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geraten sei. Ich sah Gewehrläufe, die auf uns gerichtet waren, aus den Eingängen ragen. Gingen wir jetzt weiter vor, so konnten wir niedergeschossen werden, ohne die Sicherheit zu haben, auch nur einen einzigen Schwarzen zu treffen. Darum ging Agadi allein nach derjenigen Hütte, welche die größte war und in welcher wir den Anführer vermuteten. Er schwenkte einen Palmenzweig in der Hand, überall, wo es Palmen giebt, eine Zeichen, welches eine friedliche Absicht bedeutet.

      Bei dem Feuer angekommen, blieb er stehen. Er sprach gegen den Tokul; wir hörten eine antwortende Stimme. Die Worte gingen eine Zeit lang herüber und hinüber; dann kamen zwei Schwarze aus der Hütte. Sie waren nicht bewaffnet, traten zu Agadi und redeten mit ihm. Ihre Mienen, ihre Bewegungen dabei ließen auf keine feindseligen Absichten schließen. Endlich deuteten sie nach der Hütte, in welcher auch ein Feuer brannte, denn wir sahen den Rauch aus der obern Oeffnung steigen. Sie luden ihn ein, mit ihnen hineinzugehen. Ich wollte ihm zurufen, dies nicht zu thun, unterließ es aber, um sie nicht mißtrauisch zu machen. Er folgte ihrer Aufforderung.

      Nun vergingen zehn Minuten, eine Viertelstunde, ohne daß er wiederkam. Aus der Viertel- wurde eine halbe Stunde, und noch immer ließ sich niemand sehen. Die Neger steckten in ihren Tokuls und kamen nicht heraus. Die Feuer, welche nicht genährt wurden, brannten immer niedriger. Das mußte Bedenken erregen. Warum kam Agadi nicht wenigstens auf einen Augenblick heraus, um uns zur Geduld zu mahnen? Wenn wir warteten, bis die Feuer verlöschten, gaben wir den einzigen Trumpf, den wir jetzt hatten, aus der Hand. Ich rief den Namen Agadi einigemale, doch vergeblich. Ich rief ihm zu, daß er antworten möge. Da klang seine Stimme aus der Hütte: »Effendi, ich bin gefangen, weil man dich für Ibn Asl hält; sie glauben es mir nicht.«

      »Ist der Anführer im Tokul bei dir?«

      »Ja.«

      »Er mag mit dir herauskommen. Ich will mit ihm reden!«

      Er antwortete nicht. Es vergingen einige Minuten; dann sah ich ihn aus der Thüre treten. Die Hände waren ihm auf den Rücken gebunden, und außerdem hing er an einem Stricke, welcher in das Innere der Hütte reichte. Man konnte ihn an demselben augenblicklich hineinziehen.

      »Nun?« fragte ich. »Wo ist der Häuptling?«

      »Im Tokul. Er kommt nicht heraus. Ich soll dich auffordern, dich augenblicklich zu entfernen.«

      »Und wenn ich es nicht thue?«

      »So wird man uns erschießen. Und wenn du nicht gehst, zieht man mich an dem Stricke zurück und ermordet mich.«

      »Und wenn wir gehen, was wird dann?«

      »Es soll darüber beraten werden.«

      »Wann sollen wir das Resultat der Beratung hören?«

      »Morgen.«

      »Warum erst dann? Du weißt, wie kostbar unsere Zeit ist. Wie und wo sollen wir es erfahren? Hast du etwa gesagt, wo sich unser Boot befindet?«

      »Nein. Ich sagte, daß ich die Stelle zwar wisse, aber sie doch nicht beschreiben könne. Vielleicht überzeuge ich sie noch, daß du nicht Ibn Asl bist. Gehe zurück, und warte still bis morgen. Versuche jetzt nicht, mich zu befreien. Es würde mein augenblicklicher Tod sein.«

      »Ich werde überlegen, was zu thun ist, und mich jetzt zurückziehen. Aber sage dem Häuptling folgendes: Ich werde schon beim Anbruch des Tages wiederkommen und mir Antwort holen. Erzähle ihm, was du von mir weißt, und teile ihm mit, daß, wenn dir nur ein einziges Haar gekrümmt wird, er es unbedingt mit seinem Leben bezahlen muß.«

      Ich drehte mich um und entfernte mich mit meinen Asakern, doch nicht weit. Sobald uns der Schein der Feuer nicht mehr traf, blieben wir stehen. Als ich jetzt zurückblickte, sah ich Agadi im Eingange des Tokul verschwinden.

