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wenigen Zeilen, die wir um so lieber mittheilen, da wir wissen, wie besonders theuer Friesen allen seinen Waffengenossen war, sie charakterisiren genau das edle Verhältniß, welches zwischen ihm und Elisen bestand, und zeigen ein feines, tief empfindendes, liebenswürdiges Gemüth.

      Wie die Freischaar in's Holsteinische eingerückt war, schrieb Friedrich von Petersdorff an Elisen vom Vorposten zu Syke bei Oldeslohe, den 8. Dezember 1813: »Wir hoffen noch immer, daß mit Dänemark thätig am Frieden gearbeitet wird, und daß dieser Krieg, der nicht unmittelbar gegen den Erbfeind geht, bald geendigt sein werde. – Vergessen Sie uns nicht, liebe, gute Elisa, und rechnen Sie es nicht uns an, wenn Ihre Landsleute etwas hart mitgenommen werden, wir steuern, was wir können, dankt Adolph doch dem Lande das Glück seines Lebens, und ich das Glück der göttlichen Freundschaft. Ihr Friedrich.«

      In der Nacht des 15. März 1814 war es Elisen als träte Friesen vor ihr Bett, und zeige ihr eine tiefe Wunde, die er erhalten habe; bewegt und erschrocken rief sie ihr Mädchen herbei, ob sie die blutige Gestalt dort nicht stehen sehe; diese sah jedoch nichts. Fünf Tage später, an ihrem Hochzeitstage, erfuhr Elisa, daß Friesen damals grade, als sie geglaubt hatte, ihn zu sehen, geblieben war. –

      Sie war tief ergriffen. In einem kleinen Notizbuche, welches sie bei sich führte, finden wir dieses Ereigniß mit den kurzen, aber schmerzlichen Worten bezeichnet: »Der erste und beste Mann, Deutschlands Stolz und das höchste Glück seiner Freunde, verlor auf die schrecklichste Weise sein Leben.«

      Auch Lützow, dessen Adjutant er gewesen war, betrauerte ihn schmerzlich, und äußerte, von allen Menschen, die er kennen gelernt, sei Friesen derjenige, welcher am wenigsten zu missen sei, und an dem das Vaterland am meisten verliere.

      Wir können nicht umhin, hier eine Schilderung anzuführen, welche Karl Immermann im zweiten Bande der »Epigonen« von Elisen entworfen hat. Immermann ließ seine Heldin nicht die Freundin, sondern die Geliebte Friesens gewesen sein, und sie, anstatt Vietinghoff's, jenen Sarg mit seinen Ueberresten bei sich aufbewahren. Diese und noch einige andere kleine Abweichungen, welche der Roman erforderte, wird der Leser leicht herauserkennen, außer diesen aber Elisens Bild wie in einem Spiegel wiederfinden.

      Es ist von der Zeit des Befreiungskrieges die Rede.

      »Sie war die hohe Brautwoche, der süße Honigmonat meines Lebens! rief Johanna und ihre Augen glänzten. Ich war zwanzig Jahre alt, auf meines Vaters Schlosse erwachsen, der, wie ihn die Leute auch beschelten mögen, mir ein guter Vater war, und mich aufstreben ließ, frei und ungezwängt, gleich den Tannen in unserm Park. An seiner Seite zu Pferde, oder im leichten Jagdwagen, wenn der Hirsch verfolgt wurde, war es mir oft, als müßten Flügel mir an beide Schultern wachsen, so leicht und rein rollte in mir das muthige Leben! Daheim horchte ich den Erzählungen der Reisenden und klugen Männer, welche meinen Vater besuchten, und von fremden Ländern und Menschen sprachen, oder ich las Geschichte mit meiner alten, würdigen Erzieherin. Denn, Dank sei es denen, welche über mein Geschick geboten, nichts Gemeines und Eitles durfte mich berühren, und ich erinnere mich noch, daß in meinem Zimmer der Spiegel fehlte. Welt und Vorzeit umgaben mich wie ein schönes, sinnvolles Mährchen, in dessen Mitte ich, allen Helden und Weisen vertraulich nahe, liebe Tage hinspann.«

      »Nun erschien jener große Winter mit seinen Eis- und Leichenfeldern, mit seinem Stadt- und Herzensbrande! Meines Vaters Entschluß war sogleich gefaßt, als die ersten Zuckungen des wiedererwachenden Lebens sich verspüren ließen. Obgleich, nach der Sitte seiner Jugend, gern die fremde Sprache redend, war er ein deutscher Mann und Edelmann geblieben; sein Herz hatte bei dem Jammer des Vaterlandes oft geblutet. Wir zogen, damit er thätiger eingreifen könnte, auf eine Zeitlang nach der großen Stadt, welche der Heerd des heiligen Feuers war. Was schwatze ich Ihnen vor? Sie waren ja selbst dabei, haben selbst die Waffen getragen. Welche Tage! Welche Gefühle! Nun waren Rom und Griechenland und die Ritterzeit kein Mährchen mehr für mich, alles Größte strahlte wiedergeboren im grünen, frischen Lichte mich an. Mein Mädchenherz wollte mir oft die Brust zersprengen, wenn ich bis Mitternacht, ja bis an den frühen Morgen die Binden zuschnitt, welche das Blut der Wunden hemmen sollten. Ich weinte, daß mein Vater reich war, daß ich nicht auch mich genöthigt sah, mein Haupthaar auf dem Altare der allgemeinen Begeisterung zu opfern. Nie, nie kann ich das vergessen, und wenn die ganze Welt umher in Zweifel und Klügelei starr wird, so soll der Busen einer armen Frau wenigstens ewig das Fest der Erinnerung feiern!«

