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gewöhnt, ihre Empfindungen zu verbergen, waren diese auch sehr bald dem Fürsten und der Fürstin kein Geheimniß mehr.

      Sehr erfreut waren diese eben darüber nicht; nachdem sie aber alle Gründe für und gegen überdacht hatten, hielten sie es durchaus nicht für zweckdienlich, sogleich ihr »Veto« einzulegen. Litwinows Vermögen war ziemlich beträchtlich.

      »Sein Herkommen nur, sein Herkommen ist nicht wie es sein solltet!« bemerkte die alte Fürstin.

      »Freilich,« sagte der Fürst, »er ist nur von jungem Adel, ein Kraut– und Rübenjunker! . . . doch aber immer von Adel und das ist die Hauptsache: Irina wird uns gewiß nie gehorchen, was wir ihr auch sagen mögen. Hat sie nicht von jeher nur das gethan, was ihr in den Kopf kam? Ueberdies kann die Hochzeit ja noch nicht so bald, weder heute noch morgen schon sein; wer weiß, welch ein Zufall noch eine bessere, vornehmere Partie bringen kann.« So urtheilte der Fürst und fügte in Gedanken hinzu: »Pah, nur Madame de Litwinow . . . und weiter nichts! Ich hatte Anderes erwartet.«

      Irina beherrschte ihren künftigen Bräutigam vollkommen, und er selbst überließ sich blindlings ihrer Leitung. Er war wie in einen Wasserwirbel gerathen, aus dem er nicht heraus und zu sich kommen konnte. Ob auch Irina die rechte, passende Frau für ihn sei, wie sie ihre Pflichten erfüllen werde, darüber nachzudenken war er nicht im Stande; sein Blut kochte, und nur eins war ihm klar: ihr zu folgen bis an’s Ende der Welt, sie die Seinige zu nennen, es entstehe daraus, was da wolle!

      So ganz ohne kleine Unannehmlichkeiten verlief jedoch, trotz der übergroßen Zärtlichkeit Irinens, die Zeit nicht.

      So war er einst gerade aus der Universität, im alten Rock und Tintenflecken an den Händen, zu ihr geeilt. Sie herzlich begrüßend, trat er auf sie zu, sie aber hielt ihm die Hand abwehrend entgegen.

      »Sie sind ohne Handschuhe,« sagte sie langsam und etwas zurücktretend, »und wie Sie aussehen! Pfui – ein echter Student!«

      »Sie sind zu empfänglich für Kleinigkeiten, theure Irina,« antwortete er verlegen.

      »Sie sind . . . ein echter Student,« wiederholte sie, »vous n‘etes pas distingué

      Und ihm den Rücken zuwendend, verließ sie rasch das Zimmer. Freilich kam sie eine Stunde darauf beschämt zurück und bat ihn leidenschaftlich, ihr zu verzeihen.

      Ueberhaupt gestand sie ihm gern ihre Fehler und klagte sich selbst an; nur fand sie sonderbarer Weise in sich Mängel, die sie nicht hatte, während sie hartnäckig ihre wirklichen Fehler nicht eingestehen wollte.

      Ein anderes Mal traf er sie in bitteren Thränen, den Kopf mit beiden Händen gestützt und mit herabhängenden Locken, und als er sie, ganz aufgeregt, fragte, was ihr Schlimmes begegnet sei, zeigte sie schweigend mit dem Finger auf ihre Brust.

      Ein jäher Schreck drang bis in’s Innerste seines Herzens, der Gedanke an »Schwindsucht« durchfuhr s einen Kopf, und er ergriff ihre Hand.

      »Du fühlst Dich krank?« fragte er sie mit zitternder Stimme, (bei wichtigen Gelegenheiten nannten sie einander bereits »Du«). »Ich eile zum Arzt . . .«

      Aber Irina ließ ihn nicht endigen und stampfte ärgerlich mit dem Fuße, indem sie rief: »Ich bin ganz gesund . . . nur dieses Kleid . . . dieses entsetzliche Kleid . . . begreifen Sie denn nicht?!«

      »Ich verstehe nicht, theure Irina . . . was soll das Kleid?«

      »Was es soll? Immer eins und dasselbe, . . . kein anderes zu haben und genöthigt zu sein, ohne Ende dieselbe alte Fahne zu tragen . . . selbst wenn Du . . . wenn Sie kommen! . . . Zuletzt wirst Du noch aufhören mich zu lieben, wenn Du mich immer so ärmlich gekleidet siehst!«

      »Was fällt Dir ein, Irina, was redest Du? Dein Kleid ist ja wundernett . . . und mir gar doppelt theuer, weil Du es trugst, als ich Dich zum ersten Male sah.« Irina erröthete, indem sie hastig sagte:

      »Erinnern Sie mich, bitte, nicht, daß ich schon damals kein anderes hatte.«

      »Aber ich versichere Dich, theure Irina, daß Du himmlisch schön in demselben bist, und daß es Dich wunderbar kleidet.«

      »Nein, abscheulich, abscheulich!« rief sie erregt und zupfte nervös gereizt an den langen weichen Locken. »Ach Armuth, Armuth! Welch ein trauriges Los, arm zu sein! Und kein Mittel, aus diesem ewigen Elend herauszukommen! Keins!«

      Litwinow wußte nicht, was er ihr antworten sollte, und wandte sich verlegen ab.

