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das Leben oder die Gesundheit, denen eure Aerzte nicht helfen könnten.«

      »War deine Frage wirklich notwendig?«

      »Ja!«

      »Sie ist noch ein Mädchen, obgleich sie mir gehört.«

      »So ist die Hilfe sicher.«

      Er führte mich wieder nur bis in das Zimmer, in welchem ich gestern warten mußte und in welchem ich auch heute zurückblieb. Ich sah mich genauer um. Fenster gab es nicht; die Lichtöffnungen waren vergittert. Das hölzerne Gitterwerk war so angebracht worden, daß man es öffnen konnte, indem man ein langes, dünnes Riegelstäbchen herauszog. Schnell entschlossen zog ich es heraus und steckte es so hinter das Gitter, daß es nicht bemerkt werden konnte. Kaum war ich damit fertig, so erschien Abrahim wieder. Hinter ihm trat Senitza ein.

      Ich ging auf sie zu und legte ihr meine Fragen vor. Unterdessen spielte ich wie im Eifer für die Sache mit dem Ringe, den mir Isla mitgegeben hatte, und ließ ihn dabei aus den Fingern gleiten. Er rollte hin bis an ihre Füße; sie bückte sich schnell und hob ihn auf. Sofort aber trat Abrahim auf sie zu und nahm ihr ihn aus der Hand. So schnell das ging, sie hatte doch Zeit gehabt, einen Blick auf den Ring zu werfen – sie hatte ihn erkannt, das sah ich an ihrem Zusammenzucken und an der unwillkürlichen Bewegung ihrer Hand nach ihrem Herzen. Nun hatte ich für jetzt weiter nichts mehr hier zu tun.

      Abrahim fragte, wie ich sie gefunden habe.

      »Gott ist gut und allmächtig,« antwortete ich; »er sendet den Seinen Hilfe, oft ehe sie es denken. Wenn er es will, so ist sie morgen bereits gesund. Sie mag die Medizin nehmen, die ich ihr senden werde, und mit Vertrauen warten, bis ich wiederkomme.«

      Heute entließ sie mich, ohne ein Wort zu wagen. Im Selamlück harrte Halef bereits mit der Apotheke. Ich gab nichts als ein Zuckerpulver, wofür der kleine Agha ein noch größeres Backschisch als gestern erhielt. Dann ging es wieder stromabwärts zurück. Der Kapitän erwartete mich bereits bei dem Kaufherrn.

      »Hast du sie gesehen?« rief mir dieser entgegen.

      »Ja.«

      »Erkannte sie den Ring?«

      »Sie erkannte ihn.«

      »So weiß sie, daß ich in der Nähe bin!«

      »Sie ahnte es. Und wenn sie meine Worte richtig deutet, so weiß sie, daß sie heute Nacht errettet wird.«

      »Aber wie?«

      »Hassan el Reïsahn, bist du mit deinem Lecke fertig?«

      »Ich werde fertig bis zum Abend.«

      »Bist du bereit, uns aufzunehmen und nach Kairo zu bringen?«

      »Ja.«

      »So hört mich! In das Haus führen zwei Türen, welche aber von innen verriegelt sind; durch sie können wir nicht eindringen. Aber es gibt noch einen zweiten Weg, wenn er auch schwierig ist. Isla Ben Maflei, kannst du schwimmen?«

      »Ja.«

      »Gut. Es führt ein Kanal aus dem Nil unter den Mauern hinweg nach einem Bassin, welches in der Mitte des Hofes sich befindet. Kurz nach Mitternacht, wenn alles schläft, treffen wir dort ein, und du dringst durch den Kanal und das Bassin in den Hof. Die Türe, welche du sofort finden wirst, ist durch einen Riegel verschlossen, der sehr leicht zurückzuschieben ist. Indem du öffnest, kommst du in den Garten, dessen Türe auf gleiche Weise sich öffnen läßt. Sobald die Türen offen sind, trete ich ein. Wir holen eine Stange aus dem Garten und lehnen sie an die Mauer, um zu dem Gitter emporzusteigen, hinter welchem die Frauengemächer liegen. Ich habe es bereits von innen geöffnet.«

      »Und dann?«

      »Was dann geschehen soll, muß sich nach den Umständen richten. Wir fahren mit einem Boote bis an Ort und Stelle, wo unsere erste Arbeit sein muß, das Boot Abrahim-Mamurs zu versenken, so daß er uns nicht verfolgen kann. Unterdessen macht der Reïs seine Dahabië segelfertig.«

      Ich nahm einen Stift zur Hand und zeichnete den Riß des Hauses auf ein Blatt Papier, so daß Isla Ben Maflei vollständig orientiert war, wenn er heute abend aus dem Bassin stieg. Der Tag verging vollends unter den notwendigen Vorbereitungen; der Abend kam, und als es Zeit wurde, rief ich Halef herein und gab ihm die nötigen Weisungen für das bevorstehende Abenteuer.

