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aber als ich ihn an meinen Nacken und meine Brust halte, kann ich die Wärme schon spüren. Ich halte ihn aus dem Fenster und schüttele ihn durch, um den ganzen Staub abzubekommen. Ich besehe ihn mir im Licht, er ist lang und dick, nicht einmal Löcher hat er. Das ist pures Gold. Ich wickele ihn sofort um den Nacken und klemme ihn unter meinem Shirt fest, und mir ist gleich wärmer. Ich muss niesen.

      Die Sonne senkt sich, und weil es aussieht, als hätte ich alles gefunden, was ich gesucht hätte, will ich mich auf den Weg machen. Auf dem Weg zu Fuß bleibe ich aber plötzlich mit meinem Fuß an etwas Hartem, Metallischem hängen. Ich knie mich hin, taste vorsichtig, falls es eine Waffe ist. Ist es nicht, es ist ein runder Eisenknauf, am Holzboden befestigt. Wie ein Klopfer. Oder ein Griff.

      Ich ziehe nach links und rechts, nichts passiert. Ich versuche ihn zu drehen, wieder nichts. Dann gehe ich das Risiko ein und stelle mich ein Stück zur Seite und ziehe stark daran, geradeaus nach oben.

      Eine Falltür öffnet sich und eine Staubwolke liegt in der Luft.

      Ich sehe nach unten und entdecke einen Kriechkeller, vielleicht einen Meter und zwanzig Zentimeter hoch, mit einem Lehmboden. Mein Herz macht einen Sprung, was das für Möglichkeiten bietet. Wenn hier leben würden und es jemals ein Problem gäbe, könnte ich Bree hier unten verstecken. Dieses kleine Häuschen erscheint mir immer wertvoller.

      Und nicht nur das. Als ich heruntersehe, sehe ich etwas glänzen. Ich schiebe die schwere Holztür ganz zurück und krieche schnell die Leiter hinunter. Es ist schwarz unten, und ich halte mir die Hände vors Gesicht, während ich mich vortaste. Als ich einen Schritt nach vorne mache, fühle ich etwas. Glas. In die Wand sind Regale eingebaut, und darauf stehen Glasgefäße. Und Steingefäße.

      Ich ziehe eins heraus und ans Licht. Der Inhalt ist rot und weich. Es sieht nach Marmelade aus. Ich schraube schnell den Blechdeckel ab, halte ihn an meine Nase und rieche daran. Der durchdringende Geruch von Himbeeren schlägt mir entgegen. Ich stecke einen Finger hinein und halte ihn an meine Zunge. Ich kann es kaum glauben: Himbeermarmelade. Und sie schmeckt so frisch, als wäre sie gestern erst eingemacht worden.

      Schnell verschließe ich das Glas wieder und eile zu den Regalen zurück, fasse hinein – da sind noch Dutzende Gläser mehr in der Dunkelheit. Ich greife nach dem nächsten, halte auch das ins Licht. Sieht aus wie Gurken.

      Ich wünschte, ich könnte sie alle mitnehmen, aber meine Hände gefrieren. Ich habe nichts, womit ich die Gläser tragen könnte, und draußen wird es dunkel. Also packe ich die Gurken wieder zurück, klettere die Leiter hoch und schließe die Falltür fest hinter mir. Ich wünschte, ich hätte ein Schloss. Es macht mich nervös, all das hier ungeschützt liegen zu lassen. Aber dann erinnere ich mich selbst daran, dass hier jahrelang niemand war – und dass ich das Haus wahrscheinlich selbst nie bemerkt hätte, wäre der Baum nicht umgefallen.

      Als ich gehe, schließe ich die Tür hinter mir, fühle mich schon, als wäre ich hier zu Hause.

      Mit vollen Taschen eile ich wieder zum See zurück – erstarre aber plötzlich, als ich eine Bewegung spüre und ein Geräusch höre. Zuerst sorge ich mich, dass jemand mir gefolgt sein könnte, aber als ich mich langsam umdrehe, sehe ich etwas anderes: Ein Reh steht dort, drei Meter entfernt nur vielleicht, und starrt zurück. Das erste Reh, das ich seit Jahren gesehen habe. Seine großen, schwarzen Augen sehen mich direkt an, dann dreht es sich plötzlich um und läuft weg.

      Ich bin sprachlos. Monatelang habe ich nach einem Reh gesucht, in der Hoffnung, ich käme nahe genug an eines heran, um mein Messer danach zu werfen. Aber ich konnte keins finden, nirgends. Vielleicht habe ich nicht weit genug oben gesucht. Vielleicht haben sie die ganze Zeit hier oben gelebt.

      Ich beschließe, gleich morgen früh wiederzukommen und den ganzen Tag zu warten, wenn es nötig ist. Wenn das Reh einmal hier war, kommt es vielleicht wieder. Nächstes Mal werde ich es töten. Von diesem Reh könnten wir monatelang leben.

      Voll neuer Hoffnung eile ich zum See zurück. Als ich näher komme, klopft mein Herz höher: Die Rute ist fast zur Hälfte heruntergebogen. Zitternd vor Aufregung rutsche und schlittere ich über das Eis. Ich greife die Schnur, die sich wild bewegt, und bete, dass sie hält.

