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anzurechnen ist; an der Natur, der Musik, den schönen Künsten hatte er die innigste, reinste Freude; er war ein durch und durch edler Mensch, sein ganzes Wesen war von Poesie durchglüht; eine seltene Gabe der Beredtsamkeit, die dem lebhaften Manne fortwährend von den Lippen strömte, verlieh nicht nur seinen Vorträgen, sondern auch seiner Unterhaltung eine fortreißende Gewalt. Ohne alle priesterliche Salbung war er immer menschlich offen, freien Sinnes, natürlich, anspruchslos wie ein Kind, und verbarg nie seine warme Freude an der Schönheit dieser Welt. Eine Schilderung von ihm, die im »Westphälischen Merkur« erschien, beschreibt ihn folgendermaßen: »Von Charakter war Möller ein echter deutscher Mann, und wie gediegen auch sein Geist, so war doch auch sein Gemüth nicht minder tief und zart. Seine äußere Erscheinung war stattlich, freundlich und ehrwürdig. Seine hohe, gewölbte Stirn verrieth sofort den Denker, seine Lippen umschwebten Anmuth und Heiterkeit; seine ganze Persönlichkeit war liebenswürdig und herzgewinnend, und gewährte den Eindruck eines im Dienste der Ideen ergrauten Lebens. Zeigte er schon ein rein menschliches Wohlwollen und eine aus dem Herzen kommende Freundlichkeit gegen Jedermann, so war insbesondere seine Freundschaft ihm selbst ein Seelenbedürfniß – hingebend und treu, und für Geist und Gemüth gleich genußreich. Die Gesellschaft, welche er angenehm zu unterhalten und zu beleben wußte, liebte und suchte er, besonders solche erlesenere Kreise, wo der Geist den Vorsitz führt, und war in ihnen gern gesehen, bis in seine letzten Tage.« –

      In Münster sind noch viele Charakterzüge und kleine Anekdoten von dem seltsamen Manne aufbewahrt. Als er einmal bei einem Festmahl einen begeisterten Toast ausbrachte, lehnte er sich in seiner Lebhaftigkeit etwas zu weit zurück, so daß er das Gleichgewicht verlor, und mit sammt seinem Stuhl hinten über auf die Erde fiel; dadurch ließ er sich aber in seiner feurigen Beredtsamkeit nicht stören, und erst als er seinen langen Vortrag ganz beendet hatte, richtete er sich vom Boden auf. – Schon früh zum Wittwer geworden, lebte er lange für sich allein, aber so sehr in seine Studien und Gedanken vertieft, daß er seiner Umgebung wenig achtete. Als später seine würdige Freundin, die alte, vortreffliche Christiane Engels zu ihm zog, um seine Wirthschaft zu führen, fand sie nicht nur, daß er von seinen Leuten um beträchtliche Summen bestohlen worden war, sondern auch, daß in seiner großen, wüsten Wohnung sich Ratten vollauf, groß wie junge Katzen, umhertrieben, die Abends oft drei, vier zugleich, in Gegenwart der Mägde auf den Tisch sprangen, und den Talg von den Leuchtern fraßen. Hatte Möller dies alles nicht bemerkt, so bemerkte er doch das neue Behagen im Hause und den neu geordneten Garten, und dankte der Freundin ihre Fürsorge. – Wie Möller Besuchsreisen zu seinen verheiratheten Kindern machte, geschah es zweimal, daß er nahe daran war, ihnen das Haus anzustecken, da er in seiner Zerstreutheit vergessen hatte, Abends sein Licht auszulöschen; es fehlte wenig, daß in solcher Weise das Feuer, welches er in seinem Gemüthe trug, oben zum Dach herausgeschlagen wäre! –

      Für Elisen faßte Möller eine schwärmerische Zuneigung, wie die Briefe beweisen mögen, welche wir von ihm im Anhang mittheilen, da sie, wie wir glauben, von ihm so wie von Elisen ein lebhaftes Bild geben, denn es ist eigenthümlich, daß man diese weit mehr aus den von ihren Freunden an sie gerichteten Briefen, in denen sich der Eindruck, den sie hervorbrachte, abspiegelt, kennen lernt, als aus ihren eigenen Aufzeichnungen und Briefen, die zwar sehr fein und anmuthig sind, aber doch nur einige Seiten ihres Wesens wiedergeben. Sie brauchte darin nie eine leere Phrase, jedes Wort war beseelt, innig, und ihr aus dem Herzen kommend, und entzückte wohl den Empfänger, der sie kannte, und gewissermaßen den Duft ihrer Seele darin empfing, aber die ganze Bedeutsamkeit und Tiefe ihres Innern war daraus nicht wahrzunehmen. Auch in ihrer Art zu sprechen, konnte sie leicht von Andern, selbst von solchen, die geistig weit unter ihr standen, überglänzt werden, denn sie besaß keine Beredtsamkeit, wie zum Beispiel der edle Möller, und wenn sie sich auch wohl graziös und artig auszudrücken wußte, so war dies doch nicht das Hervorstechendste an ihr.