      Halef packte rasch unsere Habseligkeiten zusammen. Die Wohnungsmiete war schon voraus bezahlt.

      Ich begab mich zu Hassan, und Halef kam sehr bald mit den Sachen nach. Das Schiff war bereit zur Fahrt und brauchte nur noch vom Ufer gelöst zu werden. Nach einiger Zeit stellte sich auch Isla mit seinem Diener ein, der von ihm unterrichtet worden war, und nun stiegen wir in das lange, schmale Boot, welches zur Dahabië gehörte. Die beiden Diener mußten rudern, und ich lenkte das Steuer.

      Es war eine jener Nächte, in denen die Natur in so tiefem Vertrauen ruht, als gäbe es auf dem ganzen weiten Erdenrunde kein einziges drohendes Element.

      Die leisen Lüfte, welche mit dem Schatten der Dämmerung gespielt hatten, waren zur Ruhe gegangen; die Sterne des Südens lächelten freundlich aus dem tiefblauen Dunkel des Himmels herab, und die Wasser des ehrwürdigen Stromes fluteten ruhig und lautlos dahin in ihrer breiten Bahn. Diese Ruhe herrschte auch in meinem Innern, obgleich es schwer scheint, dies zu glauben.

      Es war nichts Leichtes, was wir zu vollbringen gedachten, aber man bebt ja vor einem Ereignisse; ist dasselbe jedoch einmal angebahnt oder gar bereits eingetreten, so hat man mit den Chancen abgeschlossen und kann ohne innere Kämpfe handeln. Eine nächtliche Entführung wäre vielleicht gar nicht notwendig gewesen; wir hätten vielmehr Abrahim-Mamur vor Gericht angreifen können. Aber wir wußten ja nicht, wie die Verhältnisse lagen und welche rechtlichen und unrechtlichen Mittel ihm zu Gebote standen, sein Anrecht auf Senitza geltend zu machen. Nur von ihr erst konnten wir erfahren, was wir wissen mußten, um gegen ihn aufzutreten, und das konnten wir nur dann erfahren, wenn es uns gelang, sie hinter seinem Rücken in unsere Hände zu bekommen.

      Nach einer kleinen Stunde hoben sich die dunklen Umrisse des Gebäudes aus ihrer grauen, steinigen Umgebung hervor. Wir legten eine kurze Strecke unterhalb der Mauer an, und ich stieg zunächst ganz allein aus, um zu rekognoszieren. Ich fand in der ganzen Umgebung des Hauses nicht die geringste Spur von Leben, und auch innerhalb der Mauern schien alles in tiefster Ruhe zu liegen. Am Kanale lag das Boot Abrahims mit den Rudern. Ich stieg ein und brachte es neben unsern Kahn.

      »Hier ist das Boot,« sagte ich zu den beiden Dienern. »Fahrt es ein wenig abwärts, füllt es mit Steinen und laßt es sinken. Die Ruder aber können wir gebrauchen. Wir nehmen sie in unser Boot herein, welches ihr nachher nicht anhängen laßt, sondern so bereit haltet, daß wir abstoßen können, sobald wir einsteigen. Isla Ben Maflei, folge mir!«

      Ich verließ das Boot, und wir schlichen zum Kanale. Dessen Wasser blickten uns nicht sehr einladend entgegen. Ich warf einen Stein hinein und erkannte dadurch, daß der Kanal nicht tief sei. Isla zog seine Kleider aus und stieg hinein. Das Wasser reichte ihm bis an das Kinn.

      »Wird es gehen?« fragte ich ihn.

      »Mit dem Schwimmen besser als mit dem Gehen. Der Kanal hat so viel Schlamm, daß er mir fast bis an die Kniee reicht.«

      »Bist du noch entschlossen?«

      »Ja. Bringe meine Kleider mit zum Tore. Haidi, wohlan!«

      Er hob die Beine empor, stieß die Arme aus und verschwand unter der Maueröffnung, durch welche das Wasser führte.

      Ich verließ die Stelle nicht sofort, sondern ich wartete noch eine Weile, da es ja sehr leicht möglich war, daß etwas Unvorhergesehenes geschehen konnte, was meine Gegenwart wünschenswert erscheinen ließ. Ich hatte das Richtige getroffen, denn eben wollte ich mich wenden, als der Kopf des Schwimmers in der Oeffnung wieder erschien.

      »Du kehrst zurück?«

      »Ja. Ich konnte nicht weiter.«

      »Warum?«

      »Effendi, wir können Senitza nicht befreien!«

      »Weshalb nicht?«

      »Die Mauer ist zu hoch – — —«

      »Es

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