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Ein Kampf um Rom. Felix Dahn
Читать онлайн.Название Ein Kampf um Rom
Год выпуска 0
isbn
Автор произведения Felix Dahn
Жанр Зарубежная классика
Издательство Public Domain
»Das ist nicht so, beim Glanz der Sonne!« fiel Totila eifrig ein. »Find’ ich auch in deiner milden Seele den herben Wahn? Blick’ doch nur um dich! Wann, sage mir, wann hat Italien herrlicher geblüht als unter unsrem Schilde? Kaum in den Tagen des Augustus. Ihr lehrt uns Weisheit und Kunst, wir leihen euch Friede und Schutz. Kein schöneres Wechselverhältnis läßt sich denken! Die Harmonie zwischen Römern und Germanen kann eine ganz neue Zeit erschaffen, schöner als je eine bestanden.«
»Die Harmonie! Aber sie ist nicht da. Ihr seid uns ein fremdes Volk, geschieden durch Sprache und Glauben, durch Stammes— und Sinnesart und durch halbtausendjährigen Haß.
Wir brachen früher eure Freiheit, ihr jetzt die unsre; zwischen uns gähnt eine ewige Kluft.« — »Du verwirfst den Lieblingsgedanken meiner Seele.«
»Es ist ein Traum!« — »Nein, er ist Wahrheit, ich fühl’ es und vielleicht kommt noch die Zeit, dir’s zu beweisen. Das Werk meines Lebens bau’ ich drauf.« — »So wär’s auf einen edlen Wahn gebaut. Keine Brücke zwischen Römern und Barbaren!« — »Dann«, sagte Totila heftig, »begreif ich nicht, wie du leben kannst, wie du mich —«
»Vollende nicht«, sagte Julius ernst. »Es war nicht leicht: es war die schwerste der Entsagungen! Erst nach hartem Widerstreit der Selbstsucht ist sie mir gelungen: aber endlich hab’ ich aufgehört, in meinem Volk allein zu leben. Der heil’ge Glaube, der jetzt schon — und er allein vermag’s — Römer und Germanen verbindet, der meinen widerstrebenden Verstand durch lauter Schmerzen — Schmerzen, die Freuden sind, — allmählich immer mächtiger umschlingt, er hat mir auch in diesem Zwiespalt Friede gebracht. In diesem einen darf ich mich jetzt schon rühmen, ein Christ zu sein: ich lebe der Menschheit, nicht meinem Volk allein, ein Mensch, kein bloßer Römer mehr. Darum kann ich dich, den Barbaren, lieben wie einen Bruder: sind wir doch Bürger eines Reichs: der Menschheit.
Darum kann ich es ertragen, zu leben, nachdem ich mein Volk gestorben sehe. Ich lebe der Menschheit: sie ist mein Volk!«
»Nein«, rief Totila lebhaft, »das könnt’ ich nimmermehr. In meinem Volk allein kann ich und will ich leben: meines Volkes Art ist die Luft, in der allein meine Seele atmen kann. Warum soll’n wir nicht dauern können, ewig: oder doch solang diese Erde dauert? Was Perser und Griechen! Wir sind von besserem Stoff. Weil sie dahinsiechten und versanken, müssen darum auch wir siechen und versinken? Noch blüh’n wir in voller Jugendkraft! Nein, wenn ein Tag kommt, da die Goten sinken — mög’ ihn mein Auge nicht mehr sehn. O all ihr Götter, laßt uns nicht dahinkranken jahrhundertelang wie diese Griechen, die nicht leben können und nicht sterben! Nein, muß es sein, so sendet ein furchtbar Kampfgewitter und laßt uns rasch und herrlich fallen, alle, alle und mich voran!«
Der Jüngling hatte sich in die wärmste Begeisterung gesprochen. Er sprang empor von der Marmorbank auf der Straße, darauf sie sich niedergelassen, den Lanzenschaft hoch gen Himmel erhebend.
»Mein Freund«, sagte Julius, ihn liebevoll anblickend, »wie schön steht dir dieser Eifer! Aber bedenke, ein solcher Kampf würde mit uns, mit meinem Volk entbrennen, und sollte ich —?«
»Zu deinem Volke sollst du stehn mit Leib und Seele, das ist klar, wenn es jemals zu solchem Kampfe kommt. Du glaubst, das würde unsrer Freundschaft Eintrag tun? Mitnichten! Zwei Helden können sich knochentiefe Wunden haun und dabei doch die besten Freunde sein. Ha, mich würd’ es freuen, dich in einer Schlachtreihe mir entgegenschreiten zu sehn mit Schild und Speer!«
Julius lächelte. »Meine Freundschaft ist nicht so grimmiger Art, du wilder Gote. — Diese Fragen und Zweifel haben mich lange und bitter gequält, und all meine Philosophen zusammen haben mir nicht den Frieden gebracht. Erst seit ich’s in Schmerzen erfahren, daß ich dem Gott im Himmel allein zu dienen habe und auf Erden der Menschheit und nicht einem Volk —«
»Gemach, Freund«, rief Totila, »wo ist denn die Menschheit, von der du schwärmst? Ich sehe sie nicht. Ich sehe nur Goten, Römer, Byzantiner! Eine Menschheit über den wirklichen Völkern, irgendwo in den Lüften, kenn’ ich nicht. Ich diene der Menschheit, indem ich meinem Volke lebe. Ich kann gar nicht anders! Ich kann nicht die Haut abstreifen, darin ich geboren bin. Gotisch denk’ ich, in gotischen Worten, nicht in einer allgemeinen Sprache der Menschheit; die gibt es nicht. Und wie ich nur gotisch denke, kann ich auch nur gotisch fühlen. Ich kann das Fremde anerkennen, o ja. Ich bewundere eure Kunst, euer Wissen, zum Teil euren Staat, in welchem alles so streng geordnet ist.