      Dagegen konnte sie nicht übertroffen werden an seltenem Schönheitssinn, an Tiefe, Feinheit und Schärfe der Auffassung. Es lag ein Zauber darin, sich mit ihr über Lebensverhältnisse und über Gegenstände der Kunst und Literatur zu unterhalten, weil sie mächtig von allem Schönen ergriffen wurde, und es, wie mit seinen Fühlfäden begabt, überall herausfand; eine edle Regung in einem Menschen, eine bedeutende Idee in einer Dichtung, eine Schönheit in einem Kunstwerk entgingen ihrem Auge nie; sie hatte wie einen sechsten Sinn dafür. Darum war ihr Beifall und ihr Umgang vielen Dichtern und Schriftstellern so unschätzbar, weil sich in Einem Kopfnicken, in Einem zustimmenden Lächeln, in Einem leise hingeworfenen Worte Elisens mehr Verständniß und mehr tiefes Eingehen aussprach, als in mancher geistreichen und wohlgesetzten Rede eines Andern. So sehr wie alles Hohe, Edle und Poetische sie anzog, so sehr war ihr alles Rohe und Gemeine in tiefster Seele zuwider; wenn sie gegen ein Buch, oder einen Menschen ihre Abneigung erklärte, so konnte man sicher sein, daß etwas Unschönes oder Geringes an ihm war. Ihr Urtheil war im Ganzen sehr milde, aber durchaus fest und entschieden; sie ließ sich nie durch fremden Einfluß bestimmen, sondern schöpfte es nur aus ihrem eigenen Geiste und eigenen Gefühl. Eine Dichtung würdigte sie nur als solche, allein vom ästhetischen Standpunkt aus, ohne sich je durch Partheirücksichten dabei beschränken zu lassen. Auf ihre ganze Umgebung wirkte sie so mächtig, daß Jeder, durch sie angefeuert, seine edelsten Seiten herauskehrte, und was von Geist und Talent noch als verschlossene Knospe geruht hatte, ihr gegenüber zur schönsten Blüthe sich entfaltete.

      Hiermit glauben wir einigermaßen angedeutet zu haben, wie sehr Elisa befähigt war, der Mittelpunkt einer anregenden und reizvollen Geselligkeit zu sein, ein Talent, das leider immer seltener wird, und beinahe zu verschwinden droht. Sie liebte es, daß man bei ihr vorlas, und dann über das Mitgetheilte seine Gedanken austauschte. Wir nehmen aus dem Briefe einer ihrer Freundinnen die folgende Schilderung jener schönen Abende bei Elisen. »Es bestanden damals Abendcirkel bei der geliebten Elise, an denen sie uns viel, wenn ich nicht sagen will, fast immer Theil nehmen ließ. Es wurde dann vorgelesen, auch mit vertheilten Rollen, wie namentlich »Tasso,« zu dem sie auch uns welche zutheilte. Dabei waren Henriette Paalzow, dann eine würdige, alte, geistreiche Dame, Frau von Aachen, der alte Consistorialrath Möller, zwei Offiziere, Lieutenant Hoffmann und Lieutenant Rördantz, und noch einige Andere, so wie überhaupt dieser Cirkel kein streng abgeschlossener war, und Lützow, so wie noch mehrere ganz heterogene Elemente, den Thee mit dabei tranken, und darauf in abgesonderter Unterhaltung und abgerücktem Platze den Abend auf ihre Weise auch da verlebten. – Sie, die liebliche Sylphe, mit den treuen, blauen Augen, den blonden, klaren Locken, den zarten, durchsichtig weißen, feinen Händen, war die Seele der kleinen Versammlung, und wenn wir uns spät von ihr trennten, und bei Sternenhimmel und Mondenschein der kleine Schwarm heimzog, so war es immer noch in Begeisterung und im Nachhall der schönen Stunden, die wir bei ihr zugebracht, was Eins vom Andern hörte, bis wir uns allgemach auf dem Heimwege von einander abgetrennt hatten. Das war eine liebe, unvergeßliche Zeit!« –

      Ein seltsames Mißverständniß war es, daß, als im März 1819 Kotzebue von dem Studenten Sand ermordet worden war, ein ganzer Zug von Münsteranern, die freilich nicht zum nächsten Umgang Elisens gehörten, zu ihr kam, um ihr, die sie an allen Dichtern ein so lebhaftes Interesse nähme, wegen dieses Ereignisses ihr Beileid zu bezeigen. Elisa mußte lächeln, denn grade, weil sie die echten Dichter liebte, war ihr der rohe und gemeine Kotzebue immer zuwider gewesen! –

      Im Frühjahr 1819 verließ Adele von A. mit ihrem Gatten Münster, um es gegen Königsberg zu vertauschen. Elisa trat nun mit ihr in eifrigen Briefwechsel, wie sie überhaupt mit allen ihren entfernten Freunden in beständiger Beziehung blieb. Sie vermißte Adelens vertraute Nähe; doch sollte bald darauf eine andere Erscheinung in jenen Kreis voll Empfänglichkeit für alles Schöne und Gute, voll Geist und Leben treten, und dieser schönen Geselligkeit einen neuen Reiz geben; es war dies ein junger Dichter in der ersten Frühlingsfrische seines Daseins, sich des Genius noch kaum ganz bewußt, der eben erst in ihm seine Schwingen zu regen begann. Karl Immermann, geboren 1796 zu Magdeburg, war, nachdem er bei Belle-Alliance den Kampf für das Vaterland mitgekämpft, 1817 in den Staatsdienst getreten, und nachdem er bis 1819 als Referendar in Magdeburg und Groß-Aschersleben gearbeitet, als Auditeur nach Münster versetzt worden.

      Der erste Anlaß der Bekanntschaft war ein geschäftlicher. Bei den verwirrten Vermögensverhältnissen des Grafen Friedrich, erhielt Elisa weder ihr mütterliches Erbtheil, noch die ihr von ihrem Vater verheißenen Einkünfte ausgezahlt, und in diesen

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