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Onnen Visser. Sophie Worishoffer
Читать онлайн.Название Onnen Visser
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Sophie Worishoffer
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Er streckte sich, schüttelte dem Alten die Hand und hatte binnen wenigen Minuten seines Vaters Haus erreicht. Frau Douwe küßte ihren einzigen mit mütterlicher Liebe. »Sollst gleich Kaffee haben, mein Junge! Die Franzosen finden zwar viel, aber doch, Gott sei dank, noch lange nicht alles.«
An Bord der »Taube« herrschte seltsames Treiben.
Zwei mit Nachtfernrohren versehene Männer hielten scharfen Ausguck, zwei andere standen am Mast, um jeden etwa gegebenen Befehl sogleich vollziehen zu können, während sechs Fischer damit beschäftigt waren, sich äußerlich unkenntlich zu machen, indem sie Kapuzen aus schwarzem Segeltuch über die Köpfe banden und um den Hals herum befestigten.
Nur Augen und Mund sahen aus dieser Teufelsmaske hervor, sonst waren alle Teile des Kopfes vollständig verborgen. »Für euch liegen die Kapuzen hier«, sagte einer der Männer zu denen am Ausguck und am Steuer. »Daß ihr eure Gesichter nicht sehen laßt!«
»Haltet Ihr denn die Gefahr heute abend besonders groß, Heye Wessel?«
Der Gefragte zuckte die Achseln. »Wenn nun Doppelposten ausgestellt wären?« versetzte er. »Man kann nie in die Zukunft sehen.«
»Ein Kanonenboot in Sicht!« meldete mit leiser Stimme der Mann am Ausguck.
Kapitän Visser ergriff eiligst das Fernrohr. »Ein englisches«, sagte er aufatmend. »Das ist gut, es zeigt uns wenigstens sogleich an, wenn sich etwa Franzosen nähern sollten, und verschafft uns dadurch Zeit zur Flucht.«
Ein blaues Licht blitzte hart backbord von der »Taube« aus der Finsternis auf, der Gegengruß erfolgte in ähnlicher Weise und geräuschlos, wie es gekommen war, glitt das englische Fahrzeug vorüber, so den Schmugglern den Weg zum Wattstrande freihaltend, gleichsam ihr Vorläufer zum sicheren Ziel.
In den schwedischen und schleswigschen Häfen lagen damals Hunderte von Kauffahrteischiffen, die ihre Ladung, der Kontinentalsperre wegen, nicht löschen konnten und die daher, wenn sie nicht Zeit und Geld verlieren wollten, lediglich auf die Schmuggler angewiesen waren. Napoleon befahl und seine Schergen, zum Teil Wüteriche wie Davoust und Vandamme, führten auf das schonungsloseste diese widerrechtlichen Anordnungen aus, ohne im allermindesten zu beachten, daß dadurch ganze Völkerschaften geschädigt, ganze Gewerbe vernichtet wurden. So erklärte z. B. der Gewalthaber alle Schiffe, die sich mit Kolonialwaren beladen in den deutschen Flüssen fanden, einfach für konfisziert.
Immer aber, immer und überall in der Welt stellt sich dem Mißbrauch einer Macht die Umgehung, die List entgegen. Was Hände besaß, das schmuggelte; hoch und niedrig, jung und alt, nicht am wenigsten die Franzosen selbst, sobald es galt, Seidenstoffe, Samt oder sonstige Wertsachen heimlich auf die Seite zu bringen.
Die öffentliche Moral war verdorben durch das Beispiel von oben; man hatte den Norderneyer Schiffskapitänen ihr ehrliches Gewerbe entrissen, also schmuggelten sie wie alle übrigen auch. Als ein einziges Mal der Prediger des Dorfes gegen dies Unwesen seine Stimme erhob und den Spruch: »Gebet dem Kaiser, was des Kaisers ist!« den verwegenen Paschern zu bedenken gab, da hatten sie ihm geantwortet: »Der Kaiser ist nicht unser Landesherr, sondern ein hereingebrochener fremder Räuber!« – und seitdem wurde von der Sache nicht wieder gesprochen.
2
Die »Taube« glitt vor frischer Brise dem Lande entgegen. Jetzt war man nahe am Ziel; zwischen der Küste und der Schaluppe befand sich kein Fahrwasser mehr, in welchem noch ein französisches Kanonenboot hätte treiben können – die nötigen Vorsichtsmaßregeln galten daher nur noch der bevorstehenden Landung.
Alle Männer trugen die schwarzen Larven; eine Anzahl Seile und Streifen von altem Segeltuch wurden bereitgehalten.
Die Schaluppe hatte volle Ladung und sogar darüber, sie ging daher sehr tief, so daß der scharfe Kiel schon den Sand des Ufers streifte, ehe noch jemand in den bewegten Fluten Fuß fassen konnte. Das Boot wurde ausgesetzt, die Anker herabgelassen, und während zwei von den Fischern in der Schaluppe blieben, schlichen die übrigen nach links und rechts durch die Dünen.