Wir können vieles von euch lernen — aber tauschen könnt’ ich und möcht ich mit keinem Volk von Engeln. Ha, meine Goten! Im Grund des Herzens sind mir ihre Fehler lieber als eure Tugenden.«
»Wie ganz anders empfinde ich, und bin doch ein Römer!«
»Du bist kein Römer! Vergib, mein Freund, es gibt schon lange keine Römer mehr. Sonst wär’ ich nicht der Seegraf von Neapolis! So wie du kann nur empfinden, wer eigentlich kein Volk mehr hat. So wie ich muß jeder fühlen, der eines lebendigen Volkes ist!«
Julius schwieg eine Weile. »Und wenn dem so ist — wohl mir! Heil, wenn ich die Erde verloren, den Himmel zu gewinnen. Was sind die Völker, was ist der Staat, was ist die Erde? Nicht hier unten ist die Heimat meiner unsterblichen Seele! Sie sehnt sich nach jenem Reiche, wo alles anders ist als hier.«
»Halt ein, mein Julius«, sprach Totila, stehenbleibend, die Lanze auf den Boden stoßend. »Hier laß mich stehn und leben, hier nach Kräften das Schöne genießen, das Gute schaffen nach Kräften. In deinen Himmel kann und will ich dir nicht folgen. Ich ehre deine Träume, ich ehre deine heil’ge Sehnsucht — aber ich teile sie nicht. Du weißt«, fügte er lächelnd hinzu, »ich bin ein Heide, unverbesserlich wie meine Valeria — unsere Valeria. Zur rechten Stunde denk’ ich ihrer. Deine erdenflücht’gen Träume ließen uns am Ende des Liebsten auf Erden vergessen. Sieh, wir sind zur Stadt zurückgekommen, die Sonne sinkt so rasch hier im Süden, und ich soll noch vor Nacht die bestellten Sämereien in den Garten des Valerius bringen. Ein schlechter Gärtner«, lächelte er, »der seiner Blume vergäße. Leb’ wohl — ich biege rechts hinab.«
»Grüße mir Valeria. Ich gehe nach Hause, zu lesen.«
»Was liesest du jetzt? Noch Platon?«
»Nein, Augustinus, Lebe wohl!«
ZWEIUNDZWANZIGSTES KAPITEL
Rasch eile Totila durch die Straßen der Vorstadt, die belebteren Teile der Innenstadt meidend, nach der Porta capuana zu und dem Turm Isaks, des jüdischen Pförtners. Der Turm, unmittelbar zur Rechten des Tores, mit starken Mauern und massiv gewölbtem Dach erbaut, erhob sich in mehreren sich verjüngenden Absätzen. In dem höchsten Stockwerk, dicht an den zackigen Zinnen, waren zwei niedre, aber breite Gelasse zur Wohnung des Türmers bestimmt.
Dort hausten der alte Jude und Miriam, sein dunkelschönes Kind.
In dem größern Gemach, wo an den Wänden in strengster Ordnung die großen, schweren Schlüssel zu den Haupttüren und den Nebenpforten des wichtigsten Torgebäudes, dann das krumme Wächterhorn und der breite, hellebardengleiche Speer des Pförtners hingen, saß mit gekreuzten Beinen auf rohrgeflochtener Matte Isak, der greise Turmwart: eine hohe, starkknochige Gestalt mit der Adlernase und den buschigen, hochgeschweiften Brauen seiner Rasse.
Er hielt einen langen Stab zwischen den Knien, und aufmerksam hörte er den Worten eines jungen, unansehnlichen Mannes, offenbar auch eines Israeliten, zu, in dessen harten, nüchternen Zügen der ganze Rechnerverstand des jüdischen Stammes lag.
»Sieh, Vater Isak«, schloß er mit unschöner, klangloser Stimme, »meine Rede ist keine eitle Rede, und meine Worte kommen nicht aus dem Herzen allein, das blind ist, sondern aus dem Kopf, der da ist sehend. Und hier hab’ ich mit mir gebracht Brief und Urkund für jedes Wort meines Mundes: hier meine Bestallung als Baumeister für alle