      Plötzlich sprang sie vom Stuhle auf und umschlang leidenschaftlich seinen Nacken mit beiden Armen.

      »Aber Du doch, Du liebst mich? Liebst mich, wie ich bin!?« rief sie, Thränen und Lächeln im glänzenden Auge. »Liebst mich selbst in diesem abscheulichen Kleide?«

      Litwinow fiel ihr zu Füßen.

      »Ach, liebe mich immer, mein Schutzengel, mein Retter!« flüsterte sie, sich zu ihm herabneigend.

      So schwanden Tage und Wochen, und immer noch zögerte Litwinow mit seinem förmlichen Antrage bei den Eltern, natürlich nicht aus eigenem Willen, sondern von Tag zu Tag wartend, daß Irina ihn dazu ermächtige.

      »Wir sind doch eigentlich noch gar zu jung,« sagte sie ihm, »laß uns noch eine Zeit lang warten, ich will erst etwas vernünftiger, besser und Deiner würdiger werden.«

      So wartete er, sich täglich an ihrem Anblick berauschend, und wirklich schien auch die Zeit der Entscheidung immer näher und näher heranzurücken, als plötzlich, wie ein Blitzstrahl aus heiterem Himmel, ein Ereigniß eintrat, das alle Wünsche, Hoffnungen und Pläne in leichte Rauchwolken verwandelte, die im Winde verflogen.

      Siebentes Capitel

      In jenem Jahre besuchte der Hof Moskau. Feste folgten auf Feste; der gebräuchliche, der kaiserlichen Familie zu Ehren angeordnete Ball im adligen Club rückte heran.

      Die Ankündigung desselben in den öffentlichen Blättern gelangte auch in das Haus am Hundeplatze.

      Der Erste, den diese in Aufruhr setzte, war der alte Fürst. Er beschloß sogleich den Ball zu besuchen und wünschte Irina durchaus mitzunehmen, weil es ja unverzeihlich wäre, wenn sie diese Gelegenheiten vorüberließen, die kaiserliche Familie und den Hof zu sehen. Mit sonst bei ihm ganz ungewöhnlichem Eifer bestand er dieses Mal auf seinen Vorhaben; die Fürstin, obgleich sie zwar über die dadurch verursachten Ausgaben ächzte und jammerte, war im Ganzen auch nicht dagegen, nur allein in Irina fand dieser Entschluß heftigen Widerstand.

      »Es ist nicht nöthig, ich werde nicht mitfuhren,« antwortete sie auf die elterliche Aufforderung.

      Ihre Hartnäckigkeit war so groß, daß der alte Fürst sich endlich entschloß, Litwinow zu bitten, er möge sie bereden und ihr vorstellen, daß es sich für ein junges Mädchen nicht schicke, so die Welt zu meiden, und daß sie, ihren Eltern zu gefallen, doch mitkommen möge, da sie ja so schon Niemanden sehe.

      Litwinow glaubte dem Fürsten nicht wohl seinen Wunsch abschlagen zu können, und sprach mit ihr.

      Irina blickte ihn aufmerksam und prüfend an; so starr blickte sie ihm lange schweigend in’s Auge, daß er verlegen wurde; endlich, mit den Enden ihres Gürtelbandes spielend, fragte sie ihn langsam und gelassen: »Sie wünschen es auch, Sie?«

      »Ja,« stotterte Litwinow, »ich glaube – ich meine, Sie sollten dem Wunsche ihrer Eltern nachgeben – ein- mal die Welt sehen – und,« fügte er lächelnd hinzu, »auch sich zeigen.«

      »Mich – zeigen-?« wiederholte sie langsam fragend, »Nun wohl, – ich werde mitfahren. – — Nur vergessen Sie nicht, daß Sie es selbst gewünscht haben.«

      »Ich? – was eigentlich mich betrifft —,« wollte Litwinow sie unterbrechen.

      Sie ließ ihm aber keine Zeit zum Ausreden und fuhr hastig fort:

      »Sie haben mich selbst dazu aufgefordert – und, hören Sie, noch eine Bedingung: Sie müssen mir versprechen, den Ball nicht selbst zu besuchen!«

      »Warum wünschen Sie aber das?«

      »Das ist

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