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Der Letzte vom "Admiral". Franz Treller
Читать онлайн.Название Der Letzte vom "Admiral"
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Franz Treller
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
»Alles richtig, Findling. Lassen Sie zwei Strich mehr nach Süden halten, daß wir im Lee der Insel vorbeigehen. Wünschte, wir hätten eine Mütze voll Wind.«
Nach Seemannsart überflog er durch sein Glas noch den Horizont, ehe er wieder achter ging.
»Donnerschlag!« entfuhr es ihm plötzlich und eifrig hielt er das Glas auf eine Stelle gerichtet. Dann reichte er es Findling und sagte: »Sehen Sie einmal da über die Rüsthölzer weg.«
Der Obersteuermann nahm das Glas und hatte es kaum an die Augen gebracht, als auch ihm ein Ausruf der Überraschung entfuhr: »Das ist ein Wrack, Kapitän.«
»Ja, und im Sinken begriffen.«
Durch das Glas zeigte sich den Männern in etwa zwei Meilen Entfernung ein wenig über die Meeresfläche sich erhebender Schiffsrumpf, den zwei Maststumpfen überragten.
»Lassen Sie draufzuhalten, Findling.«
Findling gab dem Mann am Steuer den Befehl und ging wieder nach vorn. Der Kurs brauchte zu diesem Zweck nur wenig geändert zu werden und ein umlegen war nicht nötig, da sie den Wind fast von hinten hatten. Langsam kamen sie dem Wrack näher, welches sich auf der langen, regelmäßigen Dünung des Ozeans schwerfällig hob und senkte. Dann und wann wurden die Gläser dorthin gerichtet. Ein lebendiges Wesen wurde an Deck nicht wahrgenommen, dessen Lage über Wasser sich übrigens in der Zeit, welche sie zum Ansegeln brauchten, nicht im geringsten zu verändern schien. Als sie auf einige hundert Faden nahe gekommen waren, ließ der Kapitän das Großsegel backlegen, die Jolle aussetzen und forderte Findling auf, hinzurudern, um sich, wenn möglich, über den Namen des Schiffes Gewißheit zu verschaffen. Drei Matrosen, Henrik und Findling gingen in das rasch ausgeschwenkte und niedergelassene Boot, das unter kräftigen Schlägen schnell auf das Wrack zutrieb. Findling war ein zu erfahrener Seemann, um sich ohne weiteres in die Nähe eines Schiffsrumpfes zu wagen, der jeden Augenblick in die Tiefe gehen konnte. Er ließ daher sein Boot in einiger Entfernung langsam einen Kreis um das Wrack beschreiben und betrachtete aufmerksam das Deck und vor allem den Spiegel des Schiffes, der aber bereits zu tief im Wasser lag, um dessen Namen noch erkennen zu lassen. Da er die Überzeugung gewann, daß das Wrack durch eine bestimmte, augenblicklich nicht erkennbare Ursache mit seinem Deck noch über Wasser gehalten werde und sein Sinken zunächst nicht zu befürchten sei, ließ er an Bord rudern und stieg, das Bollwerk war weggerissen, an Deck des fremden Fahrzeuges. Die Wellen hatten ihr grausiges Zerstörungswerk vollbracht, zerrissene Wanten und Stage, welche mit einem Ende noch am Rumpf fest waren, lagen umher oder spielten im Wasser neben dem Schiff. Die Masten waren zur Hälfte gebrochen und nur ihre zersplitterten Enden ragten noch empor. Stengen und Rahen waren mit Segel- und Tauwerk weggespült, das Vollwerk nur an einigen Stellen noch erhalten. Alle Luken aber waren fest geschlossen. Ein Stück der eisernen Kombüse stand noch mittschiffs und in seinem Schutz lag der Rest eines gleichfalls eisernen wohlbefestigten Herdes. Findling ging, trübe gestimmt durch den Anblick einer Zerstörung, der den Untergang der Besatzung ankündigte, langsam darauf zu, sich überall umschauend, ob er nicht irgendwo den Namen des Fahrzeuges auf einem der Schiffsteile entdecken könnte. Als sein Blick in den schmalen Raum zwischen dem Rest der Kombüsenwand und dem Herd fiel, traf er auf einen regungslos daliegenden jungen Menschen, dessen Kopf auf der Balkeneinfassung der Schiffsküche ruhte. Er glaubte im ersten Augenblick, einen Leichnam vor sich zu sehen, trat aber doch näher, um sich zu überzeugen. Es war ein nur mangelhaft bekleideter schlanker Körper, auf den sein Auge fiel. Das Gesicht konnte er nicht erblicken, da es auf dem als Unterlage benutzten Arm ruhte. Er beugte sich nieder, um die Hand zu erfassen, und freudig zuckte er zusammen, als er sie berührte; sie war warm, der Strom des Lebens pulsierte noch.
