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des lettres de récommendation — Empfehlungsbriefe an Monsieur Bouligny! Nicht in der Stadt, der Monsieur Bouligny! Und an Baron Marigny! Auf seinem Landsitz, der Baron Marigny! Pah!« Und er wandte sich, drehte sich herum und maß uns abwechselnd mit Luchsblicken. »Pah! Gut, sehr gut! Diese Empfehlungsbriefe sind gut!«

      Die Wahrheit zu gestehen, waren unsere Anzüge nichts weniger als gewählt und unsere Wäsche so, wie sie nach einer solchen tristen Fahrt sein mußte.

      »Pah!« wandte sich Pierre Brodin an Hauterouge und Ducalle: »Habt ihr fünftausend Dollar jährlich?«

      Die beiden sahen ihn mit großen Augen an.

      »Ihr habt fünftausend Dollar jährlich, gut, gut! So werden diese Empfehlungsbriefe hinreichen, um euch eine niedliche Demoiselle zu verschaffen, eine Quarterone oder derlei Zeitvertreib, die euch euer Geld verzehren helfen wird. Pah! Und Messieurs wird es geben, die euch belehren werden!«

      Dann wandte er sich ausschließlich an Ducalle, dem er über die Schulter in seinen Brief geschaut hatte.

      »Sie sind Bretagner?«

      »Ja, mein Herr!« antwortete Ducalle.

      »Sie haben einen Brief für die Attacapas?«

      »Ja, mein Herr!«

      »Sie haben, was man Erziehung nennt?«

      »Ich glaube, ja!«

      »Verstehen Sie etwas von Chemie, von Chirurgie, von ... von ...«

      Ducalle sah den Mann erstaunt an.

      »Tenez!« fuhr dieser fort. »Werde Ihnen etwas sagen! Ich, Pierre Brodin, sage Ihnen — verlassen Sie die Hauptstadt so schnell wie möglich! Befördern Sie sich selber weg von hier, sonst werden Sie befördert wie der, der soeben bei Ihrer Ankunft hinausbefördert wurde.«

      Er steckte beide Hände in seine Westentaschen und fuhr bestimmter fort:

      »Sie haben Chemie studiert, also, was dasselbe sagen will, Medizin — man nimmt es hier nicht so genau. So sage ich Ihnen denn — ich, Pierre Brodin, sage es — gehen Sie in die Attacapas! In den Attacapas herrschen intermittierende Fieber — intermittierende Fieber, verstehen Sie mich? — Balot!« schrie er auf einmal zur Tür hinaus. »Balot!«

      »Was wollen Sie?« brüllte eine Stimme aus der Schenkstube herüber.

      »Balot! Nicht wahr, bei euch in den Attacapas herrschen intermittierende Fieber?«

      »Herrschen, jawohl, herrschen!« brüllte Balot. »Brauchen Rekruten, wissen Sie, Rekruten für die intermittierenden Fieber! Den Boudin haben die Krebse, den Allien die Alligatoren, den Borel gleichfalls.«

      Balot kam mit einem halbgefüllten Rumglas zur Tür herein, die Aussage durch seine Persönlichkeit zu bekräftigen. Sie war eine der abschreckendsten, die wir je gesehen hatten.

      »Pierre Brodin!« schrie er, leerte sein Rumglas und warf es dem Wirt zu; der erhaschte es, wie ein Pudel den Bissen, und lief zur Tür hinaus.

      Und wir saßen und schauten bald den hemd-, schuh- und hutlosen Balot, der uns mit trunkenen Blicken musterte, bald wieder einander an. Es war etwas Trostloses, Verzweifeltes in unserer Lage: fremd, unbekannt in einer öden, verlassenen, vom gelben Fieber heimgesuchten Stadt, und unter solchen Menschen.

      Brodin erschien wieder unter uns und reichte Balot das gefüllte Glas. Dann wandte er sich wieder an Ducalle.

      »Sie gehen also in die Attacapas, das ist mein Rat. Sie werden da kurieren, Leute begraben, Geschäfte machen, Geld machen! Übrigens, haben Sie nun Geld, oder nicht?«

      Die Frage machte Ducalle stutzig, er schaute Brodin wieder mit großen Augen an. Dieser maß ihn mit einem blinzelnden Seitenblick.

