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Waldröschen I. Die Tochter des Granden. Karl May
Читать онлайн.Название Waldröschen I. Die Tochter des Granden
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Karl May
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
»Also fünf werden es gewesen sein. Denke dir, der erste sei dort der Uhrkasten, der zweite der Kleiderschrank, der dritte der Blumentisch, der vierte die Astrallampe hier und der fünfte der Koffer dort in der Ecke. Verstanden?« – »Sehr gut, lieber Alimpo.« – »Schön! Also die fünf Mörder haben wir. Wir brauchen also nur noch den Doktor Sternau, den sie ermorden wollen, und die gnädige Condesa. Señor Sternau bin ich, und Condesa Rosa bist du, meine gute Elvira. Verstanden?« – »Gut! Die gnädige Condesa Rosa bin ich!«
Bei diesen Worten richtete sich die dicke Kastellanin möglichst empor und gab sich Mühe, sich in eine gräfliche Positur zu werfen.
»Nun gehe ich, Doktor Sternau, auf die Jagd«, fuhr der Kastellan fort, »und komme jetzt wieder zurück, indem ich die Doppelbüchse auf der Schulter habe.«
Bei diesen Worten legte er den Borstenbesen über die Schulter und erklärte weiten
»Da treffe ich im Park dich, meine liebe Elvira, nämlich unsere gnädige Gräfin Rosa. Ich mache ihr natürlich eine Verbeugung und sie mir auch.«
Bei dieser Erklärung machte er seiner Frau ein sehr tiefes und ehrfurchtsvolles Kompliment, und sie versuchte, ihren starken Körper ebenfalls zu einer Verneigung zu zwingen. Dann fuhr er fort:
»Indem wir uns verneigen, werde ich von fünf Mördern angefallen. Der erste, also der Uhrkasten, kommt auf mich zugesprungen, ich aber reiße mein Gewehr von der Schulter und schieße ihn mit dem einen Lauf tot – puff!«
Bei diesen Worten nahm er den Besen von der Schulter, legte ihn an, zielte und schoß mit dem Mund. Darauf erklärte er weiter:
»Jetzt kommt der zweite, also der Kleiderschrank, mit dem Messer auf mich zu. Ich aber schieße ihn nieder – puff. Nun kommt der dritte, der Blumentisch, auf mich zu. Ich habe keinen Schuß mehr und muß ihn also mit dem Kolben erschlagen.«
Er drehte den Besen um und versetzte dem Tisch einen Hieb.
»Jetzt kommt der vierte, nämlich die Astrallampe. Ich habe keinen Schuß mehr, und die Lampe ist mir bereits so nahe, daß ich mit dem Kolben gar nicht ausholen kann, ich muß ihr also mit der Faust so eins versetzen, daß sie in Ohnmacht fällt, ungefähr so…«
Alimpo faßte die Lampe mit der Linken, holte mit der Rechten aus und schlug zu – klirr prasselten die Scherben zur Erde nieder. Der gute Kastellan war durch seine Phantasie verleitet worden, aus dem Gebiet des Figürlichen auf dasjenige des Wirklichen überzugehen.
»Aber, lieber Alimpo«, meinte die Kastellanin, »was machst du denn da für Dummheiten?« – »Sei still, meine gute Elvira«, antwortete er. »Du bist jetzt die gnädige Condesa Rosa, und die hat über diese Lampe gar nichts zu sagen. Ich mußte ja den vierten erschlagen, weil er mich mit dem Messer in den Arm gestochen hat.« – »Recht hast du eigentlich«, gab sie zu, »aber schade ist es dennoch um die schöne Lampe. Und weil du sie für unseren lieben Señor Sternau erschlagen hast, so mag es für dieses Mal hingehen.« – »Ja, Elvira, nur für ihn habe ich sie erschlagen. Und für ihn würde ich noch ganz andere Dinge erschlagen. Ich hatte ja im Park mich bereits mit vier Messern bewaffnet, um die Kerle zu erstechen.« – »Du?« fragte sie ganz erstaunt. – »Ja, ich, dein Alimpo!« antwortete er stolz. – »Heilige Madonna! Vier Messer! Wen wolltest du denn erstechen?« – »Die entflohenen Mörder, wenn sie zurückgekommen wären.« – »Mein Gott!« rief sie, die Hände zusammenschlagend. »Mensch! Mann! Alimpo! Du bist ja der reine Wüterich. Du dürstest nach Blut! Höre, ich darf dich nicht mehr aus den Augen lassen, denn dein Temperament wird mir zu tapfer und verwegen.« – »Ja, das braucht man auch!« antwortete er, indem er sich mit einer sehr martialischen Gebärde die beiden Bartflocken strich, die gerade unter der Nase über seinen Mund herabhingen. Die Spitzen des Schnurrbarts trug er abrasiert. »Gehe einmal hinauf in die Rüstkammer, liebe Elvira, und hole mir das Schwert des alten Ritters Arbicault de Rodriganda herunter.« – »Das Schwert? Das große, ungeheure Schwert?« fragte sie erstaunt. »Warum denn?« – »Weil ich heute nacht den Gefangenen zu bewachen habe.« – »Bist du toll?« rief sie. »Den Gefangenen willst du bewachen? An seine Tür willst du dich stellen, mit dem Schwert in der Hand? Wenn er nun ausbricht! Willst du denn geradezu in den Tod gehen? Willst du dich denn mit aller Gewalt für die anderen aufopfern, mein guter Alimpo?« – »Nein, das fällt mir nicht ein. Aber hole nur das Schwert herab! Ich werde den Gefangenen unten im Gewölbe mit dem Schwert hier in meiner Stube bewachen. Bricht er ja aus, so sieht er mich nicht Und kommt er ja in die Stube, so wird er das Schwert erblicken und entfliehen, wenn er nicht ganz und gar blutdürstig ist. Übrigens werde ich jetzt in Begleitung der Knechte einmal hinabgehen, um nachzusehen, ob die Riegel fest vorgeschoben sind.«
Alimpo ging und ahnte nicht daß es Leute gab, vor denen diese Riegel nicht sicher waren.