      Ich ziehe fest daran. Ich kann die Kraft eines großen Fisches spüren, der sich widersetzt, und bete, dass die Schnur nicht reißt, der Haken nicht bricht. Ein letztes Mal ziehe ich, und der Fisch fliegt aus dem Wasser. Ein riesiger Lachs, so groß wie mein Arm. Er landet auf dem Eis und zappelt, rutscht. Ich reiche herüber und will ihn greifen, aber er rutscht mir aus den Händen und fällt wieder aufs Eis. Meine Hände sind zu glitschig, um ihn festzuhalten, also ziehe ich meine Ärmel hoch, beuge mich hinunter und greife dieses Mal fester zu. Noch etwa dreißig Sekunden zappelt er in meinen Händen, dann schließlich stirbt er.

      Ich bin verblüfft. Es ist mein erster Fang seit Monaten. Ekstatisch rutsche ich über das Eis und lege ihn am Ufer ab, verpacke ihn in Schnee, weil ich Angst habe, dass er irgendwie wieder zum Leben erwacht und in den See zurückspringt. Ich nehme die Angel und die Schnur in eine Hand, dann greife ich mit der anderen den Fisch. Ich kann das Marmeladengefäß in einer Tasche spüren und den Thermosbecher mit Saft in der anderen, zusammengepackt mit dem Schokoriegel, und den Teddy an meiner Taille. Bree wird heute Abend Reichtümer besitzen.

      Nur eins muss ich noch mitnehmen. Ich gehe zu dem Stapel von trockenem Holz hinüber, balanciere die Rute in meinem Arm, und mit der freien Hand hebe ich so viele Holzstücke auf, wie ich halten kann. Ich lasse ein paar fallen, und kann nicht so viele nehmen, wie ich gerne möchte, aber ich kann mich nicht beschweren. Ich kann immer noch wiederkommen und den Rest holen.

      Mit vollen Händen, Armen und Taschen rutsche und schlittere ich den steilen Berghang im letzten Tageslicht wieder hinunter, achtsam, nichts von meinem Schatz zu verlieren. Im Gehen kann ich das Häuschen nicht aus dem Kopf bekommen. Es ist perfekt, und mein Herz schlägt schneller beim Gedanken an die Möglichkeiten. Das ist genau das, was wir brauchen. Das Haus unseres Vaters ist zu auffällig, an einer Hauptstraße gebaut. Schon seit Monaten mache ich mir Sorgen, dass wir da zu verwundbar sind. Alles, was es bräuchte, wäre, dass zufällig ein Sklaventreiber vorbeikäme, und schon hätten wir ein Problem. Ich wollte schon lange, dass wir umziehen, aber ich hatte keine Ahnung, wohin. Hier oben gibt keine anderen Häuser.

      Dieses kleine Häuschen, so weit oben und so weit weg von jeglicher Straße – im wahrsten Sinne in den Berg hineingebaut – ist so gut verborgen, fast, als wenn es für uns gebaut worden wäre. Keiner könnte uns hier jemals finden. Und selbst wenn, mit einem Fahrzeug würden sie nicht einmal in die Nähe kommen. Sie müssten zu Fuß kommen, aber von dort oben aus würde ich sie schon aus einem Kilometer Entfernung sehen.

      Außerdem hat das Haus eine frische Wasserquelle, ein kleiner Bach direkt vor der Tür. Ich müsste Bree nicht mehr jedes Mal allein lassen müssen, um mich auf die Wanderung zu machen, um zu baden und unsere Kleidung zu waschen. Und ich müsste nicht mehr die Wassereimer einzeln vom See hochtragen, jedes Mal, wenn ich koche. Ganz zu schweigen davon, dass wir durch dieses riesige Baumzelt verborgen genug wären, um jeden Abend Feuer im Kamin zu machen. Wir wären sicherer, uns wäre wärmer, und das an einem Ort, wo es Fische und Wild gibt – und einen Keller voller Essen. Ich habe einen Plan: Ich bringe uns morgen schon dort hin.

      Eine Last fällt von meinen Schultern. Ich fühle mich wie neugeboren. Zum ersten Mal, so lange ich mich erinnern kann, habe ich nicht mehr das Gefühl, dass der Hunger an mir nagt und die Kälte in meine Fingerspitzen sticht. Sogar der Wind scheint in meinem Rücken zu sein, als ich herunterklettere, mir zu helfen, und ich weiß, dass die Dinge sich endlich gewendet haben. Zum ersten Mal, so lange ich mich erinnern kann, weiß ich heute, dass wir es schaffen können.

      Jetzt können wir überleben.

      ZWEI

      Als ich in der Dämmerung beim Haus meines Vaters ankomme, sinkt die Temperatur, der Schnee beginnt zu härten und unter meinen Füßen zu knirschen. Ich verlasse die Wälder und sehe das Haus, wie dort steht, so auffällig auf der Seite der Straße, und bin erleichtert zu sehen, dass alles ruhig aussieht, genauso, wie ich es verlassen habe. Sofort überprüfe ich den Schnee auf Fußspuren – oder Spuren von anderen Tieren, aber da sind keine.

      Im Haus sind keine Lichter an, aber das ist normal. Ich

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