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unabhängige ist. Die letztere Annahme kann nach den bisher vorliegenden Untersuchungen noch nicht ausgeschlossen werden.

      Die Grenzen des Einflusses der inneren Sekretion auf die Gestaltung des definitiven geschlechtlichen Charakters waren zu ziehen, um die gemachte Annahme einer originären, im allgemeinen für jede Zelle graduell verschiedenen, von Anfang an bestimmten sexuellen Charakteristik gegen Einwände zu sichern.7 Wenn diese Charakteristiken auch in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle für die verschiedenen Zellen und Gewebe desselben Individuums nicht sonderlich dem Grade nach verschieden sein dürften, so gibt es doch eklatante Ausnahmen, die uns die Möglichkeit großer Amplituden vor Augen rücken. Auch die einzelnen Eizellen und die einzelnen Spermatozoiden, nicht nur verschiedener Organismen, auch in den Follikeln und in der Spermamasse eines Individuums, zur selben Zeit und mehr noch zu verschiedenen Zeiten, werden Unterschiede in dem Grade ihrer Muliebrität und Maskulität zeigen, z. B. die Samenfäden verschieden schlank, verschieden schnell sein. Freilich sind wir über diese Unterschiede bis jetzt sehr wenig unterrichtet, aber wohl nur, weil niemand bisher diese Dinge in gleicher Absicht untersucht hat.

      Doch hat man – und dies ist eben das Interessante – in den Hoden von Amphibien neben den normalen Entwicklungsstufen der Spermatogenese regelrechte und wohlentwickelte Eier, nicht ein einziger einmal, sondern verschiedene Beobachter zu öfteren Malen, gefunden. Diese Deutung der Befunde wurde zwar bestritten und von einer Seite nur die Existenz abnorm großer Zellen in den Samenkanälchen als feststehend zugegeben, aber der Sachverhalt wurde später unzweifelhaft festgestellt. Allerdings sind Zwitterbildungen gerade bei den betreffenden Amphibien ungemein häufig; dennoch ist diese eine Tatsache genug Beweis für die Notwendigkeit, mit der Annahme annähernder Konformität des Arrhenoplasma oder Thelyplasma in einem Körper vorsichtig zu sein. Es scheint entlegen und gehört doch ganz in die gleiche Kategorie von Übereilung, wenn ein menschliches Individuum, bloß weil es bei der Geburt ein, wenn auch noch so kurzes, etwa gar epi- oder hypospadisches männliches Glied zeigt, ja selbst noch bei doppelseitigem Kryptorchismus als »Knabe« bezeichnet und ohne weiters als solcher angesehen wird, obwohl es in den übrigen Körperpartien, z. B. cerebral, weit näher dem Thelyplasma als dem Arrhenoplasma steht. Man wird es da wohl noch einmal zu lernen trachten müssen, selbst feinere Abstufungen der Geschlechtlichkeit schon bei der Geburt zu diagnostizieren.

      Als Resultat dieser längeren Induktionen und Deduktionen können wir nun wohl die Sicherung der originären sexuellen Charakteristik, die a priori nicht für alle Zellen auch desselben Körpers gleich oder auch nur ungefähr gleich gesetzt werden darf, betrachten. Jede Zelle, jeder Zellkomplex, jedes Organ hat einen bestimmten Index, der seine Stellung zwischen Arrhenoplasma und Thelyplasma anzeigt. Im großen und ganzen freilich wird ein Index für den ganzen Körper geringen Ansprüchen an Exaktheit genügen. Wir würden indes verhängnisvolle Irrtümer im Theoretischen, schwere Sünden im Praktischen auf uns laden, wenn wir hier mit solcher inkorrekter Beschreibung auch im Einzelfalle ernstlich alles getan zu haben glaubten.

      Die verschiedenen Grade der ursprünglichen sexuellen Charakteristik zusammen mit der (bei den einzelnen Individuen wahrscheinlich qualitativ und quantitativ) variierenden inneren Sekretion bedingen das Auftreten der sexuellen Zwischenformen.

      Arrhenoplasma und Thelyplasma, in ihren unzähligen Abstufungen, sind die mikroskopischen Agentien, die im Vereine mit der »inneren Sekretion« jene makroskopischen Differenzen schaffen, von denen das vorige Kapitel ausschließlich handelte.

      Unter Voraussetzung der Richtigkeit der bisherigen Darlegungen ergibt sich die Notwendigkeit einer ganzen Reihe von anatomischen, physiologischen, histologischen und histochemischen Untersuchungen über die Unterschiede zwischen den Typen M und W in Bau und Funktion aller einzelnen Organe, über die Art, wie Arrhenoplasma und Thelyplasma sich in den verschiedenen Geweben und Organen besonders differenzieren. Die Durchschnittskenntnisse, die wir bis jetzt über all das haben, genügen selbst dem modernen Statistiker kaum mehr. Wissenschaftlich ist ihr Wert ganz gering. Daß z. B. alle Untersuchungen über sexuelle Unterschiede im Gehirn so wenig Wertvolles zu Tage fördern konnten, dafür ist auch dies ein Grund, daß man nicht den typischen Verhältnissen nachgegangen ist, sondern sich mit dem, was der Taufschein oder der oberflächlichste Aspekt der Leiche über das Geschlecht sagte, zufrieden gab und so jeden Hans und jede Grete als vollwertige Repräsentanten der Männlichkeit oder Weiblichkeit gelten ließ. Man hätte, wenn man schon psychologischer Daten nicht zu bedürfen glaubte, doch wenigstens, da Harmonie in der sexuellen Charakteristik der verschiedenen Körperteile häufiger ist als große Sprünge derselben zwischen den einzelnen Organen, sich einiger Tatsachen bezüglich der übrigen Körperbeschaffenheit versichern sollen, die für Männlichkeit und Weiblichkeit in Betracht kommen, wie der Distanz der großen Trochanteren, der Spinae iliacae ant. sup. etc. etc.

