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Tausend Und Eine Nacht. Gustav Weil
Читать онлайн.Название Tausend Und Eine Nacht
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Gustav Weil
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Der Vezier, fuhr Djafar in seiner Erzählung vor dem Kalifen fort, ging dann zu Hasan, entfesselte ihn und zog ihm seine Kleider bis auf das Hemd aus. Dieser ging langsam vorwärts, bis er an die Türe des Zimmers kam, in welchem man vor zwölf Jahren die Braut vor ihm geschmückt hatte; als er den Kopf ins Zimmer steckte, erkannte er den Vorhang, das Bett und den Stuhl; er war sehr erstaunt, trat dann mit dem einen Fuße ins Zimmer, und war ganz verwirrt im Kopf. »Gelobt sei der erhabene Gott!« rief er dann aus, »wache oder träume ich?« Er rieb sich die Augen, Sittulhasan hob aber den Vorhang ein wenig in die Höhe und sagte: »O mein Herr! wie lange bist du ausgeblieben, lege dich doch wieder ins Bett!« Wie Hasan ihre Stimme hörte und ihr Gesicht sah, wunderte er sich sehr und sagte lachend: »Bei Gott! das ist gut. Ich bin wirklich lange weggeblieben.« Er trat sodann ins Zimmer, und alles, was ihm seit zwölf Jahren widerfahren, drehte sich ihm im Kopfe herum, er konnte mit der Geschichte nicht ins klare kommen. Als er nun gar den Stuhl mit seinem Turban, Oberkleid und Tuch erblickte, und unter der Matratze seine Beinkleider und den Beutel wiederfand, lachte er wieder und sagte: »Bei Gott! das ist gut.« Sittulhasan aber fragte ihn: »Was lachst du so, mein Herr, und worüber bist du so verwundert?« Er lachte wieder, als er dies hörte, und fragte: »Wie lange bin ich wohl ausgeblieben?« Sittulhasan aber rief: »Hast du die Besinnung verloren? Es ist kaum eine kleine Weile, daß du dich von meiner Seite rissest, und ins Nebengemach gingst.« Er lachte wieder und sagte: »Bei Gott! du hast Recht, meine Gattin, es ist mir aber doch, als wäre ich von dir fort gewesen; ich habe wohl in meiner Abwesenheit die Besinnung verloren, dann geschlafen, und mir ist‘s, als hätte ich geträumt, daß ich in Damaskus gewesen und dort zehn Jahre als Koch gelebt habe; es kam dann ein Knabe mit einem Sklaven —« Hasan griff hier mit der Hand an seine Stirne und fand die Narbe, die ihm Adjib gemacht und sagte: »Es ist doch wahr, bei Gott! er hat mich mit einem Steine getroffen und meine Stirne geritzt; ich muß also doch gewacht haben.« Er setzte hinzu: »Beim Allmächtigen: mir ist‘s, nachdem ich an deiner Seite geruht, als wenn ich geträumt habe, ich sei nackt nach Damaskus gegangen und sei dann dort Koch geworden; ferner habe ich geträumt, daß ich Granatäpfel gekocht, die nicht genug gepfeffert waren; wahrhaftig, ich habe sehr lange geträumt.« — »Was hast du denn noch im Traume gesehen?« fragte Sittulhasan; »erzähle mir alles.« — »O meine Gebieterin«, fuhr er fort, »wenn ich nicht schnell erwacht wäre, so hätten sie mich an den Galgen genagelt.« — »Und weshalb?« fragte Sittulhasan. — »Weil ich die Granatäpfel nicht genug gepfeffert habe«, antwortete er; »sie haben auch deshalb meinen Laden verwüstet und mein Geschirr zerbrochen, auch haben sie mich gefesselt, in eine Kiste gesperrt, bei einem Schreiner einen Galgen bestellt, um mich daran zu nageln, weil an den Granatäpfeln nicht genug Pfeffer gewesen war. Nun gottlob! daß mir alles dies nur im Traume widerfahren und nicht in der Wirklichkeit.« Sittulhasan lachte und drückte ihn an ihr Herz. Dann sagte er wieder: »Ich habe doch alles dies wachend erlebt, und kann aus dieser Geschichte nicht klug werden; es gibt keine Zuflucht und keine Macht, außer bei Gott.«
So brachte Hasan diese Nacht zu; bald sagte er, ich habe geträumt, dann wieder, ich habe gewacht; er betrachtete eine Weile das Zimmer, die ganze Einrichtung und die Braut und sagte: »Bei Gott! ich habe nicht einmal eine ganze Nacht hier geschlafen.« So war er in Verwirrung bis zum Morgen, da kam sein Oheim und wünschte ihm einen guten Tag. Als Hasan ihn betrachtete und ihn für den Vezier von gestern erkannte, schrie er erschrocken: »O weh! o weh! hast du nicht befohlen, daß man mich schlage, mißhandle, fessle und annagle, weil meine Granatäpfel nicht genug gepfeffert waren?« Der Vezier antwortete ihm: »Nun ist alles klar und die ganze Wahrheit bekannt; du bist mein echter Neffe, und alles, was ich getan, war nur, um die Wahrheit zu ergründen, du hast meine Tochter in jener Nacht umarmt, du kennst deinen Turban und deine Beinkleider, den Brief, den dein Vater, mein Bruder, geschrieben, und den du in dem Käppchen aufbewahrt, es ist kein Zweifel, mehr, daß du es bist, denn ein anderer hätte von all dem nichts gewußt.« Er sprach dann folgenden Vers:
