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Tausend Und Eine Nacht. Gustav Weil
Читать онлайн.Название Tausend Und Eine Nacht
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Gustav Weil
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Als er vierhundert Prügel auf den Rücken bekommen, schmerzte es ihn so sehr, daß er ein Auge öffnete, und als man noch immer fortfuhr, ihn zu prügeln, öffnete er auch das andere. Da sagte ihm der Oberste: »Was ist das, du Verdammter?« Der Nichtblinde antwortete: »Gib mir deinen Siegelring als Zeichen der Sicherheit, wenn ich dir sage, was du zu tun hast.« Er gab ihm seinen Ring als Pfand der Sicherheit, und der Nichtblinde sagte: »Mein Herr, wir sind vier gut sehende Männer und stellen uns nur vor den Leuten blind, um in ihre Häuser zu kommen, um ihre Frauen zu sehen und zu verführen. Wir haben schon 10.000 Dirham auf diese Weise zusammengebracht. Nun hatte ich meinen Kameraden gesagt, sie sollten mir meinen Teil, nämlich 2500, geben, da schlugen und mißhandelten sie mich und nahmen all mein Vermögen, und nun flüchte ich mich zu Gott und zu dir, du wirst mir wohl das Meinige wieder zu verschaffen wissen. Willst du dich überzeugen, daß ich die Wahrheit gesprochen, so laß jeden von ihnen noch einmal soviel prügeln als mich, und sie werden dann auch ihre Augen öffnen.« Der Oberste befahl sogleich, daß man sie züchtige. Man fing mit meinem Bruder an und band ihn an eine Treppe fest. Der Oberste sagte ihnen: »Ihr verworfenen Leute! verleugnet ihr so die Wohltaten Gottes und stellt euch blind?« Mein Bruder entgegnete: »Bei Gott, mein Sultan! Keiner von uns sieht etwas.« Aber man prügelte ihn doch, bis er in Ohnmacht fiel. Da sagte der Oberste: »Laß ihn, bis er wieder zu sich kommt, dann prügelt ihn wieder: denn der kann‘s besser aushalten, als wir.« Indessen ließ er auch den anderen beiden jedem mehr als dreihundert Prügel geben; und der Nichtblinde sagte immer: »Öffnet eure Augen, sonst werdet ihr dreimal geprügelt.« Dann sagte er zum Obersten: »Schicke jemanden mit mir, der das Geld hierherbringe, da diese Leute doch ihre Augen nicht öffnen werden, denn sie fürchten, sich vor den Leuten so zu beschimpfen.« Der Oberste ließ das Geld holen, gab dem Nichtblinden 2500 Dirham, weil er dies für seinen Teil hielt, nahm das übrige für sich und verwies die drei Blinden aus der Stadt. Nun, o Fürst der Gläubigen! ging ich meinem Bruder nach, fragte ihn wie es ihm gehe, und als er mir das, was ich dir eben erzählt, berichtet, brachte ich ihn heimlich wieder in die Stadt und gab ihm seinen bestimmten Lebensunterhalt, so daß er im verborgenen essen und trinken kann.
Der Kalif lachte über meine Erzählung und sagte: »Gebt ihm ein Geschenk und laßt ihn gehen!« Ich sagte jedoch: »Bei Gott, o Fürst der Gläubigen, ich rede ja nicht viel, ich nehme nichts an, bis ich auch die Geschichte meiner übrigen Brüder erzählt habe. Als der Kalif dies gestattete, fuhr er fort:
Geschichte des vierten Bruders des Barbiers
Mein vierter Bruder war halb blind: er war ein Metzger, verkaufte Fleisch in Bagdad und mästete Hammel; die vornehmsten und reichsten Leute kamen zu ihm und kauften Fleisch bei ihm; er erwarb sich ein großes Vermögen und kaufte sich Häuser und Güter. Nachdem er lange so gelebt und einst in seinem Laden war, kam ein Mann mit großem Barte zu ihm und gab ihm Geld und sagte: »Gib mir Fleisch dafür!« Er schnitt ihm ab, soviel ihm zukam, und der Alte ging wieder. Da betrachtete mein Bruder das Geld und sah, daß es ganz glänzend weiß war. Er legte es beiseite und der Alte kam fünf Monate lang zu meinem Bruder, der sein Geld besonders in eine Kiste legte. Als er einst das Geld nehmen wollte, um Schafe dafür zu kaufen, und die Kiste öffnete, fand er nichts als rundes versilbertes Papier darin; er schlug sich vor den Kopf und schrie. Es versammelten sich viele Leute um ihn; er erzählte ihnen, was ihm begegnet, wendete sich dann wieder zu seinen Geschäften, schlachtete ein Lamm und hing es in seinen Laden. Sodann nahm er zerschnittenes Fleisch, hing es außerhalb des Ladens und sagte dabei: »O Herr! wenn doch nur der verruchte Alte käme!« Nach einer Weile kam er wirklich wieder mit seinem Gelde in der Hand. Mein Bruder hielt ihn fest und schrie: »O Muselmänner, kommt her und hört, was mir mit diesem Ruchlosen widerfahren!« Als der Alte dies hörte, sagte er: »Du tust wohl gut, mich gehen zu lassen, sonst mache ich dich vor allen Leuten zuschanden.« — »Und womit?« fragte mein Bruder. »Damit«, antwortete er, »daß du Menschenfleisch für Schaffleisch verkaufst.« Mein Bruder sagte: »Du lügst, Verdammter!« Er antwortete: »Der LügnerD. h. der ist ein Lügner, der u.s.w. hat einen Menschen im Laden hängen!« Mein Bruder sagte: »Wenn es so ist, wie du behauptest, so sei mein Leben und alles, was ich besitze, preisgegeben.« Der Alte rief hierauf: »O ihr versammelten Leute, wollt ihr euch von der Wahrheit meiner Rede überzeugen, so geht in seinen Laden.« Sogleich stürmten die Leute auf meines Bruders Laden los, und wirklich hatte sich das geschlachtete Lamm in einen aufgehängten Menschen verwandelt. Als sie dies sahen, umgaben sie meinen Bruder und schrieen ihn an: »Du Gottesleugner! du Bösewicht!« und jeder machte sich ein Verdienst daraus, ihn zu schlagen und ihm zu sagen: »Wie, du gibst uns Menschenfleisch zu essen?« Der Alte schlug ihm ein Auge aus, die Leute trugen den Geschlachteten zum Polizeiobersten, und der Alte sagte: »O Fürst! dieser Mann schlachtet Menschen und verkauft ihr Fleisch für Schaffleisch; wir bringen dir ihn her, damit du Gottes Recht an ihm ausübst.« Mein Bruder erzählte, was ihm mit diesem Alten widerfahren, und wie er ihm Geld gegeben, das zu Papier geworden; aber man hörte nicht auf seine Worte, sondern gab ihm mehr als fünfhundert derbe Prügel, dann nahm man all sein Geld, seine Schafe und seinen Laden, und verwies ihn aus der Stadt. Und hätte er nicht so viel Vermögen besessen, so wäre er umgebracht worden; nur dadurch, daß er die Polizei mit seinem Gelde bestach, kam er mit dem Leben davon, nachdem man ihn drei Tage öffentlich in der Stadt ausgestellt hatte.
