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keine Zeit zu Herzensergüssen. Du schweigst, und nur ich rede!«

      Dann wandte ich mich empor zu ihr:

      »Bist du bereit, mit uns zu gehen?«

      »Oh, ja!«

      »Durch die Zimmer geht es nicht?«

      »Nein. Aber drüben hinter den hölzernen Säulen liegt eine Leiter.«

      »Ich hole sie!«

      Wir brauchten also weder die Stange noch den mitgebrachten Strick. Ich ging und fand die Leiter. Sie war fest. Als ich sie angelehnt hatte, stieg Isla empor. Ich schlich unterdessen nach der Tür zum Selamlük, um zu horchen.

      Es dauerte einige Zeit, ehe ich die Gestalt des Mädchens erscheinen sah. Sie stieg herab, und Isla unterstützte sie dabei. In dem Augenblicke, in welchem sie den Boden erreichten, erhielt die Leiter einen Stoß; sie schwankte und stürzte mit einem lauten Krach zu Boden.

      »Flieht! Schnell nach dem Boote!« warnte ich.

      Sie eilten nach dem Tore, und zu gleicher Zeit hörte ich Schritte hinter der Tür. Abrahim hatte das Geräusch vernommen und kam herbei. Ich mußte den Fliehenden den Rückzug decken und folgte ihnen also mit nicht zu großer Schnelligkeit. Der Aegypter bemerkte mich, sah auch die umgestürzte Leiter und das geöffnete Gitter.

      Er stieß einen Schrei aus, der von allen Bewohnern des Hauses gehört werden mußte.

      »Chirsytz, hajdut, Dieb, Räuber, halt! Herbei, herbei, ihr Männer, ihr Leute, ihr Sklaven! Hilfe!«

      Mit diesen laut gebrüllten Worten sprang er hinter mir her. Da der Orient keine Betten nach Art der unseren kennt und man meist in den Kleidern auf dem Diwan schläft, so waren die Bewohner des Hauses alsbald auf den Beinen.

      Der Aegypter war hart hinter mir. Am Außentore blickte ich mich um. Er war nur zehn Schritte von mir entfernt, und dort an dem inneren Tore erschien bereits ein zweiter Verfolger.

      Draußen bemerkte ich nach rechts Isla Ben Maflei mit Senitza fliehen; ich wandte mich also nach links. Abrahim ließ sich täuschen. Er sah nicht sie, sondern nur mich und folgte mir. Ich sprang um die eine Ecke, in der Richtung nach dem Flusse zu, oberhalb des Hauses, während unser Boot unterhalb desselben lag. Dann rannte ich um die zweite Ecke, das Ufer entlang.

      »Halt, Bube! Ich schieße!« erscholl es hinter mir.

      Er hatte also die Waffen bei sich gehabt. Ich eilte weiter. Traf mich seine Kugel, so war ich tot oder gefangen, denn hinter ihm folgten seine Diener, wie ich aus ihrem Geschrei vernahm. Der Schuß krachte. Er hatte im Laufen gezielt, statt dabei stehen zu bleiben; das Geschoß flog an mir vorüber. Ich tat, als sei ich getroffen, und warf mich zur Erde nieder.

      Er stürzte an mir vorbei, denn er hatte nun das Boot bemerkt, in welches Isla eben mit Senitza einstieg. Gleich hinter ihm sprang ich wieder auf. Mit einigen weiten Sprüngen hatte ich ihn erreicht, packte ihn im Nacken und warf ihn nieder.

      Das Geschrei der Fellatah erscholl aber jetzt hinter mir, sie waren mir sehr nahe, da ich mit dem Niederwerfen Zeit und Raum verloren hatte; aber ich erreichte den Kahn und sprang hinein. Sofort stieß Halef vom Ufer, von welchem wir bereits mehrere Bootslängen entfernt waren, als die Verfolger dort ankamen.

      Abrahim hatte sich wieder emporgerafft. Er überblickte die ganze Situation.

      »Geri,« brüllte er: »geri erkekler – zurück, zurück, ihr Männer! – Zurück, nach dem Boote!«

      Alle wandten sich um in der Richtung nach dem Kanale, wo ihr Kahn gelegen hatte. Abrahim kam zuerst an und stieß einen Schrei der Wut aus. Er sah, daß das Boot verschwunden war.

      Wir hatten unterdessen die ruhigeren Gewässer des Ufers verlassen und das schneller strömende Wasser erreicht, Halef und der Barbier aus Jüterbog ruderten; auch ich nahm eines der aus dem Boote Abrahims genommenen Ruder; Isla tat dasselbe, und so schoß unser Kahn sehr schnell stromabwärts.