»Das Schicksal bleibt sich nicht immer gleich, es geht nicht anders: bald kommt Trauer bald Freude.«
Er führte dann auch seine Mutter zu ihm; als sie ihn sah, fiel sie über ihn her, weinte und sprach folgende Verse:
»Bei unserem Wiedersehen klagten wir einander, was wir gelitten. Nicht durch die Zunge eines Boten lassen sich Klagen gut mitteilen. Die Trauer einer gemieteten Klagefrau gleicht nicht der eines wirklich betrübten Herzens, und nicht mein Bote mir selbst.«
Sie erzählte ihm dann, was sie ausgestanden, seitdem er von ihr sich entfernt, er verkündete ihr, was er gelitten; sie lobten Gott über ihre Wiedervereinigung. Den folgenden Tag berichtete der Vezier alles dem Sultan; er wunderte sich so sehr über diese Geschichte, daß er sie aufschreiben und aufbewahren ließ. Der Vezier mit seiner Tochter und seinem Neffen lebte noch lange Jahre in den besten und angenehmsten Verhältnissen, sie aßen und tranken und belustigten sich, bis sie den Todeskelch leeren mußten. Dies, Beherrscher der Gläubigen! ist die Geschichte des Veziers aus Kahirah und des Veziers aus Baßrah. — Der Kalif sagte: »O Djafar, diese Geschichte ist höchst wunderbar.« Auch ließ er sie sogleich aufschreiben und aufbewahren und schenkte dem Sklaven die Freiheit und dem jungen Manne eine seiner schönsten Sklavinnen, und gab ihm so viel, als er zu leben brauchte; er blieb in der Umgebung des Kalifen, bis der Tod sie trennte.
Geschichte des Buckligen
Es lebte einst in den Städten Baßrah und KaschgarWahrscheinlich lebte er zuerst in Baßrah und zog später nach Kaschgar, in anderen Ausgaben liest man entweder nur »Baßrah« oder nur »in einer chinesischen Stadt.« ein Schneider, der eine schöne und ganz für ihn passende Frau hatte. Eines Tages, als er in seinem Laden saß, kam ein buckliger Mann, setzte sich neben seinen Laden, fing an zu singen und dabei auf eine Trommel, die er bei sich hatte, zu schlagen. Der Schneider dachte: Wie wäre es, wenn ich diesen Buckligen mit mir nähme, um mich und meine Leute diese Nacht mit ihm zu belustigen? Er ging dann sogleich auf den Buckligen zu und sagte ihm: »Willst du wohl mit mir nach Hause gehen und diese Nacht mein Gast sein?« — »Recht gern«, erwiderte der Bucklige, »es verwirklichen sich dadurch meine schönsten Träume.« Der Schneider nahm ihn mit nach Hause und gab ihm etwas Fische zu essen, die er gerade im Hause hatte. »Während des Essens nahm ich«, so erzählt der Schneider, »ein Stück Fisch und stopfte es dem Buckligen in den Schlund; es blieb ihm aber im Halse stecken und er starb daran augenblicklich. Da ich mich sehr fürchtete, ging ich mit meiner Frau zu einem jüdischen Arzte, der in unsrer Nähe wohnte; ich klopfte an seine Türe, es kam eine Sklavin herunter und machte uns auf; ich sagte ihr: »Geh, sage deinem Herrn, es sei hier ein Mann mit seiner Frau und einem kranken Menschen, den er untersuchen möge.« Ich gab der Sklavin für ihren Herrn auch sogleich einen halben Dinar. Während nun die Sklavin sich entfernte, trug ich den Buckligen die Treppe hinauf, ließ ihn an der Treppe liegen und machte mich mit meiner Frau aus dem Staube. Die Sklavin war indessen zu ihrem Herrn gegangen und hatte ihm gesagt, »Mein Herr, man hat unten einen kranken Mann vor das Haus gebracht, und hier schickt man dir einen halben Dinar, damit du nach ihm sehen und ihm verschreiben mögest, was ihm gut ist.« Als der Jude sah, daß man ihm einen halben Dinar gab, bloß um die Treppe hinabzusteigen, freute er sich so sehr, daß er schnell im Dunkeln aufstand; er gebot der Sklavin, ein Licht anzuzünden, ging einstweilen ohne Licht schnell hinunter, aber bei seinem ersten Tritt stolperte er an den Buckligen hin, so daß er die ganze Treppe hinunterrollte. Der Jude rief erschrocken der Sklavin, sie solle doch geschwind ein Licht bringen. Als die Sklavin Licht brachte und der Jude den Buckligen unten an der Treppe tot fand, schrie er: »O Esra! o Moses! o Aron! o Josua, Sohn Nuns! ich bin an diesen kranken Menschen gerannt, so daß er die ganze Treppe hinuntergefallen und getötet ist: Wie kann ich nun den Erschlagenen aus meinem Hause bringen? O Esel Esra‘s!D. h. könnte er doch wie Esras Esel wieder zum Leben zurückkehren! Vergleiche darüber