»Henrik!« rief er. Sofort sprang dieser an Deck und stand neben ihm. Er erschrak nicht wenig, als er den Körper vor sich sah, doch rasch sagte Findling: »Er lebt noch, Junge, wunderbar genug«, und auch Henrik fühlte sein Herz freudig pochen.
Der Steuermann faßte den herabhängenden Arm und schüttelte ihn. Da hob sich das Gesicht, welches auf dem andern Arm ruhte, matt empor, und beide sahen in ein bleiches, verstörtes Antlitz, blaue Augen starrten sie wie die eines Schlaftrunkenen an und: »Nanu?« tönte es wie verwundert zu den beiden Männern empor.
»Gott sei Dank!« sagte Henrik, der noch nicht ganz überzeugt gewesen war, einen Lebenden vor sich zu haben, bei diesem Ausruf.
»Sind Sie der einzige hier an Bord?«
Der Gefragte sah sich um, als ob er seine Gedanken sammeln müsse und entgegnete dann im unverkennbaren Dialekt des Berliners: »Ick jloobe wohl – sie haben mir alleene uff die Entenpfütze jondeln lassen.«
Findling und Henrik lächelten über diese mit schwacher Stimme gegebene Antwort; auch in dieser entsetzlichen Lage verließ das Kind Spreeathens der Humor nicht.
»Kommen Sie, Ihre Not hat geendet.«
»So? Na, det is sehr anjenehm, denn een Pläsierverjnügen is et nich, det kann ick Ihnen sagen.«
Der starke Arm des Steuermanns half dem, wie es schien, gänzlich geschwächten und blaß und elend aussehenden Menschen auf die Beine; er mußte ihn halten, da er umzusinken drohte.
»Haben Sie nich een Tröppken Wasser – Herr – ick habe so 'n Durst –«
»Dann rasch an Bord – dieser Not kann abgeholfen werden. Befindet sich noch etwas hier, was Sie mitzunehmen wünschen?«
»Nee, Männeken, ick bin froh, wenn ick von die Jondel ab bin – det kluckst da drin«, er deutete auf Deck, »als wenn eener 'n Schlucken hat, un –«
Findling, aufmerksam gemacht, vernahm jetzt das Geräusch, auf welches der Berliner anspielte, und im Augenblick wurde ihm klar, daß nur die unter Deck zusammengepreßte Luft den Rumpf über Wasser hielt, daß diese Luft aber langsam entwich. Da er nicht länger, als nötig war, auf diesem dem Untergang geweihten Fahrzeug weilen wollte – jeder Augenblick, das Bersten einer Planke, konnte die Katastrophe herbeiführen – nahm er den jungen Menschen wie ein Kind auf den Arm, trug ihn zum Boot und die Matrosen setzten ihn nahe dem Steuer auf eine Bank. Findling und Henrik stiegen ein. »Los! Legt euch in die Riemen!« kommandierte der Obersteuermann, und von schnellen Schlägen getrieben, stand das Boot bald hundert Faden vom Wrack ab.
Eine dumpfe Explosion ließ sich von dorther vernehmen – das Deck war augenscheinlich gesprengt, die eingepreßte Luft entwich und der Rumpf versank in die Tiefe.
»Wir kamen und gingen zur rechten Zeit«, sagte aufatmend Findling.
In wenigen Minuten erreichten sie den »Roland«, der auf einer leichten Boleine abgehalten hatte und unweit stand. Der Berliner war ohnmächtig geworden und mußte an Deck gehoben werden, von wo aus der Kapitän das, was auf dem Wrack geschah, verfolgt hatte.
»Wasser!« rief Findling. Der Koch brachte schnell ein Gefäß voll und der Steuermann flößte dem Bewußtlosen einige Schluck ein. Der atmete tief auf und ein glückliches Lächeln erschien auf seinem bleichen Gesicht.
»Mehr!«
»Man nich tau veel«, sagte der Kapitän, der den magern, fast verschmachteten Burschen teilnahmsvoll betrachtete. Doch Findling goß ihm noch einige Löffel voll ein.
Der junge Mensch öffnete die Augen und sagte mit einem Seufzer inniger Befriedigung: »Schmeckt besser als die feinste Weiße. Jeben Sie mich noch eenen Schluck.«
»Nee, min Jong, teuf man. Du sollst noch genug Water hewwen, aber teuf man. Hast du denn Hunger, Kind?«
»Nee, bloß man jroßen Durst, den ick von meinem Onkel jeerbt habe, det eenzige, wat er mir hinterlassen hat.«
Wunderbar war die Wirkung der kleinen Menge Wasser, die man dem Schiffbrüchigen eingeflößt hatte. Neues Leben schien seine Glieder zu durchströmen, die Augen wurden lebendiger und der Ausdruck des Leidens verschwand nach und nach aus dem Gesicht.
Nach