Nun beschloß mein Bruder, jene Stadt zu verlassen und nach einem Orte zu gehen, wo ihn niemand kannte; er lebte dort eine Weile in günstigen Umständen, dann ward er wieder arm und kam in große Verlegenheit. Als er einst spazieren ging, hörte er hinter sich das Geräusch vieler Pferde; er dachte, nun ist Gottes BefehlD. h. nun werde ich verfolgt. gekommen. Er suchte dann einen Ort, um sich zu verbergen, fand nichts, als eine verschlossene Türe; er gab ihr einen Stoß und sie fiel ein. Er sah einen langen Gang; als er hineinging, hielten ihn auf einmal zwei Männer an und sagten: »Gott sei gelobt, daß er dich, du Feind Gottes, uns einmal in unsere Gewalt gebracht! Schon drei Nächte läßt du uns nicht schlafen und nicht ruhen und läßt uns Todesangst ausstehen.« Mein Bruder sagte: »Was habt ihr, Leute?« Sie antworteten: »Du ersinnst allerlei List und Bosheit gegen uns, und willst unserem Hausherrn den Hals abschneiden. Genügt es dir nicht, daß du und deine Freunde ihn in die Armut gestürzt habt? Gib jetzt das Messer heraus, mit dem du uns jede Nacht drohst.« Sie durchsuchten meinen Bruder und als sie ein Messer bei ihm fanden, sagte er: »O ihr Leute, fürchtet Gott! Mir ist eine wunderbare Geschichte begegnet.« Aber es sagte einer von ihnen: »Er will nur erzählen, weil er glaubt, daß wir ihn dadurch gehen lassen.« Sie hörten dann meinen Bruder nicht an, sondern schlugen ihn und zerrissen seine Kleider. Als sie dadurch die Spuren der früheren Prügel bemerkten, sagte sie zu ihm: »Du Verfluchter! hier sind Spuren von Prügeln«, und führten ihn vor den Polizeiobersten. Mein Bruder dachte: Nun bin ich wieder in eine Schuld verfallen, wo nur der erhabene Gott mich retten kann. Der Polizeioberste fuhr ihn an: »Du Ruchloser! was hat dich bewogen, in das Haus dieser Leute zu gehen und sie mit dem Tode zu bedrohen?« Mein Bruder sagte: »Ich bitte dich bei Gott, höre mir zu! übereile dich nicht! laß mich hier dir meine Geschichte erzählen.« Aber die Leute sagten ihm: »Willst du die Worte eines Diebes hören, der die Leute arm macht und auf dessen Rücken man noch Spuren von Prügeln bemerkt?« Als der Oberste die Spuren an seinen Seiten sah, ließ er meinem Bruder hundert Peitschenhiebe geben, dann ward er auf ein Kamel gesetzt und man rief hinter ihm her: »Das ist der Lohn dessen, der in fremde Wohnungen eindringt!« Auch ward mein Bruder aus der Stadt verwiesen. Als ich dies hörte, ging ich zu ihm hinaus, erkundigte mich nach ihm, und er erzählte mir seine Geschichte; ich nahm ihn heimlich wieder mit in die Stadt und gab ihm zu leben. Alles, was ich meinen Brüdern tu, ist Folge meiner männlichen Entschlossenheit.« Der Kalif Harun Arraschid lachte, bis er auf den Rücken fiel; dann befahl er, daß man mir etwas schenke, aber ich sagte: Bei Gott, mein Herr! ich rede nicht viel, doch muß ich dir vollends die Abenteuer meiner übrigen Brüder erzählen, damit sie unser Herr, der Kalif, genau kenne, sie im Herzen habe und in seiner Schatzkammer geschrieben aufbewahre, und wisse, daß ich nicht viel rede.
Geschichte des fünften Bruders des Barbiers
Mein fünfter Bruder, fuhr der Barbier fort, der abgeschnittene Ohren hatte, war ein armer Mann, der in der Nacht bettelte und bei Tage von den Almosen lebte. Sein Vater war ein alter bejahrter Mann, der krank ward und starb, und uns 700 Dirham hinterließ,