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Im Lande des Mahdi I. Karl May
Читать онлайн.Название Im Lande des Mahdi I
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Karl May
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Dieser Mensch war mir augenblicklich im höchsten Grade widerwärtig. Er hatte das, was der Deutsche ein Ohrfeigengesicht nennt, das heißt ein Gesicht, bei dessen Anblick es einem in den Händen zuckt, obgleich man den Mann zum erstenmale sieht und also von ihm noch gar nicht beleidigt worden sein kann. Ich ahnte in diesem Augenblicke nicht, wie gerechtfertigt dieser mein instinktiver Widerwille war, und konnte noch viel weniger wissen, daß es ihm und mir beschieden war, wiederholt und höchst ernstlich aneinander zu geraten.
Als er herzugetreten war, erhoben sich, mit nur einigen Ausnahmen, die Anwesenden von ihren Sitzen, um sich tief zu verneigen und dabei die Hände auf Herz, Mund und Stirne zu legen. Er antwortete nur mit einem kaum wahrnehmbaren Neigen seines Kopfes, ging zwischen ihnen hindurch und verschwand durch die mehr erwähnte hintere Thüre, nachdem er vorher dem kleinen schwarzen Kellner einen Wink gegeben hatte. Ich sah, daß das Gesicht des Knaben einen angstvollen Ausdruck angenommen hatte; er blickte hinüber zu seiner Schwester, welche darauf zögernd zu ihm kam. Ich sah Thränen in ihren Augen; ich bemerkte sogar, daß sie zitterte. Er nahm sie bei der Hand und ging mit ihr zu derselben Thür hinaus.
Sollte dieser Mann vielleicht Abd, el Barak sein? Gewiß! Er kam, um die Einnahmen der Kinder zu revidieren. Ich horchte gespannt nach hinten; es war, als sagte mir eine Ahnung, daß ich jetzt gebraucht werde. Ich fragte mich nicht, ob ich ein Recht oder gar eine Pflicht besäße, mich gegebenen Falls einzumischen; es war wie ein Naturgesetz in mir, dem ich mich zu überlassen hatte.
Da drang etwas wie ein ängstliches Wimmern an mein Ohr. Ich sprang auf und stand im nächsten Augenblicke unter der Thüre. Hinter derselben lag ein winzig kleiner Hof. Da stand dieser Mensch; er hatte Djangeh mit beiden Händen bei den Haaren gepackt und hielt sie in die Höhe; sie wagte nicht, ihren Schmerz lauter als durch ein nur mit Mühe unterdrücktes Wimmern zu äußern. Vor ihm kniete der Knabe und rief flehend.
»Laß sie los; laß sie los; ich will für sie bezahlen!«
Der Kerl schwang dennoch das Mädchen an den Haaren hin und her und fragte dabei ihren Bruder, indem ein höhnisches Grinsen sein Gesicht verzog:
»So hast du also doch mehr Geld, als du sagtest? Ich dachte es mir. Her damit! Und wenn du – —«
Er hielt inne, denn er sah mich, weil ich schnell herbeigetreten war. Indem er das arme Kind noch immer nicht sinken ließ, fuhr er mich an- »Wer bist du? Was willst du hier?«
»Gieb das Kind los, und zwar augenblicklich!« antwortete ich.
Er fletschte die Zähne wie ein Raubtier, doch ich beachtete das gar nicht, sondern versetzte ihm, da er meiner Forderung nicht schnell nachkam, einen Fausthieb gegen die Brust, daß seine Finger sich öffneten und das Mädchen zu Boden fiel, wo sie liegen blieb, weil sie vor Angst sich nicht zu bewegen wagte. Er trat zwei Schritte zurück, duckte sich nieder, ballte die Fäuste und wollte sich auf mich werfen.
»Halt!« rief ich ihm zu. »Darf ein Nachkomme des Propheten sich bei einer Balgerei betreten lassen?«
Das wirkte im Moment. Er fuhr aus seiner zusammengezogenen Stellung empor; aber was für ein Gesicht sah ich da vor mir! Es spottete der Beschreibung. Das Blut war aus demselben gewichen, und darum hatte sich seine ursprüngliche Färbung in eine schmutzig graue verwandelt. Seine Lippen waren geöffnet und ließen zwei Reihen langer, gelber Zähne sehen; seine Augen funkelten, und sein Atem drang fast röchelnd aus der Kehle.