Heute galt es einen verwegenen Handstreich auszuführen.
Am Strande schritt ein französischer Zollwächter gelangweilt auf und ab. Mit eintönigem Klatschen schlugen die Wellen gegen das flache Ufer, Möwen schrien und der Wind strich kalt über das Wasser daher; den Sohn des wärmeren Himmelsstriches fror es, er gedachte seines schönen Landes und schauderte im Angesichte der kahlen nordischen Küste, des Bildes, das ewig das gleiche blieb, jahraus, jahrein – ewig das gleiche.
Hinter ihm erklangen Schritte; er legte im Fluge das Gewehr an und spähte scharf in die Dunkelheit hinaus.
»Wer da?«
»Sei doch still, Dummkopf!«
»Ah – Perrier, du bist es! Aber wenn der Leutnant käme?«
»Er ist fort!« frohlockte der andere. »Die Offiziere gähnen sich auf dieser Sandscholle zu Tode – dafür haben wir desto größere Freiheiten. Man kann wenigstens plaudern.«
Die beiden Soldaten setzten sich auf den Rand einer niederen Düne. »Lorrain«, flüsterte der zuletzt gekommene, »ich möchte dir einmal einen Vorschlag machen.«
»Gib mir lieber einen Schluck Branntwein.«
»Da nimm, du Schlauch! und jetzt höre mich an. Hier in den Dünen soll ein Warenlager versteckt sein – wenn man es fände!«
»Hm, das wäre verteufelt angenehm. Man löst einen Lizenzschein und verkauft die Geschichte für ein Ei und ein Butterbrot.«
»Um dabei selbst tüchtig zu gewinnen. Wollen wir einmal die Dünen durchsuchen, du und ich?« Lorrain schüttelte den Kopf., »Weißt du denn die Stelle, Perrier?«
»Ziemlich sicher wenigstens. Unter uns – der Peter Witt hat mir einen Wink gegeben! Er fand eine Schlucht, wo größere Vorräte gelagert haben müssen, alle vorhandenen Zeichen verrieten es, aber nun war das Nest leer, die Pascher haben ohne Zweifel ihre Beute auf dem Festlande in Sicherheit gebracht.«
»Natürlich, natürlich. Man muß sie ganz ungestört lassen, damit neue Vorräte herbeigeschafft werden.«
»Das denke ich auch. Die ›Taube‹ des alten Klaus Visser ist heute ausgelaufen, angeblich zum Fischen, aber Peter Witt glaubt, daß wieder eine Ladung Kolonialwaren geborgen werden soll – du, er sitzt in der Nähe des Versteckes auf der Lauer!«
»Und gibt uns ein Zeichen?« rief Lorrain.
»Pst! Er merkt sich den Ort, das ist alles. Morgen, wenn die Schmuggler abgezogen sind, bewacht einer von uns ihre Niederlage und der andere löst bei dem Präfekten in Norden den Lizenzschein. Wir haben das Geld so gut wie in der Tasche.«
»Müssen aber dem langen Esel, der den ganzen Tag mit seinem Orden liebäugelt, eine tüchtige Abgabe zahlen, nicht wahr?«
»Gar nichts!« raunte in vergnügtem Tone der andere, »gar nichts, du! Er begnügt sich mit der Ehre. Sein Rock hat ja noch mehr Knopflöcher, als nur das eine, weißt du, und für so ein buntes Ding verrät dieser Mensch seinen Herrgott und sein Vaterland!«
Sie lachten beide, sie hatten sich in ihre angenehmen Hoffnungen auf Beute dermaßen vertieft, daß es ihnen vollständig entging, als von den höher gelegenen Dünen mehrere dunkle Gestalten langsam herabkletterten. Sowohl Lorrain wie Perrier hielten die Gewehre zwischen den Knien und den Rücken in bequemer Stellung gebogen, sie sprachen von der Möglichkeit, morgen einige hundert Taler in die Tasche stecken zu können, während ihnen ungesehen der Feind immer näher rückte.
Vier Arme erhoben sich geräuschlos, ein dunkler Gegenstand schwebte in der Luft und fiel dann gedankenschnell herab auf die Köpfe der beiden Zollbeamten. Erstickte Laute wurden gehört, Lorrain kämpfte wie ein Verzweifelter gegen den Knebel, welchen ihm Heye Wessel, der Riese, in den Mund stopfte, während Klaus Visser seinen Genossen überwältigte.
Perrier setzte sich in keiner Weise zur Wehr, er stieß vielmehr dem anderen fortwährend in die Rippen, um ihm zu sagen: »So laß doch alles geschehen! Die Leute bringen ja ihr Eigentum zu unserem Vorteil an Land, sie wissen nicht, daß wir ihr Versteck