      »Gut, Sie haben keins! Schadet aber nichts, tut nichts. Sollen Geld haben! Sie haben da eine goldene Uhrkette, hängt sicher auch eine Uhr dran. Strecke Ihnen zwanzig Gourdes Gourde — französ. amerik. Bezeichnung für Dollar vor, lassen Sie die Kette mit der Uhr als Unterpfand zurück. Kaufen Sie Medizinen ein, will sie für Sie einkaufen. Mit zwanzig Gourdes Medizinen kurieren Sie ganz Attacapas, wenn Sie die Sache verstehen. Kalomel Quecksilber-1-Calorid ist die Hauptsache, verstehen Sie! Legen Sie einen tüchtigen Vorrat von Kalomel an! Strecke Ihnen zwanzig Dollar vor, will für Ihre Fahrt dahin noch besonders sorgen. Nehme bloß fünf Prozent im Monat, bin billig. Sind ein Landsmann, ein Franzose, ein Bretagner. Muß billig mit Landsleuten sein. Einem anderen täte ich‘s nicht unter zehn Prozent. Gebe Ihnen einen Brief an Damien mit. Ist alles, was ich tun kann, das übrige ist keinen Picaillon Eine kleine Münze wert. Schauen Sie, daß Sie so schnell wie möglich fortkommen!«

      »Schauen Sie, daß Sie so schnell wie möglich fortkommen!« wiederholte der trunkene Balot.

      Nachdem Pierre Brodin solchermaßen Ducalle abgefertigt hatte, wandte er sich an Vignerolles. Er steckte die Hände in die Westentaschen und trat mit kecker, sorgloser Miene an den Grafen heran.

      »Sie sind ein Gentilhomme von Geburt?« fragte er in höhnisch-lachendem Ton.

      »So glaube ich«, antwortete der Graf.

      Brodin warf ihm einen halb mitleidigen, halb verächtlichen Seitenblick zu.

      »Eh bien! Sind ihrer in erklecklicher Zahl gekommen. Auch ich, auch ich war, was Sie sind. Sie wollen in die Attacapas?«

      »Ich glaube ja!«

      »In die Attacapas also? Haben Sie Geld?«

      »Habe es nicht gezählt.«

      »Nicht gezählt? So ... recht! Auch ich zählte es nicht, als ich es nicht hatte. Man zählt nicht, wenn nichts im Beutel ist!« Brodin lachte. »Sie wollen also in die Attacapas? Sie wollen? Sage Ihnen, Pierre Brodin sagt es: Sie tun besser, Sie gehen nach Natchitoches! Gehen Sie nach Natchitoches und richten Sie sich dort einen kleinen Laden mit Pulver, Blei, Seidenbändern zum Handel mit Indianern und Negern ein!«

      »Eh bien!« sagte der Graf.

      »Richten sich einen Laden ein! Leihe Ihnen zehn Dollar ... leihe dir zehn Dollar, Kamerad! Du gibst mir ein Pfand — fünf Prozent — kaufe dir die Waren ein. Verstehst du mich? He?«

      Mit diesen Worten faßte er den Grafen beim mittleren Rockknopf.

      »Chien! — Hund!« schrie im gleichen Augenblick Amadée und sprang auf Brodin zu. »Du wagst es, den Herrn Grafen zu duzen?«

      Brodin maß ihn mit einem höhnischen Blick.

      »Pah, was geht das dich an, Freund? Kümmere dich um deine Schuhe! Wenn der Mann da will, was geht das dich an? Will er nicht, so geht‘s dich auch nichts an! Und ist ihm mein Kabarett zu schlecht, so — hier ist die Tür!«

      Brodin sprang der Tür zu und öffnete sie. Dann rückte er wieder näher an den Grafen heran, der mit vornehmer Nachlässigkeit auf seinem Stuhl saß.

      »Ah, auch wir ... auch wir wüßten was zu erzählen von adligen Vorfahren, vom Hofleben! Auch wir, die wir Oberst im Regiment von Artois, die wir Graf, Baron, Chevalier, Besitzer von Herrschaften, Silberbergwerken ...«

      »Im Regiment von Artois? Darf ich um Ihren Namen bitten?« fragte Vignerolles.

      »Louis Victor Comte de Vignerolles — Baron de Pierpont — Chevalier de — de — äh — Mazanaras!« Brodin trompetete mehr, als daß er sprach.

      »Also habe ich die Ehre, mit dem Herrn Grafen Louis Victor de Vignerolles zu sprechen?« fragte der Graf belustigt.

      »Mit dem Grafen Louis Victor de Vignerolles, Herrn der Herrschaften von Pontbleu, der Silberbergwerke von Blois!« schnarrte Brodin.

      »Der Silberbergwerke von Blois? In welchem Teil der Welt liegen diese Silberbergwerke von Blois?«

      »Was?« schrie Brodin wütend. »Sie wollen mich zum besten halten! Die Silberbergwerke von Blois nicht kennen? Sie wollen ein Franzose sein? Ein sauberer Franzose sind Sie!«

      Wir

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