Скачать книгу

trat mit schussbereiter Pistole ein. Ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass niemand da war, aber trotzdem hatte sie etwas Angst. Sie wusste, dass sie das Knarzen der Dielen gehört hatte. Sie ging weiter hinein, bis zum Couchtisch, plötzlich hörte sie wieder dieses Knarzen.

      Wie aus dem nichts, tauchte das Bild von Hailey Lizbrook in ihren Gedanken auf. Sie sah die Striemen auf dem Rücken der Frau und die Spuren im Dreck. Sie erzitterte. Sie schaute stumm auf die Waffe in ihren Händen und versuchte, sich daran zu erinnern, wann sie ein Fall zuletzt so mitgenommen hatte. Was zum Teufel hatte sie gedacht? Dass der Mörder in ihrem Wohnzimmer wäre und sich an sie heranschleichen wollte?

      Genervt ging Mackenzie ins Schlafzimmer zurück. Lautlos legte sie die Waffe zurück auf die Kommode und ging zu ihrer Bettseite.

      Während sowohl Teile der Angst zusammen mit den Nachwirkungen des Traums in ihrem Kopf herumgeisterten, legte sich Mackenzie hin. Sie schloss ihre Augen und versuchte, wieder einzuschlafen.

      Aber sie wusste, dass es ihr schwerfallen würde. Sie wurde geplagt, das wusste sie, sowohl von den lebenden als auch den toten.

      KAPITEL SIEBEN

      Mackenzie konnte sich nicht daran erinnern, wann die Polizeistation je so chaotisch gewesen war. Als sie eintrat, sah sie zuerst, wie Nancy die Flure entlang in ein Büro eilte. Sie hatte Nancy noch nie so schnell laufen sehen. Außerdem lag auf dem Gesicht jedes Polizisten, an denen sie auf ihrem Weg zum Konferenzzimmer vorbeikam, ein nervöser Ausdruck.

      Es schaute nach einem schrecklichen Morgen aus. In der Atmosphäre lag eine Spannung, die sie an die Schwere der Luft vor einem schlimmen Sommersturm erinnerten.

      Sie hatte selbst einen Teil dieser Spannung gespürt, sogar noch bevor sie das Haus verlassen hatte. Den ersten Anruf hatte sie um halb acht Uhr morgens erhalten, in dem sie darüber informiert wurde, dass sie der Spur in wenigen Stunden verfolgt nachgehen würden. Anscheinend hatte sich die Spur, die sie aus Kevin herausbekommen hatte, in der Nacht als sehr vielversprechend erwiesen. Ein Haftbefehl wurde erlassen und ein Plan erarbeitet. Eine Sache stand jedoch schon fest: Nelson wollte, dass sie und Porter den Verdächtigen hereinbrachten.

      Die zehn Minuten, die sie erst auf der Polizeiwache war, waren komplett chaotisch. Als sie sich eine Tasse Kaffee einschenkte, bellte Nelson allen Polizisten Befehle zu und Porter saß würdevoll in einem Stuhl am Konferenztisch. Porter schaute aus wie ein schmollendes Kind, das so viel Aufmerksamkeit auf sich lenken wollte wie möglich. Sie wusste, dass es an ihm nagte, dass diese Spur von einem Jungen gekommen war, mit dem Mackenzie gesprochen hatte – einem Jungen, mit dem er sich nicht hatte abgeben wollen.

      Mackenzie und Porter sollten die Führung übernehmen und zwei Autos ihnen folgen, falls sie Unterstützung brauchten. Es war das vierte Mal in ihrer Karriere, dass sie mit so einer Verhaftung beauftragt wurde, und sie erlebte den gleichen Adrenalinstoß wie beim ersten Mal. Trotz des Energieschubes, der durch ihren Körper schoss, blieb Mackenzie ruhig und gefasst. Sie verließ das Konferenzzimmer selbstsicher, so langsam bekam sie das Gefühl, dass es ihr Fall war, egal, wie sehr Porter ihn für sich wollte.

      Auf ihrem Weg nach draußen, kam ihr Nelson entgegen und berührte sie leicht am Arm.

      „White, lassen Sie uns eine Minute reden, okay?“

      Er nahm sie zur Seite und führte sie in den Kopierraum, bevor sie antworten konnte. Er schaute sich verschwörerisch um, als ob er sichergehen wollte, dass auch niemand zuhörte. Als er sich davon überzeugt hatte, schaute er sie auf eine Weise an, die in ihr die Frage aufkommen ließ, ob sie etwas falsch gemacht hatte.

