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      „Danke“, flüsterte Oliver gerührt. Mrs. Belfry war wirklich die beste Lehrerin, der er je begegnet war. Er drückte das Buch fest an sich und rannte zur Tür.

      „Oliver! Wirst du je zurückkommen?“, rief sie ihm hinterher.

      Er drehte sich noch einmal zu ihr um. „Ich weiß es nicht.“

      Sie nickte ihm traurig zu. „Dann bleibt mir nur noch übrig, dir bei deiner Suche von ganzem Herzen viel Glück zu wünschen. Ich hoffe du findest, wonach du suchst, Oliver Blue!“

      Ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit machte sich in seinem Herzen breit. Ohne Mrs. Belfry hätte er diese ersten furchtbaren Tage in New Jersey nicht überstanden. „Ich danke Ihnen für alles, Mrs. Belfry.“

      Damit stürmte er aus dem Klassenzimmer. Er konnte es kaum erwarten, in den nächsten Zug nach Boston zu steigen und Professor Nightingale persönlich gegenüber zu stehen. Doch zuvor hatte er noch eine letzte Aufgabe an dieser Schule.

      Er musste sich um die Bullys kümmern.

      Da läutete die Schulglocke zur Mittagspause.

      Dieses eine Übel musste er noch aus der Welt schaffen.

      *

      Schnell rannte er die Treppen hinunter, dem Geruch von abgestandenem Frittierfett entgegen. Er hatte so lange mit Mrs. Belfry geredet, dass er gar nicht bemerkt hatte, wie viel Zeit vergangen war.

      Perfekt, dachte Oliver.

      Er ging in die Aula, wo sich bereits alle Schüler versammelt hatten und jetzt wild durcheinanderschrien. Bald entdeckte er Paul und Samantha, die beiden Tyrannen aus seiner Klasse. Sie sahen ihn auch und zeigten tuschelnd auf ihn. Auch die anderen Kinder drehten sich lachend zu ihm um. Er entdeckte auch die Kinder, die auf dem Pausenhof die anderen mit ihren Bällen beworfen hatten und die Kinder aus Mr. Portendorfers Unterricht, die alle über ihn gelacht hatten.

      Aber er suchte noch jemanden. Chris und seine Spießgesellen. Sie hatten ihn im Sturm verfolgt, bis er sich in einer verbeulten Mülltonne versteckt hatte. Sie hatten ihn beschimpft, ihm gedroht und sich über ihn lustig gemacht.

      Jetzt sahen sie ihn auch. Das gemeine Mädchen mit den dicken Zöpfen grinste höhnisch. Sie stieß den sommersprossigen, schlaksigen Jungen an, der nur gelacht hatte, als Chris ihn in den Schwitzkasten genommen und gequält hatte. Zuletzt hatten sie ihn in einen gefährlichen Sturm gescheucht und alleine zurückgelassen. Dass sie ihn jetzt auch noch dumm angrinsten, brachte Olivers Blut zum Kochen.

      Als Chris ihn bemerkte, sah Oliver einen Anflug von Furcht in seinen Augen, auch wenn er sich hier in der Gesellschaft seiner gemeinen Freunde anscheinend sicher fühlte.

      Es fiel Oliver nicht schwer, ihm an den Lippen abzulesen, was er zu seinen fiesen Freunden sagte.

      „Seht nur, die kleine Ratte ist zurück!“

      Oliver konzentrierte sich auf ihren Tisch und sammelte seine Kräfte.

      Ihre Teller begannen zu schweben. Das Mädchen sprang erschrocken auf.

      „Was ist hier los?“

      Die beiden anderen sprangen auch ängstlich zurück. Auch Chris war aufgesprungen, aber er sah nicht besonders erschrocken aus.

      Eher wütend.

      Die anderen Kinder drehten sich um und versuchten zu sehen, was der Aufruhr zu bedeuten hatte. Als sie bemerkten, dass die Teller wie durch Geisterhand in der Luft schwebten, verbreitete sich Panik im Saal.

      Oliver ließ die Teller höher und höher steigen. Als sie direkt über den Köpfen der Spießgesellen waren, drehte er sie um.

      Sofort regnete lauwarmes Essen auf sie herab.

      Mal sehen wie es euch gefällt, mit Essensresten verschmiert zu sein, dachte Oliver.