»Hund!« zischte er mich an. »Du hast dich an einem Scherif [Arab,der Erhabebe,Titel eines Nachkommen Muhammeds]vergriffen. Kennst du mich?«
»Nein,« antwortete ich ruhig, aber vorsichtiger Weise das Auge nicht von ihm lassend.
»Ich bin der Scherif Hadschi Abd el Barak, Mokkadem der heiligen Kadirine des Seyid Abd el Kader el Djelani!«
Ah, das war mir hochinteressant! Er war also das Oberhaupt der hiesigen Mitglieder derjenigen frommen Verbrüderung, welche Erbin des jetzt nächtlich als Gespenst spukenden Majors geworden war. Wenn ein solches Oberhaupt von dem Gründer der Verbrüderung abstammt, wird es Scheik oder Schech, sonst aber Mokkadem (Wächter) genannt. Dieser vor mir stehende Mokkadem hatte erwartet, daß die Nennung seines Namens mich niederschmettern würde; aber das war keineswegs der Fall. Als Christ war ich gefühllos gegen die höchsten islamitischen Würden, und überdies war dieser Abd el Barak auch in moralischer Beziehung nicht der richtige Mann, mir zu imponieren. Darum antwortete ich gelassen:
»Ich glaube es; aber warum handelst du nicht wie ein Sohn des Propheten und wie das würdige Oberhaupt einer so frommen und berühmten Bruderschaft?«
»Was weißt du von meinem Wandel und von meinen Handlungen! Hast du nicht gesehen, daß da draußen alle ihre Häupter vor mir erniedrigten? Nieder also auch mit dir! Du hast mich geschlagen, und ich werde dir sagen, durch welche Bußen du Vergebung erlangen kannst!«
»Ich kniee vor keinem Menschen; ich bin kein Moslem, sondern ein Christ.«
Da war es, als ob er noch einmal so hoch und breit werden wolle.
»Ein Christ, ein Giaur, ein räudiger Hund?« brüllte er mich an. »Und doch hast du dich unterstanden, den Scherif Abd el Barak zu berühren! Dir wäre besser, deine Mutter hätte dich bei der Geburt erstickt, denn ich werde dich in Ketten schlagen und – — —«
»Still, prahle nicht!« unterbrach ich ihn. »Jede Drohung aus deinem Munde ist mir lächerlich. Bilde dir nichts ein! Du bist nicht mehr, als ich auch bin, und hast nicht die geringste Macht über mich. Mein Konsul ist‘s, der mich zu richten hat, wenn ich mich eines Vergehens schuldig gemacht habe, was aber gar nicht der Fall ist. Mein Konsul fragt nicht danach, ob du ein Scherif, ein Hadschi oder ein Mokkadem bist. Vor seinem Gesetze stehst du nicht höher als jeder Lastträger oder Pfeifenputzer!«
»Hund! Sohn eines Hundes und Enkel eines Hundesohnes! Das wagst du mir zu sagen!«
Da trat ich hart an ihn heran, so daß nur einige Zoll Raum zwischen uns verblieb, und warnte:
»Laß diese Beleidigungen! Wiederholst du noch einmal dieses Wort, so schlage ich dich nieder und mache es dann vor Gericht anhängig, daß du Sklaven kaufst, um sie als Kellner zu verleihen oder als Verkäuferinnen an die Straßenecken zu stellen. Dann wird man erfahren, ob der Wandel eines Mannes, welcher arme Kinder peitscht und hungern läßt und krumm bindet, wenn sie ihm nicht genug Geld bringen, Allah wohlgefällig sein kann!«
Diese Worte schüchterten ihn ein; er fuhr zurück und fragte:
»Wer, wer hat dir das gesagt, wer hat es verraten? Dieser Knabe, dieser Schakal war‘s; kein anderer kann es gewesen sein. Wehe ihm, wenn er heute abend nach Hause kommt!«
»Du wirst ihm nichts thun; dafür werde ich sorgen!«
»Du willst dafür sorgen? Willst du mir Gesetze vorschreiben, du, ein Christenhund, den Allah verderben wird in – — —«
Er kam nicht weiter; er hatte das beleidigende Wort wiederholt, und ich war es mir und allen Christen schuldig, ihm zu geben, was ich ihm für diesen Fall angedroht hatte. Ich holte aus und schlug ihm die Faust gegen den Kopf, daß er hintenüber zu Boden stürzte und da liegen blieb. Der Wirt hatte an der Thüre gestanden und den letzten Teil unseres Streites angehört; er kam im höchsten Schreck herbei und rief, die Hände zusammenschlagend:
»O