      Dieselbe Fehlerquelle – das unbedenkliche Passierenlassen sexueller Zwischenstufen als maßgebender Individuen – ist übrigens auch bei anderen Untersuchungen nicht verstopft worden; und diese Sorglosigkeit kann das Gewinnen haltbarer und beweisbarer Resultate auf lange Zeit hintanhalten. Schon wer z. B. den Ursachen des Knabenüberschusses bei den Geburten nachspekuliert, dürfte diese Verhältnisse nicht ganz außer Acht lassen. Namentlich wird sich aber ihre Nichtberücksichtigung an jedermann rächen, der das Problem der geschlechtsbestimmenden Ursachen lösen zu wollen sich unterfängt. Bevor er nicht jedes zur Welt gekommene Lebewesen, das ihm zum Objekt der Untersuchung wird, auch auf seine Stellung zwischen M und W geprüft hat, wird man seinen Hypothesen oder gar seinen Beeinflussungsmethoden zu trauen sich hüten dürfen. Wenn er nämlich die sexuellen Zwischenstufen einerseits bloß in der bisherigen äußerlichen Weise unter die männlichen oder unter die weiblichen Geburten einreiht, so wird er Fälle für sich in Anspruch nehmen, die bei tieferer Betrachtung gegen ihn zeugen würden, und andere Fälle als Gegeninstanzen betrachten, die es tatsächlich nicht sind: ohne den idealen Mann und das ideale Weib entbehrt er eben eines festen Maßstabes, den er an die Wirklichkeit anlegen könnte, und tappt im ungewissen, oberflächlichen Schein. Maupas z. B., dem die experimentelle Geschlechtsbestimmung bei Hydatina senta, einem Rädertierchen, gelungen ist, hat noch immer 3–5% an abweichenden Resultaten erzielt. Bei niedrigerer Temperatur wurde die Geburt von Weibchen erwartet, und doch ergab sich dieser Satz von Männchen; entsprechend kamen bei hoher Temperatur gegen die Regel etwa ebensoviel Weibchen heraus. Es ist anzunehmen, daß dies sexuelle Zwischenstufen waren, sehr arrhenoide Weibchen bei hoher, sehr thelyide Männchen bei tiefer Temperatur. Wo das Problem viel komplizierter liegt, z. B. beim Rinde, um vom Menschen zu schweigen, wird der Prozentsatz der übereinstimmenden Resultate kaum je so groß sein wie hier und deshalb die richtige Deutung durch von den sexuellen Zwischenstufen herrührende Störungen viel schwerer beeinträchtigt werden.

      Wie Morphologie, Physiologie und Entwicklungsmechanik, so ist auch eine vergleichende Pathologie der sexuellen Typen vorderhand ein Desiderat. Freilich wird man hier wie dort aus der Statistik gewisse Schlüsse ziehen dürfen. Wenn diese erweist, daß eine Krankheit beim »weiblichen Geschlechte« sehr erheblich häufiger sich findet als beim »männlichen«, so wird man hienach im allgemeinen die Annahme wagen dürfen, sie sei eine dem Thelyplasma eigentümliche, »idiopathische« Affektion. So dürfte z. B. Myxödem eine Krankheit von W sein; Hydrokele ist naturgemäß eine Krankheit von M.

      Doch können selbst die am lautesten sprechenden Zahlen der Statistik hier so lange vor theoretischen Irrtümern nicht mit Sicherheit bewahren, als nicht von dem Charakter irgend eines Leidens gezeigt ist, daß es in unauflöslicher, funktioneller Beziehung an die Männlichkeit oder an die Weiblichkeit geknüpft ist. Die Theorie der betreffenden Krankheiten wird auch darüber Rechenschaft zu geben haben, warum sie »fast ausschließlich bei einem Geschlechte auftreten«, d. h. (in der hier begründeten Fassung) warum sie entweder M oder W zugehören.

      III. Kapitel.

      Gesetze der sexuellen Anziehung

      Carmen:

      »L'amour est un oiseau rebelle,

      Que nul ne peut apprivoiser:

      Et c'est bien en vain qu'on l'appelle,

      S'il lui convient de refuser.

      Rien n'y fait; menace ou prière:

      L'un

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<p>7</p>

Daß solche Grenzen existieren, ergibt ja auch die Existenz sexueller Unterschiede vor der Pubertät.