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nicht ans Heirathen denken. Oder vielleicht trug er irgend eine Fessel – auch so etwas schienen seine Gedichte anzudeuten; doch die Worte: »Ich harre aus, das schwör‘ ich Dir« hatte eines der schwungvollen Lieder Refrain gebildet, und daraufhin leistete sich Eva denselben Schwur: auch sie würde »ausharren«.

      Wenngleich die Fensterparaden aufgehört hatten, und obschon Siebeck seinen ersten Besuch im Hause Borowetz nicht wiederholte, so bekam ihn Eva doch öfters zu Gesichte. Beinahe jedesmal, wenn sie ausging – alle Nachmittage machte sie mit Dorina einen Spaziergang – begegnete ihr der Gegenstand ihrer Träume. Er grüßte ehrerbietig, sprach sie jedoch nicht an. Eva fühlte die Röthe der Verwirrung auf ihren Wangen glühen, und auch er – es war nicht zu verkennen – auch er erröthete, und in seinen Augen blitzte es auf, so oft er an den beiden Frauen vorbeikam.

      Eines Tages kam Eva von einem kleinen Besorgungsgange – Bücherkauf beim Buchhändler des Orts —, den sie ausnahmsweise allein gemacht, nach Hause. Als sie die Treppe hinaufstieg, stieß sie mit dem eben eiligst herabkommenden Grafen Siebeck zusammen.

      Eva sah deutlich, daß der junge Mann über und über roth geworden. Sie selber war so bewegt, daß sie, um einen Halt zu haben, sich an das Geländer stützte.

      »O, Pardon, Baronin – ich hätte Sie beinah umgerannt.«

      »Sie haben wohl große Eile, Graf Siebek?« – Woher nahm sie nur den Muth, zu sprechen? Sie bewunderte sich selber darob.

      »Eile? Nein … das heißt … Ich wollte dem Herrn Obersten meine Aufwartung machen – er ist aber abwesend.«

      »Ja, seit gestern, auf einer Inspektionstour. Das wußten Sie nicht?«

      »Nicht wissen? … Ich hätte es wissen sollen … Bitte, wenn er kommt, sagen Sie ihm nicht, daß ich da war. Versprechen Sie mir das? … Ehrenwort? …«

      Er hielt ihr die Hand hin.

      Eva legte die ihre etwas zitternd hinein. Sie glaubte ihn zu durchschauen: er sprach so verwirrt und sinnlos, weil er durch diese Begegnung ebenso bewegt war wie sie; und dieses verlangte Ehrenwort – um eine so belanglose Sache – war nur ein Vorwand, um ihre Hand zu erfassen. Jetzt drückte er dieselbe kräftig:

      »Wir sind einig,« sagte er und ließ sie wieder frei. Dann mit einem raschen grüßenden Griff an die Mütze eilte er weiter, die Treppe hinab.

      Eva blieb betroffen stehen. »Wir sind einig« klang ihr in den Ohren nach. Das war wohl eine gesprochene Bestätigung des geschriebenen »Ich harre aus, das schwör‘ ich Dir.« Doch warum hatte er nicht länger mit ihr gesprochen? Schüchternheit vermuthlich.

      Als sie in die Wohnung kam, suchte sie Dorina auf.

      »Du hattest Besuch?«

      »Ich Besuch? Wer denn?«

      »Lieutenant Graf Siebeck. Ich bin ihm auf der Stiege begegnet.«

      »Ja so … Eva, liebes Herz, sei so gut – erzähle es meinem Manne nicht, daß Siebeck da war … Du weißt ja – Du kennst seine klägliche Eifersucht. Wenn er wüßte, daß ich in seiner Abwesenheit den Besuch eines jungen Offiziers empfangen – er würde mir wieder einen jener Auftritte machen, die mir das Leben vergällen.«

      »So hast Du ihn empfangen? Ich glaubte, es sei nur eine dienstliche Aufwartung bei seinem Obersten gewesen … Und sag‘, Dorina, was hat er gesprochen?«

      »Was soll er gesprochen haben? Von gleichgültigen Dingen – vom Wetter, von – ah, jetzt fällt mir ein! auch von Dir – Du gefällst ihm außerordentlich.«

      Jetzt setzte sich Eva zu der Freundin hin und frug sie eifrig aus; jedes Wort wollte sie erfahren das er gesprochen. Nur zögernd, als ob sie das Gespräch vergessen, oder als ob sie es allmälig erst improvisierte, gab Dorina Antwort, doch in ihrem Frageeifer bemerkte das Eva nicht.

