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Еврейские судьбы: Двенадцать портретов на фоне еврейской иммиграции во Фрайбург. Павел Полян
Читать онлайн.Название Еврейские судьбы: Двенадцать портретов на фоне еврейской иммиграции во Фрайбург
Год выпуска 2016
isbn
Автор произведения Павел Полян
Жанр Документальная литература
Издательство Автор
Клаус и Уте Тешемахер / Klaus und Ute Teschemacher
Sie begaben sich nach Hamburg, in ein großes DP-Lager, der zum Ausgangspunkt ihrer Suche nach dem Vater und seinen älteren Kindern wurde. Außerhalb des Lagers war «Jude» nach wie vor ein Schimpfwort, deswegen möchte die Mutter nicht als Jüdin identifiziert werden, wenn sie durchs Lagertor ging; der kleine Klaus wusste auch gut, dass er sein Judensein lieber nicht offenbaren musste. Zu seiner jüdischen Härtung trug der Antisemitismus als Tradition des jüdischen Lebens auch bei.
Im Lager schätzten sowohl Erwachsene als auch Kinder Freundschaft hoch ein und bildeten gerne Gruppen und Scharen, die zusammen am Rande des Erlaubten etwas machten (jedoch, auch über den Rand hinaus) Die Schar, in die Klaus aufgenommen wurde, stahl Räder von den Jeeps der Besatzungsmächte. An der 4 km vom Lager entfernten Grenze zwischen der britischen und der sowjetischen Zone wurden Bartergeschäfte zwischen den flotten Jugendlichen und sowjetischen Offizieren abgewickelt – Räder wurden gegen Lebensmittel getauscht! Das war der erste direkte Kontakt des zukünftigen Vorsitzenden der Gemeinde Freiburg mit sowjetischen Menschen und Sitten. Der Name eines unternehmerischen Majors von damals – Igor – setzt sich immer noch fest in seinem Gedächtnis.
Bald wurden die jungen Geschäftsmacher entlarvt und Geschäft wurde gestoppt.
Die Mutter wurde psychisch schwer krank – kein Wunder, wenn man bedenkt, was sie alles erlebte. Sie wurde in eine psychiatrische Klinik eingeliefert. Den 11-jährigen Klaus nahm der Onkel in Berlin auf – ein hochqualifizierter Bauunternehmer. Nach 4 Monaten kehrte die Mutter zurück in die Harzer Wohnung, und Mutter und Sohn waren wieder vereint. Ca. 1 Jahr später wurde die Mutter für längere und nicht absehbare Zeit erneut in eine Psychiatrische Anstalt eingewiesen.
Dann nahm Klaus ein anderer Onkel nach Australien, d.h. Sydney auf. Dort wurde er auch in der Großen Synagoge von Sydney Bar Mitzwa gefeiert!
Ende 1954 kehrte der Junge nach Deutschland zurück, das Schulleben nahm seinen Lauf bis der australische Onkel der Meinung war, Klaus müsse auch fließend Französisch lernen.
So ging er für ein weiteres Jahr nach Paris um sich entsprechend Sprachkenntnisse anzueignen. Bei einem nächtlichen Besuch in «Les Halles», den Markthallen von Paris, wurde der Pass entwendet, und so kehrte Klaus in den Harz zur Mutter zurück, allerdings recht abenteuerlich über die «schwarze» Grenze bei Saarbrücken.
Nach Beendigung der Schule (ohne Abitur) trat er in die Bundesmarine ein, und wurde recht bald – wegen der guten Sprachkennnisse nach USA versetzt und ein Jahr später an das Amt des Marine-attaché nach London an die Deutsche Botschaft. Etwas später auch eine Anstellung in Indien.
«Das werden wir schon sehen…»:
Freiburg und Emmendingen
In Berlin (um diese Zeit war seine Mutter bereits aus dem Krankenhaus entlassen worden) studierte Klaus wieder und erlernte neue Berufe: Tischler, Möbelverkäufer, Architekt. 1964 siedelte Teschemacher in die südbadische Stadt Lörrach um, wo er bei einem Möbelvertriebsunternehmen tätig war. Dort heiratete er, aber seine Frau verstarb 1970 und hinterließ ihm zwei Söhne. 1971 musste er sich auch von seiner Mutter verabschieden.
1972 setzte Teschemacher sein Studium fort – zuerst in Freiburg, in der pädagogischen Hochschule (Theologie, Soziologie und Psychologie), dann an der Universität Tübingen (Sonderpädagogik, d. h. die Kunst, kranke und behinderte Kinder zu lehren, und Judaistik). Die letzten Semester verbrachte er in Jerusalem (Holocaust-Studien) und dann wieder in Freiburg (Geschichte und Völkerkunde).
1979 siedelte Klaus nach Emmendingen um, wo er bis 1996 an einer Schule in mehreren Fächern Unterricht erteilte. Hier, in Emmendingen, heiratet er wieder, Klaus und Uta bekommen eine Tochter.
