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von mir an!«

      Er zeigte auf einige der Pakete und drehte sich dann zu dem Kapitän.

      »Tu-re-ne-si-ki, du hast mich auf dein Schiff genommen und hierher gebracht, hast mir Speise und Trank gegeben, ohne mich zu fragen, ob ich dich bezahlen kann. Du bist edelmütig, und ich bin dankbar. Nimm diesen Kom-tscha für das, was du an mir gethan hast!«

      »Gut! Eine Liebe ist der andern wert, und ich will dich nicht beleidigen,« antwortete Turnerstick; »ich werde also das Freibier und den Reukauf annehmen. Aber thu mir den Gefallen und nenne mich doch ordentlich Frick Turnerstick und nicht Tu-ru-nu-ku-su-mu-lu, oder wie das Ding geklungen hat. Und willst du mir mit Gewalt einen fremden Namen aufzwingen, so sprich wenigstens chinesisch; da heiße ich Turningsticking. Verstanden, alter Chinesischverderber?«

      Diese Ermahnung war so ernstlich gemeint, daß ich die größte Mühe hatte, ein lautes Lachen zu unterdrücken. Der gute Master Turnerstick hatte vom Leichtmatrosen auf gedient, verstand sein Fach aus dem Fundamente und hatte sich niemals Mühe gegeben, sein Wissen über das Seewesen hinaus zu erweitern. Andernfalls wäre es ja vollständig unbegreiflich gewesen, einen Seekapitän, und wenn derselbe auch nur einen einfachen Kauffahrer befehligte, sich in einen so wahrhaft chinesischen Irrtum hineinarbeiten zu sehen. Mir allerdings gab seine edle sprachliche Selbsterkenntnis so viel Spaß, daß ich mir keine Mühe nahm, dieser Unerschrockenheit ein Ende zu machen.

      Es wäre ein hoher Grad von Unhöflichkeit gewesen, wenn wir die Geschenke abgelehnt hätten; darum nahm auch ich die meinigen an und bedankte mich bei Kong-ni. Dieser griff unter seine Kleidung und brachte eine seidene Schnur hervor, an welcher ein kleiner Gegenstand hing, den ich für ein Medaillon hielt.

      Ach werde jetzt dieses Schiff verlassen; aber ich kehre zurück, um dich abzuholen,« sagte er zu mir. »Wirst du bis dahin hier bleiben?«

      »Wann wirst du kommen?«

      »In sechs Tagen.«

      »Diese ganze Zeit kann ich nicht an Bord verweilen. Ich werde flußaufwärts gehen und mir Canton ansehen.«

      »Gehst du allein?«

      »Nein; der Kapitän wird mich begleiten.«

      »So befolge den Rat, welchen ich dir gebe: Wenn du deine jetzige Kleidung beibehältst, so besuche nur diejenigen Orte, welche die Y-jin[61] betreten dürfen.«

      »Läuft man Gefahr, wenn man weiter geht?«

      »Ja; denn die Polizei hat jeden Fremdling zu fassen und vor das Gericht zu bringen.«

      »So werde ich mir chinesische Kleider kaufen.«

      »Thue das,« antwortete er lächelnd; »dann kannst du gehen, wohin du willst; denn du sprichst die Sprache der Sse-hai-dse[62], und niemand wird dich für eine Fremden halten, wenn du einen Pen-tse[63] trägst.«

      »Sind Pen-tses zu bekommen?«

      »So viele, wie du brauchst, und so lang du sie haben willst,« antwortete er mit demselben Lächeln. »Aber hüte dich vor den Lung-yin[64] und vor den Kuang-ti-miao[65], sie sind dem Fremden gefährlich.«

      »Vor den Lung-yin werde ich mich in acht nehmen, aber warum auch vor den Kuang-ti-miao?«

      »Das wirst du noch erfahren. Kommst du aber in Gefahr, bevor ich wiederkehre, so nimm hier diesen Talisman, den du um den Hals zu tragen hast. Zeige ihn den Lung-yin, und sie werden dich als Freund behandeln.«

      Er gab mir die Kette. Es war eine wahrhaft bewundernswerte chinesische Schnitzarbeit. Jedes einzelne Glied derselben bestand aus einem Apfelkerne, welcher mit mikroskopischer Genauigkeit zu einem Kahne ausgeschnitzt war, in welchem ein Mann mit zwei Rudern saß. Das Medaillon war ein Aprikosenkern; er bildete eine Kriegs – oder Mandarinendschunke mit Baldachin, acht Ruderern und dem Befehlshaber, welcher in der Mitte des Fahrzeuges saß und in der Rechten einen offenen Sonnenschirm und in der Linken den unvermeidlichen Fächer trug. Das war eine jener unvergleichlichen chinesischen Arbeiten, welche uns die Minutiosität, den Fleiß und die ungeheure Ausdauer ihrer Verfertiger lebhaft bewundern lassen und dennoch einen wahrhaft lächerlich niedrigen Preis besitzen. Die Kette, welche ich in meiner Hand hielt, kostete hierzulande wohl kaum zwei Dollars, während sie in meiner Heimat von dem Liebhaber gern mit mehreren hundert Mark bezahlt worden wäre.

