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Der Waldläufer. Gabriel Ferry
Читать онлайн.Название Der Waldläufer
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Gabriel Ferry
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
Don Estévan schloß das Fenster, damit nichts von dem, was er zu sagen im Begriff stand, in der Stille der Nacht gehört werden könnte. Er lud den Senator ein, sich zu setzen, und blieb aufrecht vor ihm stehen. Tragaduros sah ihn mit lebhafter Neugierde an; aber er senkte bald die Augen vor den Feuerblicken des Spaniers. Es schien, als ob die Gestalt Don Estévans eine andere wurde und sich plötzlich vergrößerte. »Ich habe zu Euch von Geheimnissen gesprochen, deren Kenntnis denjenigen schwindlig macht, der sie anhört«, sagte er. Der Senator erbebte.
»Als der Versucher den Menschensohn auf den Gipfel eines Berges führte und ihn alle Reiche der Welt sehen ließ und sie ihm versprach, wenn er ihn anbeten wolle«, fuhr der Spanier fort, »da bot er dem Herrn der Welt kaum mehr an, als ich dem Senator von Arizpe anbieten will. Wie der Versucher will ich zu Euren Füßen die Ehre, die Macht und den Reichtum legen, wenn Ihr Euch vor meinen Bedingungen beugen wollt. Hört mich also an, ohne daß Euer Herz erzittert, ohne daß der Schwindel Eure Augen blendet!«
14. Tragaduros gerät wirklich außer sich
Dieser feierliche Eingang, die ehrfurchtgebietende Haltung Don Estévans, die plötzlich auf den spöttischen Ton folgte, den der Spanier bis jetzt beibehalten hatte, machten auf den Senator einen peinlichen Eindruck. Einen Augenblick bedauerte er sogar, sich so weit eingelassen zu haben, und selbst die Million als Mitgift, die rosigen Lippen und die schwarzen Augen Doña Rosaritas verloren etwas von dem blendenden Glanz, mit dem sie ihn bezaubert hatten.
»Vor etwa zwanzig Jahren«, fuhr der Spanier fort, »hatte ich mich einen Augenblick über meinen Beruf in dieser Welt getäuscht; ich glaubte mich geschaffen für ein häusliches Leben, für diese lächerlichen Schäferspiele, von denen gewisse junge Herzen träumen. Eine Enttäuschung … ein … Ereignis ließ mich einsehen, daß ich über mich selbst ganz im Irrtum gewesen war; ich war nur ehrgeizig, weiter nichts. Ich habe darum in einer ehrenvollen Laufbahn die Befriedigung meiner Wünsche gesucht, und die Auszeichnungen sind mir zugeflossen. Ich habe das Recht erworben, vor dem König von Spanien das Haupt zu bedecken. Als Ritter des Ordens des heiligen Jakob vom Schwert, habe ich bei den Feierlichkeiten am Hof den weißen Mantel und den roten Ordensdegen getragen, und für mich war das Gelübde der Keuschheit kein betrüglicher Eid. Als Ritter Karls III. teile ich mit den Prinzen der königlichen Familie den Titel des Großkreuzes, dann nach und nach die Ordensbänder des heiligen Ferdinand, der heiligen Hermenegilde, des Goldenen Vlieses und von Calatrava – beneidete Auszeichnungen, die indes für mich nur ein trauriger Trost waren.«
Diese prunklose Aufzählung blendete den Senator, der auf den Redner einen Blick ehrfurchtsvollen Staunens warf.
Don Estévan fuhr fort: »Die Reichtümer folgten bald den Ehrenbezeigungen. Die reichen Jahresgehälter, verbunden mit dem Vermögen meiner Vorfahren, ließen die Zeit weit hinter mir, wo ich, noch ein einfacher jüngerer Sohn der Familie, nur alles wünschen durfte, und – soll ich es Euch gestehen? – ich war nicht zufrieden. Und doch hatten mich, obgleich nur einfacher Edelmann durch den Zufall meiner Geburt, meine Anstrengungen zum Grafen von Villamares, Marquis von Casareal und Herzog von Armada gemacht.«
»Oh, Señor Herzog«, sagte Despiléarro demütig, »erlaubt … aber … ich …«
»Ich bin noch nicht zu Ende!« sagte der spanische Senator ruhig. »Sobald ich alles gesagt haben werde, habt Ihr hoffentlich keine Zweifel mehr. – Ohne das beleidigende Mißtrauen, das Ihr mir bewiesen habt, würde ich immer für Euch nur der heimliche Agent eines Fürsten geblieben sein, der seinen ganzen Ruhm aus dem Vertrauen geschöpft hätte, mit dem er geehrt ist; ich wäre auch ferner nur für Euch ein einfacher Edelmann Don Estévan de Arechiza geblieben und nichts weiter. Es ist aber dringend notwendig, daß die Rückkehr dieses Mißtrauens sich niemals wieder zeige; darum sollt Ihr auch den Zweck, den ich verfolge, kennenlernen; Ihr sollt meine geheimsten Gedanken lesen.«
Der spanische Señor machte eine Pause, und der Senator bereitete sich vor, ihn mit dem ehrfurchtsvollsten Schweigen anzuhören.
