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zu Worte kommen und sprach weiter wie ein klapperndes Mühlrad.

      »Hier haben wir Wohnung genommen, wo anders bekamen wir keine. Den Wirten ist nicht recht zu trauen, vielleicht sind es auch schlechte Menschen. Zwar haben wir vier Knechte mit uns, gute Burschen, und auch wir sind nicht furchtsam, denn in unseren Gegenden muß auch die Frau ein ritterliches Herz haben, sonst könnte sie dort nicht wohnen. Ich habe auch eine Degenkoppel, die ich immer mit mir führe, und Bärbchen hat zwei Terzerole. Nur Christine hat die Waffen nicht gern … aber da wir hier in einer fremden Stadt sind, möchten wir lieber in einer sicheren Herberge wohnen.«

      »Ich bitte dich, Schwester,« wiederholte Wolodyjowski.

      »Und wo wohnst du, Michael? Du mußt mir eine Wohnung suchen helfen, denn du bist in Warschau bekannt.«

      »Ich habe ein Unterkommen für Euch bereit,« unterbrach sie Michael, »und ein so vortreffliches, daß der Hof eines Senators sich dessen nicht zu schämen brauchte. Ich wohne bei meinem Freunde, dem Kapitän Ketling, und ich werde dich sofort mitnehmen.«

      »Aber bedenke doch, daß wir unser drei sind und zwei Diener und vier Knechte! – Aber bei Gott, ich habe dich noch gar nicht bekannt gemacht mit meinen Gesellschafterinnen!«

      Nun wandte sie sich an die Genossinnen:

      »Ihr wißt, wer er ist, aber er weiß nicht, wer ihr seid. Machet wenigstens in der Dunkelheit die Bekanntschaft. Noch nicht einmal den Ofen hat man geheizt … Fräulein Christine Drohojowska und Fräulein Barbara Jesiorkowska. Mein Mann ist ihr Vormund und verwaltet ihren Besitz, und sie wohnen bei uns, denn sie sind Waisen. So junge Mädchen aber können nicht allein wohnen.«

      Während die Frau Truchseß sprach, verneigte sich Wolodyjowski auf Soldatenart; die jungen Damen faßten mit den Fingern ihr Kleid, machten beide einen Knix, wobei Fräulein Jesiorkowska den Kopf zurückwarf wie ein junges Füllen.

      »Laßt uns einsteigen und fahren!« sagte er. – »Mit mir wohnt Herr Sagloba, und ich habe ihn gebeten, das Abendessen anrichten zu lassen.«

      »Der berühmte Herr Sagloba?« fragte plötzlich Fräulein Jesiorkowska.

      »Sei ruhig, Bärbchen,« sagte Frau Truchseß; »ich fürchte nur, es wird Umstände geben.«

      »Wenn Herr Sagloba sich um das Abendbrot kümmert,« versetzte der kleine Ritter, »so reicht es aus, und wenn wir auch zweimal so viele kämen. Laßt die Kisten heraustragen; ich habe auch einen kleinen Wagen für die Sachen, und Ketlings Wagen ist so geräumig, daß wir zu vieren bequem Platz finden. Wißt ihr, was mir einfällt? Wenn die Burschen keine Trunkenbolde sind, so könnten sie mit den Pferden und mit den großen Sachen bis morgen hierbleiben, und wir nehmen nur das Notwendigste mit.«

      »Es ist gar nicht nötig, daß sie hierbleiben,« antwortete die Frau Truchseß; »die Wagen sind noch nicht abgeladen, sie brauchen nur die Pferde vorzuspannen und können sofort weiterfahren. Bärbchen, geh doch und sieh nach ihnen!«

      Fräulein Jesiorkowska sprang in den Flur, und wenige Minuten später kam sie mit der Mitteilung, daß alles bereit sei.

      »Es ist auch Zeit,« sagte Wolodyjowski. Bald saßen sie im Wagen und fuhren nach Mokotow; die Frau Truchseß und Fräulein Drohojowska nahmen den Hintersitz ein, vorne hatte der kleine Ritter neben Fräulein Jesiorkowska Platz genommen. Es war schon finster; er konnte also ihre Gesichter nicht sehen.

      »Die Damen kennen Warschau?« fragte er, sich zu Fräulein Drohojowska vorneigend und die Stimme erhebend, um den Lärm des Wagens zu übertönen.

      »Nein,« sagte sie mit einer tiefen aber wohlklingenden Stimme. »Wir sind wahre Kleinstädter und kennen bisher weder berühmte Städte noch berühmte Menschen.« Dabei neigte sie ihr Köpfchen ein wenig, als wollte sie damit anzeigen, daß sie zu diesen letzteren auch Herrn Wolodyjowski zähle. Er aber nahm die Antwort dankbar entgegen. »Ein artiges Mädchen!« dachte er und zerbrach sich bald den Kopf, mit welchem Kompliment er erwidern könne.