      Von nun an, da das Eis gebrochen war, da sie es überhaupt über sich gebracht, mit Dorina von Graf Siebeck zu reden, brächte sie so oft als möglich die Unterhaltung auf diesen Gegenstand; sie wollte Alles hören, was der Anderen von seinen Verhältnissen bekannt war. Die ertheilte Auskunft fiel sehr knapp aus, denn Dorina gab sich ebenso viele Mühe, diesem Gesprächsstoff auszuweichen, als Eva bestrebt war, ihn herbeizuführen. Was aus den widerstrebend ertheilten Mittheilungen hervorging, war Folgendes: daß Robert ein einziger Sohn war; daß sein Vater die Herrschaft Großstetten in Mähren besaß; daß dieser noch kein alter Mann war und sehr viel auf Reisen lebte – gegenwärtig weile er in Indien —, daß Roberts Mutter, eine nicht Ebenbürtige, gestorben war, als sie ihm das Leben gab; daß er in Wien einmal bedeutende Schulden gemacht hatte, welche von seinem Vater übrigens bereitwilligst bezahlt wurden; daß er nicht mehr lange dienen werde, weil sein Vater wünsche, daß er sich der Landwirthschaft widme, um einst Großstetten übernehmen zu können.

      »Und ist er nicht sehr schwärmerisch?« fragte Eva weiter. »Hat er nicht einen großen Hang zum – Dichten?«

      Dorina lachte auf:

      »Mein Gott,« sagte sie, »ich kenne ihn viel zu wenig, um zu wissen, was seine Neigungen seien; aber wahrlich: Gedichte machen wäre das letzte, was man ihm zumuthen könnte.«

      Eva wußte das besser. Aber sie erhob keinen Widerspruch, um ihr Geheimniß nicht zu verrathen.

      IV

      Es vergingen vierzehn Tage.

      Graf Siebeck hatte sich im Hause Borowetz nicht mehr blicken lassen. Auch gab es keine Blumensträuße und Gedichte mehr. Schon begann Eva zu fürchten, daß ihr schöner Glückstraum vernichtet sei, und das Gefühl der Kränkung, des Kummers schlich sich in ihr Herz.

      Sie ward so auffallend traurig, daß Dorina sie ängstlich befragte, was ihr denn fehle, und daß sogar der Oberst eines Morgens nach dem Frühstück bemerkte:

      »Sie sehen ja aus wie ein Häuflein Unglück, Baroneß Eva. Da ist ja der Uhu, dem ich neulich einen Flügel abgeschossen, und den wir in einen Käfig gesperrt haben, ein Ausbund von Lustigkeit gegen Sie. Ich muß aufrichtig sagen, daß ich so verdrießliche Gesichter nicht gern um mich sehe – die Leute werden noch sagen, Kreuz Million, daß ich meine Hausgenossen schinde. Die Dorina stößt auch seit einiger Zeit Seufzer aus, als ob ihr die Hühner das Korn gefressen hätten. So was kann ich nicht vertragen!« schloß er, indem ihm die Zornesröthe ins Gesicht stieg. Und – wie er das oft zu thun pflegte, wenn er sich zu ärgern begann – er verließ hastig das Zimmer, die Thüre hinter sich zuschlagend.

      »Daß noch ganze Thüren im Hause sind, wundert mich,« sagte Donna. »Die Prügelwuth, die in seinen Händen zittert, läßt mein Herr und Gebieter an den unschuldigen Thüren aus – da kann er ausholen: Bumm – und das ist eine Erleichterung, als ob er einen todtgeschlagen hätte. Wahrlich, wenn ich nicht so gescheidt gewesen wäre, mir vom Leben andere Kompensationen zu verschaffen —« Sie hielt plötzlich inne.

      »Was für Kompensationen?« fragte Eva.

      »Nichts. Sage Du mir lieber, was Dich niederdrückt? Du langweilst Dich bei uns?« Eva schüttelte den Kopf. »Siehst Du, jetzt treten Dir wieder die Thränen in die Augen …«

      »Frag‘ mich nicht, Dorina… ich habe in der That einen Kummer … später – bis ich ihn niedergekämpft habe – werde ich Dir vielleicht mein Herz ausschütten … und wenn es bis dahin nicht – gebrochen ist…«

      »Du närrisches Ding! Gebrochene Herzen kommen nur in den Büchern vor; in der Wirklichkeit stirbt Einer an andern Uebeln.«

      »An der Schwindsucht z. B.?« sage Eva, indem sie unwillkürlich hüsteln mußte. »Und ist dieses nicht oft die Folge eines tiefen seelischen Schmerzes?«

      Der Oberst kam wieder herein. Sein Zorn schien sich gelegt haben.

      »Ich habe vorhin vergessen, Abschied zu nehmen;« sagte er. »Ich muß nämlich heute wieder nach Wiener-Neustadt fahren und komme erst morgen Abend zurück … eine langweilige Geschichte … Es ist schon angespannt… Adieu; Dorina, adieu, Baroneß Eva – daß ich Sie lustiger finde, wenn ich nach Haus komme!«

      An diesem Nachmittag zog sich Dorina schon gegen sechs Uhr, auf ihr

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