      »Sie war aufgestanden und ging mit großen Schritten durch das Zimmer. Ihre Züge hatten sich verklärt, sie glich einer Priesterin, einer Velleda. Nach einer Pause, während welcher ihr Antlitz vom herrlichsten Angedenken wie durchsichtig zu werden schien, stand sie still und rief: Ja, wenn es eine Liebe je auf Erden gegeben hat, so habe ich geliebt! Und o des Glücks! Die zärtlichste Empfindung war nur eins mit der heiligsten und größten! Im Waffenschmuck trat er mir entgegen, dem Kampfe sich entgegensehnend, in den er nach wenigen Wochen zog. Mild war er und edeln Zornes zugleich voll, nie hat ein reineres tugendhafteres Herz unter dem Rocke des Kriegers geklopft. Er war wie ein Verschlagner von einer fernen seligen Insel unter uns Andern. Die Augen pflegte er zu senken, als erliege seine Seele unter ihrer eignen Größe. Stumm war unsre Liebe und ohne Erklärung. Nur, als ich ihm beim Abschiede die Feldbinde reichte, verstanden sich unsre Blicke. Er zog dahin und ich sah ihn nicht wieder.«

      »Er trug, wie alle jugendliche Frühlingsherzen, die Todesahnung im Busen. Sein einziger Wunsch war, in deutscher Erde zu ruhn, er schauderte vor dem Gedanken, fern unter den Fußtritten des feindlichen Volkes vermodern zu müssen. Das Schicksal ist oft grausam, es kann uns nicht allein das Leben, wie wir es wünschen, sondern auch den Tod, wie wir ihn zu sterben würdig gewesen wären, versagen. Nicht in einer der großen herrlichen Befreiungsschlachten fiel mein Freund, nein, vereinzelt, seiner Schaar nachgeblieben, wurde er von umherstreifendem Gesindel auf dem fremden Boden erschlagen. Ich erfuhr seinen Tod, noch ehe die Nachricht davon zu mir gelangte. In der Nacht aus tiefem Schlummer ohne vorhergegangnen Traum emporschreckend, sah ich das blutige Haupt des Ermordeten am Fuße meines Lagers aufsteigen, und alsobald auch wieder verschwinden. Augenblicklich wußte ich um meinen ungeheuren Verlust, aber zugleich durchdrang mein Herz ein unvergänglicher Trost, der es so ganz erfüllte, daß ich mich kaum erinnere, damals geweint oder sonst getrauert zu haben. Nur jetzt, nach manchem Jahre fließen meine Thränen zuweilen. Als die Ruhe hergestellt war, beschäftigte uns Alle, die wir ihn geliebt hatten, sein Wunsch. Ein treuer Gefährte seiner Tage machte sich endlich in der Stille auf, scheute nicht Mühe noch Gefahr unter dem noch immer schmerzlich empörten Volke, fand die Grube, in welcher man den Körper verscharrt hatte, kaufte die theuren Reste los, und brachte sie in die Heimath.«

      »Sie näherte sich einer schmalen, länglichen Kiste, welche in der Ecke des Gemachs stand, öffnete sie und warf sich mit Lauten des tiefsten Schmerzes über sie. Hermann trat hinzu und fuhr zurück; ein menschliches Gerippe starrte ihm aus der Kiste entgegen. Warum erschrickst Du? Was macht Dich zu fürchten? rief sie. Dies ist mein lieber, mein einziger Freund, den ich nun wiederhabe, und nicht von mir lasse. Betrachte den holdseligen Mund, die guten, schönen Augen, die denkende Stirn! Nun ruht er, umweht vom Hauche der Liebe, nun ist ihm wohl!«

      »Theure, warum gaben Sie der Erde nicht wieder, was der Erde gehört? fragte Hermann, als er sich einigermaßen von seinem Erstaunen erholt hatte.«

      »Sie versetzte nichts. Mit den zärtlichsten Namen rief sie den geschiedenen Freund, schmeichelnd strich sie über den kahlen Schädel, ihre Lippen küßten die leeren Augenhöhlen. Dazwischen führte sie Reden, deren Sinn und Bedeutung Hermann nicht verstand. Sie sprach von dem Vampyr, der, auferstandne Leiche, umhergehe, und den Lebenden das Blut aussauge, und beschwor die Gebeine des Todten, sie wie bisher, so auch ferner vor dem Schreckniß zu schützen.« –

      Im Sommer 1814 hielt sich Elisa eine Weile mit Beuth's Mutter in Kleve auf, dann bezog sie ein Landhaus vor der Stadt, wo Lützow mit seinen Kameraden sie Abends zu besuchen pflegte; unter den schattigen, grünen Bäumen, in einer freundlichen Natur kam dort bei Elisen ein Kreis zusammen, bestehend aus Palm, Karl und Friedrich von Petersdorff, Wilhelm von Lützow und Andern, die alle noch spät mit Entzücken von der reizenden Geselligkeit erzählten, die Elisa um sich her zu schaffen, und mit dem Zauber ihres anmuthigen Geistes zu beleben wußte. Aehnliche Abende wiederholten sich etwas später in Aachen, wo sie auf der alten Ketschenburg in einem Zimmerchen, welches so

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