Seit 1972 ist Klaus Teschemacher mit der Israelitischen Gemeinde Freiburg verbunden. Damals zählte die Gemeinde um die 200 Mitglieder, u.a. einige derjenigen, die diese Gemeinde 1945 neu gründeten. Alle sieben Wochen wurden sie vom liberalen Rabbiner Levinson besucht, der sieben badische Gemeinden betreute. Der Oberkantor Blumberg erschien häufiger – alle zwei Wochen. Wenn er fehlte, trat Schnurrmann vor die Tora: er sang und las aus der Tora vortrefflich vor. Jedes Mal herrschte aber Unsicherheit darüber, ob am Schabbat ein Minjan anwesend sein wird. Deswegen waren die Voraussetzung zur Mitgliedschaft in der Gemeinde nicht so streng – sowohl für Männer als auch für Frauen. Sonst würde sicher nie ein Minjan zusammenkommen.
1977 zeigte Altmann, der damalige Vorsitzende der Freiburger Gemeinde, Klaus das Modell der neuen Synagoge. Sie hatte unglaubliche 120 Plätze! Teschemacher konnte sich das Lachen nicht verkneifen. «Das werden wir schon sehen», erwiderte der alte Altmann mit einem Lächeln.
Das neue Synagogengebäude wurde 1987 eröffnet. Im Gebetssaal versammelten sich alle Obrigkeiten: der Oberbürgermeister, christliche Geistliche, Vertreter diverser Gesellschaften. Juden waren durch höchstens zwei bis drei Personen vertreten: den Landesrabbiner, den Oberkantor. Die restlichen Juden (unter ihnen auch der Assistent von Heinz Galinski) wurden im Sitzungssaal (jetzt Gertrud-Luckner-Saal) untergebracht, wo das Geschehen live ausgestrahlt wurde. Klaus war darüber so verärgert, dass er hatte sogar vor, aus der Gemeinde auszutreten!
Das Synagogengebäude war wirklich groß und schön, nur wirkte es als ein Mausoleum, denn abgesehen vom Schabbat wurde es lediglich einmal wöchentlich für die Vorstandssitzungen um 45 Minuten genutzt. Das war alles! Dann meinte Teschemachers Frau zu ihm: «Meckere nicht herum, mache etwas, damit es anders wird!» Danach trat Teschemacher bei der Vorstandswahl an und gewann sie. In den Vorstand gewählt wurden außer ihm Frau Soussan, die Frau des Rabbiners, und D-r Farrokpur. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Gemeinde immer noch ungefähr 200 Mitglieder.
Die Vorstandswahl fand am 6. Dezember 1990 statt, und nach genau einer Woche – am 13. Dezember – erschien die Familie von Wadim Hersonski vor Klaus: Wadim selbst, seine Frau, der Sohn und die Tochter. In Moskau haben sie einen Austauschschüler aus Lörrach aufgenommen und boten sich dann alle für einen Gegenbesuch an. Nun sind sie hier und wollen nicht zurück in die UdSSR, wo Antisemitismus und Vorpogromstimmungen angeheizt werden.
Und dann ging es los – eine Familie nach der anderen: Ingenieure, Lehrer, Buchhalter – alle möglichen Leute! Eines nach dem anderen füllten die Juden Wohnheime in Freiburg und Umgebung (Kenzingen, Weil, Rheinfelden, Rheinweiler, Bad-Krozingen). Einem quellten damals natürlich fast die Augen aus den Höhlen, aber dank der Unterstützung durch die Stadtbehörden wurden nach und nach neue Wohnungen gefunden (die französischen Kasernen wurden eben frei) und andere Fragen geklärt, vor allem Status– und Visafragen. Eine große Hilfe war der Gemeindebus, mit dem alle Willigen zum Gebet, zum Einkaufen und zu den Stadtämtern gebracht wurden.
Für Teschemacher selbst bestand die Schwierigkeit darin, dass er bis 1996 die Tätigkeit in der Gemeinde mit der Arbeit an der Schule kombinierte. Der Arbeitstag dauerte nahezu rund um die Uhr!.. Allerdings war diese Arbeit inspiriert und gottgefällig: nicht nur die soziale Arbeit, sondern auch das Kulturleben (Konzerte, Ausstellungen, Arbeitsgemeinschaften, Aufstockung der Bibliothek) in der Gemeinde wurden auf ein neues Niveau erhoben.
Selbstverständlich war bei weitem nicht alles erfreulich. Einmal ging Klaus zusammen mit einer Familien in ein Lebensmittelgeschäft und war erschüttert, als er sah, dass diese Leute Schweinewurst kauften. Das war ein traumatisches Erlebnis für ihn, aber dadurch begann er das Phänomen «sowjetische Juden» besser zu verstehen.
Übrigens wurde die Kaschrut in der Gemeinde Freiburg streng genommen nicht eingehalten. Die nächst gelegenen koscheren Läden befanden sich in Straßburg und Basel und waren extrem teuer. Die Freiburger Gemeinde konnte sich koschere Würstchen nur einmal im Jahr, zu Rosch