      Und diese Kette sollte ein Talisman gegen die Drachenmänner sein? Das klang ja grad so, als ob Kong-ni mit diesen fürchterlichen Leuten in irgend einer freundlichen Beziehung stehe! Ich nahm das Geschenk und fragte:

      »Wo werden wir uns treffen, wenn du zurückkehrst?«

      »Bist du hier auf dem Schiffe?«

      »Ja; ich werde mich danach einzurichten wissen.«

      »So hole ich dich von hier ab. Deine gelehrten Arbeiten werde ich im Kao-pan[66] niederlegen.«

      »Ich denke, du schickst sie dem Ly-pu ein?«

      »Weißt du nicht, daß die Prüfungen im Kao-pan stattfinden? Die Ausarbeitungen werden dann mit dem Berichte an das Ly-pu nach Peking gesandt und kommen zurück, um im Wen-tschang-kun[67] niedergelegt zu werden.«

      »Ich habe gehört, daß die Prüfungen im Kao-pan mündlich vorgenommen werden.«

      Er lächelte überlegen.

      »Geht der Wind, wie er soll? Mein Vater ist Vorsteher der Provinzialbehörde für Staatsprüfungen; er wird thun, was gut und vorteilhaft für dich ist. Lebe wohl, bis ich wiederkehre!«

      »Tsing leao!« antwortete ich, ihm die Hand reichend.

      Auch Frick Turnerstick gab ihm die Rechte:

      »Lebing wohl, alter Jungang, und wenn dung wiederkommst, so bist dung uns willkommang!«

      Das Boot, welches den jungen Mandarin von dannen trug, verschwand bald im Gewimmel der andern Fahrzeuge und wir machten uns nun daran, unsere Pakete zu öffnen. Sie enthielten allerlei Lack – und solche Waren, welche der Chinese Ku-tung[68] nennt und die sowohl in China selbst als auch im Auslande sehr teuer bezahlt werden. Für mich war außerdem ein vollständiger Anzug beigelegt, bei dessen Besichtigung ich mit Erstaunen bemerkte, daß es eine Mandarinenkleidung sei, an welcher nur der Hut mit dem Knopfe fehlte. Und dabei lag ein künstlicher Zopf, welcher so lang war, daß er mir beinahe vom Kopfe bis nieder zur Ferse reichte. Jetzt verstand ich das zweideutige Lächeln, welches ich im Gesichte Kong-nis bemerkt hatte, als ich davon sprach, daß ich mir eine chinesische Kleidung nebst Zopf kaufen werde.

      Als Turnerstick dieses Symbol der Mitte erblickte, lachte er, daß ihm die Thränen über die Wangen liefen.

      »Gratuliere, Charley, gratuliere! Von dieser Länge hat ihn nicht einmal ein preußischer Grenadier gehabt. Aber sagt einmal, wollt Ihr diesen famosen Schwanz wirklich ins Schlepptau nehmen?«

      »Natürlich! Wenn ich als Chinese gelten will, muß ich mich auch als solchen kleiden. Nicht?«

      »Well! Aber wenn ich mit Euch laufe, werde ich am Ende auch so ein Ding haben müssen!«

      »Natürlich! Als Kong-ni seine Einkäufe machte, hat er nicht gewußt, daß Ihr Euch mir anschließen werdet, sonst hätte er wohl in derselben Weise auch für Euch gesorgt. Unseren ersten Ausflug aber machen wir in unserer gewöhnlichen Kleidung.«

      »Einverstanden! Paßt es Euch vielleicht gleich morgen früh?«

      »Ist mir recht. Wir werden also heute abend nicht vom Schiffe gehen, um beizeiten munter zu sein.«

      »Nehmen wir unsere Büchsen mit?«

      »Wozu?«

      »Giebt es hier keine Jagd?«

      »Nein, im besten Falle könnten wir einige Enten schießen, wenn wir weit in das Land gehen. Zunächst aber

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<p>61</p>

»Fremdlinge, Barbaren.«

<p>62</p>

Sse-hai = »Vier Meere« nennen die Chinesen ihr Land und sich selbst Sse-hai-dse d. i. »Söhne der Vier Meere«.

<p>63</p>

Zopf.

<p>64</p>

»Drachenmänner«; so werden die Flußpiraten genannt.

<p>65</p>

Tempel des Kriegsgottes.

<p>66</p>

»Schauplatz der Prüfungen«, eine Art Universitätsgebäude.

<p>67</p>

»Palast der wissenschaftlichen Ausarbeitungen.«

<p>68</p>

Wörtlich: »Altes Gefäß« = Altertümer.