      „Schauen Sie“, begann Nelson.“ Gestern Abend kam Porter zu mir und bat mich um einen neuen Partner. Ich lehnte geradewegs ab. Aber ich sagte ihm auch, dass er dumm wäre, den Fall jetzt aufzugeben. Wissen Sie, warum er einen neuen Partner zugeteilt bekommen will?“

      „Er ist der Meinung, dass ich ihm gestern Abend auf den Schlips getreten bin“, erwiderte Mackenzie. „Aber es war eindeutig, dass die Kinder ihm nicht antworten würden und er strengte sich nicht einmal an, zu ihnen durchzudringen.“

      „Oh, Sie müssen mir das nicht erklären“, sagte Nelson. „Ich denke ja, dass Sie bei dem ältesten Kind großartige Arbeit geleistet haben. Der Junge erzählte sogar den anderen Menschen, die vorbeikamen – inklusive den Sozialarbeitern – dass er Sie wirklich mochte. Ich wollte Sie nur warnen, dass Porter heute auf Kriegsfuß steht. Lassen Sie es mich wissen, wenn er Ihnen Probleme bereitet. Aber ich denke nicht, dass er das tun wird. Auch wenn er nicht gerade ein Fan von Ihnen ist, hat er dennoch erzählt, dass er großen Respekt vor Ihnen hat. Aber das bleibt unter uns, verstanden?“

      „Ja, Sir“, antwortete Mackenzie, von seiner plötzlichen Unterstützung und Ermutigung überrascht.

      „Okay, dann ist ja alles geklärt“, erwiderte Nelson und klopft ihr auf den Rücken. „Schnappt euch nun diesen Kerl.“

      Mit diesen Worten ging Mackenzie hinaus auf den Parkplatz, wo Porter bereits hinter dem Lenkrad ihres Autos saß. Als sie sich zu ihm ins Fahrzeug setzte, warf er ihr einen Was-zur-Hölle-dauert-denn-so-lange Blick zu.

      „Ich nehme an, du hast heute Morgen den ganzen Bericht über den Kerl bekommen?“, fragte Porter, während er auf die Straße fuhr. Die anderen beiden Autos, in denen Nelson und vier weitere Polizisten zur Unterstützung saßen, folgten ihnen.

      „Das stimmt“, entgegnete Mackenzie. „Clive Traylor, ein einundvierzigjähriger vorbestrafter Sexualstraftäter. Im Jahr 2006 saß er sechs Monate im Gefängnis, weil er eine Frau belästigt hatte. Momentan arbeitet er in der örtlichen Apotheke, aber macht nebenbei auch Holzarbeiten in einem kleinen Schuppen auf seinem Grundstück.“

      „Ah, Sie müssen die letzte Nachricht verpasst haben, die mir Nancy geschickt hat“, meinte Porter.

      „Wirklich?“, fragte sie. „Was habe ich denn verpasst?“

      „In dem Schuppen des Bastards liegen mehrere Holzstangen und unsere Spione berichteten, dass sie etwa die gleiche Größe haben wie diejenige, die wir im Maisfeld fanden.“

      Mackenzie scrollte auf dem Handy durch ihre E-Mails und sah, dass Nancy die Nachricht vor weniger als zehn Minuten geschickt hatte.

      „Das hört sich ja so an, als hätten wir unseren Mann“, bemerkte sie.

      „Exakt“, entgegnete Porter. Er sprach wie ein Roboter, als ob er darauf programmiert wäre, bestimmt Dinge zu sagen. Dabei schaute er sie kein einziges Mal an. Es war offensichtlich, dass er wütend war, aber das war Mackenzie egal. Solange er seine Wut und Entschlossenheit dafür nutzte, den Verdächtigen festzunehmen, wäre sie zufrieden.

      „Ich werde das Problem jetzt einfach ansprechen und gleich zur Sache kommen“, fuhr Porter fort. „Es machte mich verdammt wütend, als Sie gestern einfach so die Kontrolle übernommen haben. Aber ich muss zugeben, dass Sie bei dem Kind eine Art Wunder gewirkt haben. Sie sind schlauer als ich Ihnen zugetraut hatte. Das gebe ich zu. Aber die Respektlosigkeit…“

      An dieser Stelle brach er ab, als ob er sich nicht sicher wäre, wie er seine Aussage beenden sollte. Mackenzie erwiderte darauf nichts. Sie schaute einfach nur geradeaus und versuchte, die Tatsache zu verdauen, dass sie gerade von zwei Personen eine Art Kompliment bekommen hatte, von denen sie es am wenigsten erwartet hätte.

      Plötzlich spürte sie, dass ein sehr guter Tag vor ihr lag. Hoffentlich hätten sie am Ende des Tages den Mann gefangen, der für den Tod von Hailey Lizbrook und noch weiteren ungelösten Mordfällen im Laufe der letzten zwanzig Jahre verantwortlich war. Wenn das die Belohnung war, dann konnte sie Porters schlechte Stimmung auf jeden Fall ertragen.

      *

      Mackenzie schaute zum Fenster hinaus und wurde von einem deprimierenden Gefühl überrollt, während sie beobachtete, wie sich die Nachbarschaft veränderte, als Porter in die heruntergekommeneren Vororte Omahas fuhr. Die wohlhabenden

Скачать книгу