich Madame nanntest, wäre ich beinahe stille gestanden; als Du mich meine Mutter nanntest, wäre ich beinahe ohnmächtig geworden; als ich Dich berührte, erkannte ich Dich.«
»Meine Mutter! meine Mutter! meine Mutter!« wiederholte Sebastian dreimal, als wollte er seine Mutter darüber trösten, daß sie so lange diesen süßen Namen nicht gehört.
»Ja, Deine Mutter!« erwiederte die junge Frau mit einem unbeschreiblichen Liebesentzücken.
»Und nun, da wir uns wiedergefunden haben,« sagte das Kind, »da Du so zufrieden und glücklich bist, mich wieder zusehen, werden wir uns nicht mehr verlassen, nicht wahr?«
Andrée bebte, sie hatte die Gegenwart im Vorüberziehen, die Augen halb über die Vergangenheit, ganz über die Zukunft schließend, ergriffen.
»Mein armes Kind, wie würde ich Dich segnen, wenn Du