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ob auch erreichen?«

      »Warum nicht?« fragte Grunthe.

      »Hinter den Bergen, der Himmel gefällt mir nicht – auf der Nordseite liegt jetzt seit Stunden die Sonne, es ist dort ein aufsteigender Luftstrom vorhanden –«

      »Wir müssen abwarten.«

      »Da – da – sehen Sie – den herrlichen Absturz des Gletschers «, rief Torm.

      »Wir fliegen gerade auf ihn zu; müssen wir nicht steigen?« fragte Grunthe.

      »Gewiß, dort müssen wir hinüber. Aufgepaßt! Schneiden Sie ab!«

      Zwei Säcke Ballast klappten herab. Der Ballon schoß in die Höhe.

      »Wie die Entfernung täuscht«, sagte Torm. »Ich hätte die Wand für entfernter gehalten – es reicht noch nicht. Wir müssen noch mehr opfern.«

      Er schnitt noch einen Sack ab.

      »Wir dürfen nicht in die Schlucht geraten«, erklärte er, »kein Mensch weiß, in was für Wirbel wir da kommen. Aber was ist das? Der Ballon steigt nicht? Es hilft nichts – noch mehr hinaus!«

      Eine schwarze Felswand, welche den Gletscher in zwei Teile spaltete, erhob sich unmittelbar vor ihnen. Der Ballon schwebte in unheimlicher Nähe. Mit ängstlicher Erwartung verfolgten die beiden Männer den Flug ihres Aërostaten. Der Südwind war jetzt, zu ihrem Glück, hier in der unmittelbaren Nähe der Berge schwächer, sonst wären sie schon an die Felsen geschleudert worden. Der Ballon befand sich nunmehr im Schatten der Berge; das Gas kühlte sich ab. Die Temperatur sank schnell tief unter den Gefrierpunkt. Torm überlegte, ob er noch mehr Ballast auswerfen dürfe. Was er jetzt an Ballast verlor, das mußte er dann an Gas aufopfern, um den Ballon wieder zum Sinken zu bringen, und das Gas war sein größter Schatz, das Mittel, das ihn wieder aus dem Bereich des furchtbaren Nordens bringen sollte. Er wußte ja nicht, was ihn hinter den Bergen erwarte. Aber der Ballon stieg zu langsam. Da – eine seitliche Strömung bewegt ihn – die Strahlen der Sonne, welche über den Sattel des Gletschers herüberlugt, treffen ihn wieder – das Gas dehnt sich aus, der Ballon steigt – tiefer und tiefer sinken die Eismassen unter ihm. –

      »Hurrah!« rufen die beiden Luftschiffer wie aus einem Munde.

      »Was gibt’s?« fährt Saltner aus seinem Schlummer empor. »Sind wir da?«

      »Wollen Sie den Nordpol sehen?«

      »Wo? Wo?« Im Augenblick war Saltner in die Höhe gefahren.

      »Sakri, das ist kalt«, rief er.

      »Wir sind über 500 Meter gestiegen«, antwortete Torm.

      Saltner hüllte sich in seinen Pelz, was die andern schon vorher getan hatten.

      »Wir sind jetzt fast in gleicher Höhe mit dem Kamm des Gebirges. Sobald wir darüber hinwegsehen können, muß vor uns, etwa 50 Kilometer nach Norden, die Stelle liegen –«

      »Wo die Erdachse geschmiert wird!« rief Saltner. »Ich bin verteufelt neugierig. Na, den Champagner brauchen wir nicht erst kalt zu stellen.«

      Die drei Männer standen, am Tauwerk sich haltend, in der Gondel. Mit gespannten Blicken schauten sie jeden Augenblick, den ihnen die Bedienung des Ballons und die Beobachtung der Instrumente freiließ, durch ihre Feldstecher nach Norden, der Sonne entgegen, die erst wenig nach Osten hin beiseite getreten war. Allmählich versanken die Berggipfel unter ihnen – noch ein breiterer Rücken hemmte ihnen die Aussicht – der Ballon glitt jetzt wieder in der Höhe des Kammes dahin, das Schlepptau schleifte –, noch eine breite Mulde war zu überfliegen, dann mußte das ersehnte Ziel vor ihnen liegen. Der Ballon befand sich etwa in der Mitte der Mulde, höchstens 100 Meter über ihrem Boden, und die gegenüberliegende Talwand verdeckte noch die Aussicht. Der Wind war etwas weniger lebhaft, aber immer noch südlich, und der Ballon stieg an der flachen Erhebung des Eisfeldes hinan.

      Jetzt wurden einzelne weiße Bergkuppen in großer Entfernung hinter dem nahen Horizont der gegenüberliegenden Eiswand sichtbar, die Luftschiffer befanden sich in gleicher Höhe mit dem letzten Hindernis, das ihren Blick beschränkte. Die Gipfel mehrten sich, sie bildeten eine Bergkette.