»Ich habe Euch eben gesagt, daß ich seit zwanzig Jahren die Freuden des Ehrgeizes statt des Ehrgeizes selbst gesucht habe; ich habe da die Unwahrheit gesagt. Ich habe zwanzig Jahre meines Lebens verbraucht, um eine Erinnerung zu töten und zu gleicher Zeit meinen Ehrgeiz zu befriedigen«, fuhr der Herzog von Armada fort, den wir auch ferner Don Estévan nennen wollen.
»Einen Augenblick habe ich gehofft, daß diese Erinnerung mitten in den Erschütterungen eines stürmischen Lebens geschwächt würde. Fast gegen meinen Willen also haben während dieser unaufhörlichen Versuche die Reichtümer und Ehrenstellen mich aufgesucht. Ich verfolgte demnach einen doppelten Zweck: den Ehrgeiz zu sättigen und einen Tag meines Lebens zu vergessen.
Als der Liebling eines Fürsten, den ein altersschwacher König und ein schwächliches Kind allein von einem der ersten Throne der Christenheit trennen; überhäuft mit Ehren und Reichtümern; hoch genug gestellt, um tausend Feinde zu haben; zu mächtig, um auch nur einen unter ihnen zu fürchten, habe ich einen Augenblick zu triumphieren gemeint; ich habe geglaubt, zwischen meine Erinnerungen und mich eine unermeßliche Entfernung gelegt zu haben – vergebliche Hoffnung! Wie bei jenen südlichen Horizonten die Durchsichtigkeit der Luft uns die abgebrochenen Umrisse eines Gegenstands trotz der Entfernung erraten läßt, so tauchten die kleinsten Ereignisse einer verabscheuten Vergangenheit ebenso klar vor meinen Augen empor wie vor der Zeit meiner Größe.
Nichts tötet das Gewissen«, fügte der spanische Grande mit düsterer Stimme hinzu, »denn ach, das blutige Schwert des heiligen Jakob war kein leeres Symbol in meiner Hand gewesen. Wenn das Gewissen nicht tötet, so gibt es doch dem Ehrgeiz eine erschreckende Regsamkeit; es ist die Stimme, die ruft: ›Vorwärts, immer vorwärts!‹«
Don Estévan schwieg, während ihn der Senator mit fast furchtsamen Blicken betrachtete, soviel finstere und ehrfurchtgebietende Würde lag in dem Gesichtsausdruck des Spaniers.
»Aber wohin vorwärts?« fuhr der edle Spanier fort. »Welches Ziel noch verfolgen? Durch welche Mündung diesen Strom von Tatkraft wälzen, der in mir brauste?
Endlich bot ein Ereignis mir noch einmal das Ringen und den Kampf; ich schüttelte die Erstarrung ab, die mich entnervte, und hoffte; denn für mich sind Kämpfen und Ringen soviel als Vergessen.
Unsere politischen Erschütterungen gelangten nicht bis zu euch, Don Vicente. Europa kann auf seinen Grundpfeilern wanken, ohne daß ihr in diesem entfernten Winkel Amerikas etwas von unseren Erdstößen merktet. Ihr habt also auch nichts davon erfahren, was ich Euch jetzt erzählen will.
Vor beinahe zwei Jahren entriß der König von Spanien – der Bruder des Fürsten, dem ich ergeben war, Don Carlos von Bourbon – durch eine Verletzung des im Königreich seiner Vorfahren gültigen salischen Gesetzes ihm diese Krone, auf die er wartete, und schuf so den Herd eines Bürgerkrieges, den Ihr später werdet ausbrechen sehen. Die Infantin Isabella wurde zur voraussichtlichen Erbin des Thrones Ferdinands VII. erklärt, mit Ausschließung seines Bruders. Ich versuchte den tödlichen Schmerz meines hohen Beschützers zu stillen – aber vergeblich. Unter den Tröstungen, die ich an ihm versuchte, unter den Plänen, die ich ihm vorlegte, stellte sich plötzlich eine gigantische Unternehmung meiner Einbildungskraft dar; diese Unternehmung öffnete mir eine weite Aussicht, Gefahren Trotz zu bieten, fast unübersteigliche Schwierigkeiten zu überwinden – das gerade machte sie mir annehmbar.
Ich träumte davon, für meinen Herrn ein ebenso schönes, ein ebenso großes Königreich zu erobern als dasjenige, das er verlor; ich träumte, ihm eine der schönsten Blumen der überseeischen Krone wiederzugeben, die seine Vorfahren so ruhmvoll getragen hatten. Ich wollte einen Thron erobern, und diesen Thron, einmal erobert, wollte ich – vor zwanzig Jahren noch ein unbekannter Edelmann, jetzt aber gesättigt von Ehren und Reichtümern – zu einem Almosen machen für den der spanischen Monarchie verlustig gegangenen Erben! Werdet Ihr nun glauben«, fügte er mit einem von ruhigem Stolz strahlenden Lächeln hinzu, »daß Estévan de Arechiza an andere die Schätze der Schönheit und die beneideten Reichtümer der Tochter eines mexikanischen Hacenderos ohne Bedauern verschwenden kann?«
Der