      »Er ist verloren,« sagte einer der Soldaten. »Sie halten ihn für einen Verräter, für den Verbündeten von Ibn Asl. Da sie denken, daß du der Sklavenjäger bist, so werden sie bemüht sein, uns zu entkommen. Sie werden sich also heimlich davonschleichen und Agadi vorher umbringen.«

      »Daß sie die Absicht haben werden, sich davon zu machen, das glaube ich auch. Aber wir werden sie hindern. Wir umzingeln das Lager.«

      »Das hilft uns nichts. Wir könnten zwar einige erschießen, aber doch nicht alle.«

      »Wenn sie fort wollen, müssen sie uns alle vor die Flinten kommen. Denke nur nach! Sie wohnen am Flusse und lagern jetzt am Maijeh. Der Wald ist undurchdringlich. Auf welchem Wege werden sie hierhergekommen sein? Etwa durch den Wald?«

      »Schwerlich. Sie wollen Nilpferde jagen und wohl auch fischen. Sie sind auf dem Wasser hierher gekommen.«

      »Einverstanden! Also wissen wir, was wir zu thun haben. Wir sahen ihre Boote nicht; sie haben sie versteckt, jedenfalls nicht weit von hier, und zwar in der Nähe des Nilpferdpfades, da man auf demselben am leichtesten nach dem Wasser kommt. Wenn wir ihnen diesen Weg abschneiden, können sie nicht fort. Wir sind acht Personen; das giebt vier Doppelposten, je einen im Norden, Süden, Osten und Westen des Lagers. Wir stellen uns am Rande der Lichtung auf, um, wenn der Mond nachher kommt, im Schatten sein zu können. Wollen die Neger auf einer Seite durchbrechen, so ruft der betreffende Posten. Wir andern hören es und eilen hinzu. Das ist alles, was wir zu thun haben. Die alten, schlechten Gewehre der Neger brauchen wir nicht zu fürchten. Kommt! Ich werde euch eure Plätze anweisen.«

      Indem wir leise und langsam um das Lager schritten, ließ ich in der angedeuteten Weise drei Doppelposten hinter mir zurück. Der vierte bestand aus dem siebenten Askari und mir selbst. Ich hatte die südliche Stellung gewählt, weil da der Nilpferdpfad nach dem Maijeh führte und dies die Richtung war, in welcher wir ein Davonschleichen der Neger erwarten konnten.

      Wir beide legten uns auf die weiche Erde. Es war unter den Palmen so dunkel, daß man uns nur dann gewahren konnte, wenn man über uns hinwegstolperte. Die Lagerfeuer verlöschten eins nach dem andern; als das letzte verglommen war, lagen auch die Tokuls in tiefer Finsternis. Es herrschte dort eine tiefe Stille. Auch die Tierwelt schlief, und kein Lüftchen regte sich. Die Tierwelt, ja, aber nicht die ganze. Myriaden von Leuchtkäfern zuckten unter den Wedeln der Palmen hin, und aber Myriaden Stechmücken fielen über uns her. Die lieben Tierchen sollten sich heute abend leider in uns täuschen. Es giebt nämlich in den Zuflüssen des oberen Niles eine kleine, ein- und linsenblätterige Wasserpflanze, welche gar keinen Geruch zu haben scheint, aber wenn man sie zerdrückt oder gar zerreibt, einen wahrhaft mephitischen Duft entwickelt. Wir waren am Nachmittage durch eine schwimmende Kolonie solcher Wasserpflanzen gerudert und hatten einige Handvoll von ihnen in das Boot geschöpft. Als wir dann ausgestiegen waren, hatten wir uns alle die Hände und die Gesichter mit ihnen eingerieben. Dies scheuchte jede Fliege, jede Mücke von uns fort.

      Ich kenne keinen Gestank, welcher demjenigen dieser Sitt ed dschami el minchar gleicht. Wenn trotzdem ein Mensch, zumal ein Europäer, diese Qual derjenigen der Stechfliegenplage vorzieht, so kann man sich eine Vorstellung von der letzteren machen. Wird das Gesicht nicht durch ein Netz geschützt, so kann man es nach kurzer Zeit schon fast nicht mehr für ein menschliches halten. Es schwillt von dem Mückengifte an; die Augen verschwinden unter der Geschwulst; die Lippen werden zu förmlichen Wülsten, und die Nase verwandelt sich in einen blauroten Klumpen. Und wehe nun gar der Zunge, wenn es einer oder einigen Mücken gelingt, in den Mund zu kommen! Sie schwillt so an, daß sie fast die ganze Mundhöhle füllt, und wird unbeweglich. Das Sprechen wird zum unbeholfenen Lallen. Ebenso ist es auch mit den Ohren, deren Eingänge sich schließen, so daß man für lange Stunden taub geworden ist. Da läßt sich der Geruch der erwähnten Wasserpflanze doch noch leichter ertragen.

      Und dazu waren wir gezwungen, weil wir die Mosquitonetze im Boote zurückgelassen hatten, da sie uns bei dem, was wir vorhatten, hinderlich gewesen wären.

      So lagen wir eine ganze Weile, wohl eine halbe Stunde lang. Da wurden die bis jetzt so hellen Sterne bleicher, der Himmel im allgemeinen aber heller, denn der Mond ging auf. Er warf da, wo die Palmenkronen Lücken ließen, silberne, zitternde Lichter durch das Dunkel des Waldes, welche die wie Edelsteine flammenden Glühwürmer an sich lockten.

      Da ertönte rechts von uns ein leises Geräusch.

      »Hörst du, Effendi?« fragte mein Gefährte. »Was mag das sein?«

      »Es

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