Um dieselbe Stunde kam Condesa Rosa ganz atemlos vor freudiger Überraschung zum Grafen, bei dem sich Sternau befand.
»Mein Vater, ich habe dir eine rechte frohe Kunde zu bringen«, sagte sie. »Soeben empfing ich einen Brief, den ich dir vorlesen muß.« – »So lies, wenn es Señor Sternau erlaubt«, sagte er freundlich lächelnd. »Oh, Señor erlaubt es. Höre also!« antwortete sie und las folgende Zeilen:
»Meine teure Rosita!
Gleich nach meinem gestrigen Brief muß ich dir diese Zeilen senden. Vater ist als Konsul nach Mexiko designiert. Er muß schleunigst hinüber, und ich begleite ihn natürlich. Vorher aber muß ich dich noch einmal sehen. Ich komme nach Rodriganda und werde übermorgen da eintreffen. Kannst du, so hole mich in Pons ab, wo ich eine halbe Stunde ruhen werde. Vermelde dem gnädigen Grafen meinen Respekt und sei herzlich gegrüßt von deiner Amy Lindsay.
Ist das nicht eine große und angenehme Überraschung, mein Vater?« fragte die Vorleserin. – »Allerdings, mein Kind«, antwortete er. Und sich an den Arzt wendend, sagte en »Miß Amy Lindsay ist nämlich die Tochter von Sir Henry Lindsay, Graf von Nothingwell, der längere Jahre in Madrid lebte, wo sich die Damen kennenlernten.« – »Erlaubst du, daß ich morgen früh nach Pons fahre, um sie abzuholen?« fragte Rosa den Grafen. – »Gern!« antwortete dieser. »Habe ich recht gehört, so ist morgen Jahrmarkt in Pons. Es wird gut sein, den Kastellan mitzunehmen, mein Kind.« – »Das wird ein sehr mutiger Kavalier und Beschützer sein«, lachte sie.
Gern hätte Sternau seine Begleitung angeboten, doch einesteils hätte das nicht mit dem gesellschaftlichen Verhältnis im Einklang gestanden, und andernteils konnte er seinen Patienten nicht verlassen; darum blieben seine Worte, die ihm bereits auf den Lippen schwebten, unausgesprochen.
Kurze Zeit später, als alles sich zur Ruhe begeben hatte, schlichen sich zwei Männer hinab nach dem Gewölbe, in das man den Gefangenen eingesperrt hatte. Es waren der Graf Alfonzo und der Notar Cortejo. Vor der Tür des Gewölbes standen zwei Diener, denen die Aufgabe zugefallen war, den Räuber zu bewachen. Unten angekommen, blieb der Notar zurück, während der Graf einen lauten Schritt annahm, so daß die Wächter sein Kommen hörten. Sie saßen mürrisch am Boden und hatten eine Laterne brennen. Als sie ihren jungen Herrn erkannten, erhoben sie sich ehrfurchtsvoll.
»Hier hinter dieser Tür steckt der Kerl?« fragte Alfonzo. – »Ja«, antwortete der eine. – »Ich hoffe, daß ihr gute Wache haltet! Laßt ihr ihn entkommen, so dürft ihr auf keine Nachsicht rechnen! Gebt einmal die Laterne her!«
Er tat, als ob er sich seine verlöschte Zigarette anbrennen wolle, griff jedoch absichtlich nicht richtig zu und stieß dem Diener die Laterne aus der Hand, so daß diese zur Erde fiel und zerbrach.
»Ungeschickter!« zürnte er. »Hebe die Laterne auf, ich werde Licht machen.«
Dabei aber bückte er sich schnell zu Boden und hob die Laterne unbemerkt auf. Während die Diener nun vergeblich umhertasteten und er laut mit ihnen zankte, schlich der Notar herbei, öffnete geräuschlos die Tür des Gewölbes und trat hinein. Graf Alfonzo stellte sich so, daß die Diener nichts bemerken konnten, und als er einige Augenblicke später die Hand des Notars auf seiner Schulter fühlte, zum Zeichen, daß ihr Vorhaben gelungen sei, setzte er die Laterne leise auf den Boden nieder und trat zurück.
»Nun, soll ich vielleicht selbst mit suchen