      Schon brach der Tumult aus. Kinder schrien und rannten schubsend zu den Ausgängen.

      Einer der Fieslinge, der von oben bis unten mit Kartoffelstampf beschmiert war, rutschte auf ein paar Bohnen aus und lag jetzt ausgestreckt auf dem Boden. Ein anderes Kind stolperte über ihn.

      Durch das Chaos sah Oliver Chris auf der anderen Seite der Aula stehen. Er fixierte ihn aus schmalen Augen. Sein Gesicht war rot vor Wut. Er stieß ein paar Kinder mit den Ellbogen zur Seite und wirkte noch wuchtiger als sonst.

      Obwohl er Oliver damit einschüchtern wollte, ließ dieser sich nicht aus der Ruhe bringen.

      „Du!“, bellte Chris. „Ich weiß, dass du das warst! Du hast irgendwelche bösen Zauberkräfte! Du Freak!“

      Dann ging er auf Oliver los.

      Doch der war ihm bereits zwei Schritte voraus. Er streckte die Hände aus und ließ eine dicke Ölschicht vor Chris auf dem Boden entstehen. Chris rutschte und ruderte mit den Armen, bis er endgültig das Gleichgewicht verlor und mit dem Hintern auf den Boden knallte. Er rutschte über die Ölschicht auf Oliver zu wie auf einer Wasserrutsche.

      Oliver drückte die Tür auf und Chris schlitterte an ihm vorbei. Schreiend wurde er auf der unsichtbaren Schmiere immer weiter getragen, über den Pausenhof, auf die Straße.

      „Bye bye!“, rief Oliver ihm nach und winkte.

      Er hoffte, dass er Christopher Blue nie wieder sehen würde.

      Dann schloss er die Tür wieder und ging mit festen Schritten durch die chaotische Aula und durch die finsteren Gänge der Campbell Junior High. Er fühlte sich großartig. Es hätte gar nicht besser laufen können.

      Als er den Ausgang erreichte, stieß er die Türen mit beiden Händen auf. Ein frischer Windhauch wehte ihm ins Gesicht. Oliver atmete tief ein.

      Dann sah er sie.

      Sie stand an der untersten Stufe und blickte zu ihm auf. Schwarzes Haar. Smaragdgrüne Augen.

      Oliver konnte es kaum glauben. Sein Herz machte einen Freudensprung und schlug ihm bis zum Hals. Seine Gedanken überschlugen sich.

      Wie…?

      Warum…?

      Seine Handflächen wurden feucht und er spürte einen Kloß im Hals.

      Ihre Schönheit raubte ihm den Atem.

      Vor ihm stand Esther Valentini.

      KAPITEL SECHS

      „Esther!“, rief Oliver.

      Er legte seine Hände auf ihre Schultern und sah ihr tief in die Augen. Er konnte kaum glauben, dass sie hier war.

      „Oliver“, sagte sie lächelnd. Dann warf sie ihre Arme um seinen Hals. „Ich habe dich gefunden!“ Ihre Stimme war süß wie Honig. Oliver drückte sie fest an sich. Sie fühlte sich wunderbar an. Er hätte nicht gedacht, dass er sie so schnell wiedersehen würde.

      Aber dann löste er sich von ihr. „Warum bist du hier?“, fragte er alarmiert.

      Esther grinste ihn verschmitzt an. „Es gibt eine Zeitmaschine in der Schule. Der Zugang ist im Kapokbaum versteckt und mit einem kleinen X markiert. Eigentlich heißt das ja, dass nur Lehrern den Zutritt gewährt ist. Ich habe gleich vermutet, dass es ein Portal ist. Ich habe mich in einem unbewachten Moment hingeschlichen. Natürlich dürfen wir sie eigentlich nicht benutzen, aber das Risiko war es mir wert.“

      Oliver schüttelte den Kopf. Er hätte sich denken können, dass die schlaue Esther einen Weg finden würde, zu ihm zu gelangen. Aber niemand würde einfach so in eine falsche Zeit reisen, nicht ohne einen triftigen Grund. An der Schule für Seher hatte er gelernt, dass es eine echte Belastung für den Körper sein konnte, wenn man zu lange in einer falschen Zeitachse verweilte. Das hatte er auch selbst gespürt, als er aus der Vergangenheit zurückgekehrt war. Selbst jetzt spürte er die Auswirkungen

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