      »Diese Berge liegen schon hinter dem Pol«, sagte Grunthe, und diesmal bebte seine Stimme doch ein wenig vor Aufregung. Fest preßte er seine Lippen zur geraden Linie zusammen.

      Weiter stieg der Ballon – dunkel gefärbte Bergzüge erschienen unter den Schneegipfeln, rötlich und bräunlich schimmernd – jetzt erreichte der Ballon die Höhe und schwebte über einem tiefen Abgrund – das Schleppseil schnellte hinab, und der Ballon sank sofort einige hundert Meter tief – dann pendelte er noch einmal auf und ab – diese plötzliche Schwankung des Ballons hatte die Aufmerksamkeit der Luftschiffer voll in Anspruch genommen – sie sahen unter sich, tief unten ein wildes Gewirr von Klippen, Felstrümmern und Eisblöcken, hinter sich die steil abgebrochene Wand, an welcher der verzerrte Schatten des Ballons auf- und niederschwankte – die Instrumente mußten beobachtet werden, und erst jetzt konnten sie den Blick nach vorwärts lenken, vorwärts und nordwärts – oder war es vielleicht schon südwärts?

      Saltner war der erste, der nach vorn blickte. Aber er sprach nichts, in einem langgedehnten Pfiff blies er den Atem aus seinen gespitzten Lippen.

      »Das Meer!« rief Torm.

      »Grüß Gott!« sagte jetzt Saltner. »Da hat halt der alte Petermann doch recht behalten, aber bloß ein bissel. Ein offenes Polarmeer ist es schon, man muß sich nur nicht zuviel drauf einbilden.«

      »Ein Binnenmeer, ein Bassin, immerhin, gegen tausend Quadratkilometer schätze ich«, sagte Grunthe. »Etwa so groß wie der Bodensee. Aber wer kann wissen, was sich dort hinten noch an Fjords und Kanälen abzweigt. Und auch das Bassin selbst ist durch verschiedene Inseln in Arme geteilt.«

      »Wer da unten zu Fuß oder zu Schiff ankommt, muß Mühe haben zu entscheiden, ob das Meer im Land liegt oder das Land im Meer«, sagte Saltner. »Gut, daß wir’s bequemer haben.«

      »Gewiß«, meinte Torm, »es ist möglich, daß wir ein Stück des offenen Meeres vor uns haben, obwohl es von hier den Anschein hat, als schlössen die Berge das Wasser von allen Seiten ein. Wir werden ja sehen. Aber vor allen Dingen, was sollen wir tun? Wir haben wider Erwarten so hoch steigen müssen, daß wir jetzt sehr viel Gas verlieren würden, wenn wir hinabwollten, und andrerseits werden wir wieder drüben über die Berge hinaufmüssen. Es ist eine schwierige Frage. Aber wir haben noch Zeit, darüber nachzudenken, denn der Ballon bewegt sich jetzt nur langsam.«

      »Und diese Gelegenheit wollen wir benutzen, um dem Nordpol unsern wohlverdienten Gruß zu bringen«, rief Saltner. Mit diesen Worten zog er ein Futteral hervor, aus welchem drei Flaschen Champagner ihre silbernen Hälse einladend hervorstreckten.

      »Davon weiß ich ja gar nichts«, sagte Torm fragend.

      »Das ist eine Stiftung von Frau Isma. Sehen Sie, es steht darauf: ›Am Pol zu öffnen. Gewicht vier Kilogramm.‹«

      Torm lachte. »Dachte ich mir doch«, sagte er, »daß meine Frau irgend etwas einschmuggeln würde, was das Expeditionsreglement durchbricht.«

      »Es ist doch aber auch ein herrlicher Gedanke von Ihrer Frau, sich am Nordpol in Champagner hochleben zu lassen«, erwiderte Saltner. »Erstens für sich selbst, denn das ist etwas, was noch nicht dagewesen ist; das müssen Sie zugeben, Damen sind hier noch niemals leben gelassen worden. Und zweitens für uns, das müssen Sie auch zugeben; es ist sehr wonnig, in dieser Kälte den Schaumwein zu trinken auf das Wohl unserer Kommandeuse. Und drittens, ist es nicht einfach bejauchzbar, das tragische Antlitz unseres Astronomen zu sehen? Denn Champagner trinkt er prinzipiell nicht, und auf weibliche Wesen stößt er prinzipiell nicht an; da er aber auf dem Nordpol prinzipiell in ein Hoch einstimmen muß und will, so findet er sich in einem Widerstreit der Prinzipien, aus dem herauszukommen ihm verteufelt schwerfallen wird.«

      »Darauf könnte ich sehr viel erwidern«, sagte Grunthe. »Zum Beispiel, daß wir noch gar nicht wissen, wo der Nordpol eigentlich liegt.«

      »Schon wahr«, unterbrach ihn

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