      »Wäre diese Stadt noch zehnmal so groß als sie ist,« sagte er endlich, »so könnten doch die Damen immer noch ihren schönsten Schmuck bilden.«

      »Und woher wißt Ihr das im Finstern?« fragte plötzlich Fräulein Jesiorkowska.

      »Ei, das ist eine Ziege!« dachte Wolodyjowski.

      Aber er erwiderte nichts, und sie fuhren eine Zeitlang schweigend dahin. Dann wandte sich Fräulein Jesiorkowska wieder an den kleinen Ritter:

      »Wißt Ihr nicht, ob dort in den Ställen Raum genug ist? Denn wir haben zehn Pferde und zwei Füllen.«

      »Und wenn es auch dreißig wären, Raum wird sich schon finden.«

      Das Fräulein aber machte ungläubig: »Fi! Fi!«

      »Bärbchen!« sagte Frau Truchseß im verweisenden Tone.

      »Ja, ja, Bärbchen, und wer hat sonst den ganzen Tag für die Pferde gesorgt?«

      So miteinander plaudernd waren sie vor Ketlings Hause angekommen.

      Alle Fenster waren schon hell erleuchtet zum Empfang der Frau Truchseß. Die Dienerschaft eilte heraus, Sagloba an der Spitze; er sprang an den Wagen heran, und da er die Frauen erblickte, sagte er bald:

      »In welcher der Damen habe ich die Ehre, meine besondere Wohltäterin zu erblicken, die Schwester meines besten Freundes Michael?«

      »Das bin ich,« antwortete die Frau Truchseß.

      Da ergriff Sagloba ihre Hand und begann sie eilig zu küssen, indem er immer wiederholte:

      »Meine Reverenz, meine Reverenz!«

      Dann half er ihr aus dem Wagen steigen und führte sie mit großer Liebenswürdigkeit und mit Kratzfüßen in den Flur.

      »Es sei mir verstattet, noch einmal jenseits der Schwelle den Willkommengruß zu bieten,« sagte er unterwegs.

      Inzwischen half Michael den jungen Mädchen aussteigen. Da der Wagen aber hoch war, und der Tritt im Finstern schwer zu finden, so umfaßte er Fräulein Drohojowska, hob sie in die Höhe und ließ sie vor sich auf die Erde nieder. Sie aber lehnte, ohne sich zu stützen, einen Augenblick mit ihrer Brust an der seinigen und sagte:

      »Ich danke Euch, Herr.«

      Wolodyjowski wandte sich jetzt zu Fräulein Jesiorkowska; sie war aber schon auf der anderen Seite des Wagens herabgesprungen. Er bot also seinen Arm Fräulein Drohojowska. Im Zimmer erfolgte die Bekanntschaft mit Herrn Sagloba, der beim Anblick der beiden jungen Mädchen in vortreffliche Laune kam und gleich zum Abendbrot bat. Schon dampften die Schüsseln auf dem Tische, und wie Michael vorausgesehen hatte, war alles in so reichem Maße vorhanden, daß es auch für zweimal soviel Personen ausgereicht haben würde.

      Sie setzten sich also. Die Frau Truchseß nahm den obersten Platz ein, neben ihr zur Rechten Sagloba und neben diesem Fräulein Jesiorkowska. Wolodyjowski setzte sich zur Linken neben Fräulein Drohojowska.

      Hier erst konnte der kleine Ritter die Mädchen näher betrachten. Beide waren hübsch, jede in ihrer Weise. Fräulein Drohojowska hatte rabenschwarzes Haar, ebensolche Augenbrauen, große, blaue Augen, eine weiche, blasse, so zarte Gesichtsfarbe, daß man an den Schläfen die blauen Äderchen durchsah. Ein kaum bemerkbarer dunkler Flaum bedeckte die Oberlippe und ließ die lieblichen, reizvollen Lippen hervortreten, die wie zum Kuß gestaltet waren. Sie war in Trauer, denn sie hatte vor kurzem den Vater verloren, und die Farbe ihrer Tracht gab ihr bei der Zartheit ihres Gesichts und den schwarzen Haaren einen gewissen Schein des Leids, der Trauer und der Strenge. Beim ersten Anblick erschien sie älter als ihre Genossin, und erst, da er sie genauer betrachtete, bemerkte Michael, daß das Blut der ersten Jugend unter dieser durchsichtigen Haut rann. Je näher er sie betrachtete, desto mehr bewunderte er die Vornehmheit ihrer Erscheinung, den Schwanenhals, den schlanken Gliederbau voll jungfräulichen Reizes.

      »Das ist eine vornehme Dame,« dachte er, »die eine herrliche Seele haben muß; die andere dafür ist ein wahrer Bursche!«

      Der Vergleich war treffend.

      Fräulein Jesiorkowska war um viele Jahre älter als Fräulein Drohojowska; sie war überhaupt zierlich, wenn auch

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