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Tausend Und Eine Nacht. Gustav Weil
Читать онлайн.Название Tausend Und Eine Nacht
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Gustav Weil
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Geschichte Nuruddins und seines Sohnes und Schemsuddins und seiner Tochter
Djafar erzählte nun dem Kalifen Harun Arraschid folgendes: Beherrscher der Gläubigen! Einst lebte in Ägypten ein gerechter, beschützender, wohltätiger und freigebiger Sultan, der ein Freund der Armen und ein Gönner der Schriftgelehrten war, zugleich ein wackerer Krieger, dem niemand den Gehorsam versagte. Er hatte einen alten und verständigen Vezier, der im Schreiben und Rechnen große Fertigkeit besaß und auch in manchen anderen Wissenschaften bewandert war. Dieser hatte zwei Söhne von hübschem Wuchse und vollkommener Schönheit, so daß sie dem Monde oder einer Gazelle verglichen werden konnten. Der ältere hieß Schemsuddin Mohammed und der jüngere Nuruddin Ali; dieser war besser als sein Bruder, er war das edelste Geschöpf Gottes zu jener Zeit. Als nach dem gewöhnlichen Laufe der Dinge ihr Vater, der Vezier, starb, war der Sultan sehr betrübt darüber, er ließ daher, aus Liebe zum Vezier, dessen beide Söhne zu sich rufen, beschenkte sie mit dem Ehrenkleide ihres Vater und sagte zu ihnen: »Ihr sollt nun an eures Vaters Stelle treten und gemeinschaftlich das Amt eines Veziers von Ägypten versehen.« Die jungen Waisen verbeugten sich vor dem Sultan und gingen, um ihres Vaters Leichenbegängnis zu besorgen. Kaum war ein Monat nach dem Tode ihres Vaters verflossen, so versahen sie auch schon das Amt eines Veziers, eine Woche um die andere sich im Dienste ablösend. Eben so begleiteten sie auch den Sultan abwechselnd auf seinen Reisen. Beide Brüder bewohnten ein Haus und beide hatten nur einen Willen und einen Wunsch. Nun begab es sich, daß die Reihe der Begleitung des Sultans auf einer Reise den älteren Bruder traf. Die Nacht vor seiner Abreise, als beide Brüder vertraulich beisammen saßen und plauderten, sagte der ältere: »Willst du wohl, mein Bruder, daß wir zwei Schwestern heiraten, den Ehekontrakt an demselben Tage unterzeichnen und in einer und derselben Nacht unsere Ehe vollziehen?« Nuruddin antwortete: »Tue was dir gut dünkt, mein Bruder, denn all dein Vorhaben führt zu einem guten Ende; sobald du also von deiner Reise zurückkehrst, wollen wir um zwei Schwestern werben, und Gott wird uns dazu seinen Segen verleihen.« Hierauf fuhr der ältere weiter fort: »Wenn wir nun an einem Tage uns verloben und verheiraten, und unser Frauen zur nämlichen Zeit guter Hoffnung werden und an einem Tage niederkommen, dann deine Frau einen Knaben und meine Frau ein Mädchen gebärt, wirst du nicht deinen Sohn mit meiner Tochter vermählen?« — »Gewiß recht gern, mein Bruder«, erwiderte Nuruddin; »aber wieviel Mitgift müßte mein Sohn deiner Tochter zubringen?« — »Weniger würde ich nicht nehmen«, erwiderte der ältere, »als 3000 Dinare, drei Gärten und drei Sklaven, außer dem, was gewöhnlich einer Frau verschrieben wird.« Hierauf versetzte Nuruddin: »Wozu die ungerechte Forderung einer solchen Mitgift? Sind wir nicht Brüder und beide Vezier? Jeder von uns kennt schon seine Pflicht. Du hättest wohl deine Tochter meinem Sohne ohne Mitgift zur Frau geben können, der Mann ist doch edler als das Weib; du verfährst mit mir wie jener, von dem man einen Dienst verlangte, und der darauf erwiderte: morgen, so Gott will! dann folgenden Vers rezitierte:
»Verweist man dich in einer Angelegenheit auf morgen, so kannst du wenn du verständig bist, daraus schließen, daß man deiner los sein will.«
Schemsuddin ward sehr aufgebracht darüber und sprach: »Wehe dir! schäme dich, zu sagen, dein Sohn sei edler als meine Tochter; wie wagst du es nur, ihn mit ihr zu vergleichen? Bei Gott, du hast weder Verstand noch Erfahrung. Auch sagst du, wir seien beide Veziere, während ich dich eigentlich nur als Gehilfen neben mir dulde, um dich nicht zu tief zu kränken. Nun aber schwöre ich bei dem Allmächtigen: meine Tochter soll deinen Sohn nicht heiraten, wenn du mir auch noch soviel Gold geben willst, als sie wiegt; nie werde ich deinen Sohn als Eidam annehmen, sollte ich auch deshalb den Todeskelch leeren müssen!« Nuruddin geriet über diese Worte seines Bruders gleichfalls in heftigen Zorn und fragte noch einmal: »Wie, mein Bruder, du würdest deine Tochter meinem Sohne verweigern?« — »Nie«, erwiderte der ältere, »werde ich zu einer solchen Ehe meine Einwilligung geben; nicht einen abgeschnittenen Nagel von ihr soll er erhalten. Müßte ich nicht morgen abreisen, so würde ich dich gleich wegen deines Übermutes zur Strafe ziehen; sobald ich aber von meiner Reise zurückkehre, werde ich dir zeigen, was meine Ehre erfordert.« Nuruddins Zorn ward immer heftiger, doch wußte er ihn zu verbergen, und erst, als er bewußtlos hinstürzte, hörte sein Bruder auf zu drohen. So brachte jeder von ihnen die Nacht in einem besondern Winkel zu, und der eine blieb gegen den anderen gleich aufgebracht. Als des Morgens Schemsuddin, weil es seine Reihe war, den Sultan nach den Pyramiden begleitete, ging der von seinem Bruder so tief gekränkte Nuruddin in die Schatzkammer, füllte einen kleinen Sack mit Gold und rezitierte folgende Verse:
»Reise, du findest leicht andere Leute für die, welche du verlässest; sei tätig, dann erlangst du des Lebens Reiz! Nur in der Fremde, nicht zu Hause sammelt man Ruhm oder Erfahrung, drum verlasse die Heimat und wandre umher; leicht verdirbt ein stehendes Wasser, nur wenn es in Bewegung kommt, bleibt es frisch. Bliebe die Sonne immer am Firmamente fest stehen, so würden alle Menschen, Araber und andere, ihrer bald überdrüssig