      Es wurde kein Wort gesprochen; unsere Stimmung war nicht danach, in Worte gefaßt zu werden.

      Während des ganzen Abenteuers war doch eine längere Zeit vergangen, so daß jetzt bereits sich der Horizont rötete und man die nebellosen Wasser des Niles weithin zu überblicken vermochte. Noch immer sahen wir Abrahim mit den Seinigen am Ufer stehen, und weiter oben erschien ein Segel, welches in dem Morgenrot erglühte.

      »Ein Sandal!« meinte Halef.

      Ja, es war ein Sandal, eine jener lang gebauten, stark bemannten Barken, welche so schnell segeln, daß sie fast mit einem Dampfer um die Wette gehen.

      »Er wird den Sandal anrufen und uns auf demselben verfolgen,« sagte Isla.

      »Hoffentlich ist der Sandal ein Kauffahrer, der nicht auf ihn hört!«

      »Wenn Abrahim dem Reïs eine genügende Summe bietet, wird dieser sich nicht weigern.«

      »Auch in diesem Falle würden wir einen guten Vorsprung gewinnen. Ehe der Sandal anlegt und der Reïs mit Abrahim verhandelt hat, vergeht einige Zeit. Auch muß sich Abrahim, ehe er an Bord gehen kann, mit allem versehen, was zu einer längeren Reise notwendig ist, da er nicht wissen kann, welche Ausdehnung die Verfolgung haben wird.«

      Das Segel entschwand jetzt unseren Blicken, und wir machten eine so schnelle Fahrt, daß wir nach kaum einer halben Stunde die Dahabië zu Gesicht bekamen, welche uns weiter tragen sollte.

      Der alte Abu el Reïsahn lehnte an der Brüstung des Sternes. Er sah, daß eine weibliche Person im Boote saß, und wußte also, daß unser Unternehmen gelungen sei, wenigstens gelungen bis zu diesem Augenblick.

      »Legt an,« rief er. »Die Treppe ist niedergelassen!«

      Wir stiegen an Bord, und das Boot wurde am Steuer befestigt. Dann ließ man die Seile gehen und zog die Segel auf. Das Fahrzeug drehte den Schnabel vom Land ab; der Wind legte sich in das Leinen, und wir strebten der Mitte des Stromes zu, welcher uns nun abwärts trug.

      Ich war zum Reïs getreten.

      »Wie ging es?« fragte er mich.

      »Sehr gut. Ich werde es dir erzählen; doch sage mir vorher, ob ein guter Sandal dein Fahrzeug einholen könnte.«

      »Werden wir verfolgt?«

      »Ich glaube es nicht, doch ist es möglich.«

      »Meine Dahabië ist sehr gut, aber ein guter Sandal holt jede Dahabië ein.«

      »So wollen wir wünschen, daß wir unverfolgt bleiben!«

      Ich erzählte nun den Hergang unseres Abenteuers und ging dann nach der Kajüte, um meine noch immer feuchten Kleider zu wechseln. Sie war in zwei Teile geteilt, einen kleinen und einen größeren. Der erstere war für Senitza und der letztere für den Kapitän, Isla Ben Maflei und mich bestimmt.

      Es waren vielleicht zwei Stunden seit unserer Abfahrt vergangen, als ich oberhalb unseres Schiffes die Spitze eines Segels bemerkte, welches sich immer mehr vergrößerte. Als der Rumpf sichtbar wurde, erkannte ich den Sandal, welchen wir in der Frühe gesehen hatten.

      »Siehst du das Schiff?« fragte ich den Reïs.

      »Allah akbar, Gott ist groß, und deine Frage ist auch groß,« antwortete er mir. »Ich bin ein Reïs und sollte ein Segel nicht sehen, welches so nahe hinter dem meinigen steuert!«

      »Ob es ein Fahrzeug des Khedive ist?«

      »Nein.«

      »Woraus erkennst du dies?«

      »Ich kenne diesen Sandal sehr genau.«

      »Ah!«

      »Er gehört dem Reïs Chalid Ben Mustapha.«

      »Kennst du diesen Chalid?«

      »Sehr; aber wir sind keine Freunde.«

      »Warum?«

      »Ein ehrlicher Mann kann nicht der Freund eines Unehrlichen sein.«

      »Hm, so ahnt mir etwas.«

      »Was?«

      »Daß sich Abrahim-Mamur an seinem Bord befindet.«

      »Werden

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