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und seufzte über den Gefahren meines Reiches, da stieg mir vor der Seele auf das Bild einer andern Schuld! Nicht der Güte, nein, der Ruhmsucht, der blutigen Gewalt. Und wehe, wehe mir, wenn das Volk der Goten sollte untergehn zur Strafe für Theoderichs Frevel! Sein, sein Bild tauchte mir empor!«

      Der Kranke sprach nun mit Anstrengung und zuckte einen Augenblick. »Wessen Bild? Wen meinst du?« fragte der Alte leise, sich vorbeugend. »Odoaker!« flüsterte der König. Hildebrand senkte das Haupt. Ein banges Schweigen unterbrach endlich Theoderich: »Ja, Alter, diese Rechte — du weißt es — hat den gewaltigen Helden durchstoßen, beim Mahl, meinen Gast. Heiß spritzte sein Blut mir ins Gesicht, und ein Haß ohne Ende sprühte auf mich aus seinem brechenden Auge. Vor wenigen Monden, in jener Nacht, stieg sein blutiges, bleiches, zürnendes Bild wie ein Rachegott vor mir auf. Fiebernd zuckte mein Herz zusammen. Und furchtbar sprach’s in mir: um dieser Bluttat willen wird dein Reich zerfallen und dein Volk vergehn.«

      Nach einer neuen Pause begann diesmal Hildebrand, trotzig aufblickend: »König, was quälst du dich wie ein Weib? Hast du nicht Hunderte erschlagen mit eigner Hand und dein Volk Tausende auf dein Gebot? Sind wir nicht von den Bergen in dies Land herabgestiegen in mehr als dreißig Schlachten, im Blute watend knöcheltief? Was ist dagegen das Blut des einen Mannes! Und denk’: wie es stand. Vier Jahre hatte er dir widerstanden wie der Auerstier dem Bären. Zweimal hatte er dich und dein Volk hart an den Rand des Verderbens gedrängt. Hunger, Schwert und Seuche rafften deine Goten dahin. Endlich, endlich fiel das trotzige Ravenna; ausgehungert, durch Vertrag. Bezwungen lag der Todfeind dir zu Füßen. Da kommt die Warnung, er sinnt Verrat, er will noch einmal den gräßlichen Kampf aufnehmen, er will zur Nacht desselben Tages dich und die Deinen überfallen. Was solltest du tun? Ihn offen zur Rede stellen? War er schuldig, so konnte das nicht retten. Kühn kamst du ihm zuvor und tatest ihm abends, was er dir nachts getan hätte. Und wie hast du deinen Sieg benützt! Die eine Tat hat all dein Volk gerettet, hat einen neuen Kampf der Verzweiflung erspart. Du hast all die Seinen begnadigt, hast Goten und Welsche dreißig Jahre leben lassen wie im Himmelreich. Und nun willst du um jene Tat dich quälen? Zwei Völker danken sie dir in Ewigkeit. Ich — ich hätt’ ihn siebenmal erschlagen.«

      Der Alte hielt inne, sein Auge blitzte, er sah wie ein zorniger Riese aus. Aber der König schüttelte das Haupt.

      »Das ist nichts, alter Recke, alles nichts! Hundertmal hab’ ich mir dasselbe gesagt, und verlockender, feiner, als deine Wildheit es vermag. Das hilft alles nichts. Er war ein Held, der einzige meinesgleichen! — Aus Argwohn, aus Eifersucht, ja — es muß gesagt sein, aus Furcht — aus Furcht, noch einmal mit ihm ringen zu sollen. Das war und ist und bleibt ein Frevel. Und ich fand keine Ruhe hinter Ausreden. Düstre Schwermut fiel auf mich. Seine Gestalt verfolgte mich seit jener Nacht unaufhörlich. Beim Schmaus und im Rat, auf der Jagd, in der Kirche, im Wachen und im Schlafen. Da schickte mir Cassiodor die Bischöfe, die Priester. Sie konnten mir nicht helfen. Sie hörten meine Beichte, sahen meine Reue, meinen Glauben, und vergaben mir alle Sünden. Aber Friede kam nicht über mich, und ob sie mir verziehen, ich konnte mir nicht verzeihen. Ich weiß nicht, ist es der alte Sinn meiner heidnischen Ahnen: aber ich kann mich nicht hinter dem Kreuz verstecken vor dem Schatten des Ermordeten. Ich kann mich nicht gelöst glauben von meiner blutigen Tat durch das Blut eines unschuldigen Gottes, der am Kreuz gestorben.«

      Freude leuchtete über das Antlitz Hildebrands: »Du weißt«, raunte er ihm zu, »ich habe niemals diesen Kreuzpriestern glauben können. Sprich, o sprich, glaubst auch du noch an Thor und Odin? Haben sie dir geholfen?«

      Der König schüttelte lächelnd das Haupt: »Nein, du alter, unverbesserlicher Heide. Dein Walhall ist nichts für mich. Höre, wie mir geholfen ward. Ich schickte gestern die Bischöfe fort und kehrte tief in mich selber ein. Und dachte und flehte und rang zu Gott. Und ich ward ruhiger. Und sieh’, in der Nacht kam über mich tiefer Schlummer, wie ich ihn seit langen Monden nicht mehr gekannt. Und als ich erwachte, da schauerte kein Fieber der Qual mehr in meinen Gliedern. Ruhig war ich und klar. Und dachte dieses: ‘Ich habe es getan, und keine Gnade, kein Wunder Gottes macht es ungeschehen. Wohlan, er strafe mich. Und wenn er der zornige Gott des Moses, so räche er sich und strafe mit mir mein ganzes Haus bis ins siebente Glied. Ich weihe mich und mein Geschlecht der Rache des Herrn. Er mag uns verderben: er ist gerecht. Aber weil er gerecht ist, kann er nicht strafen dieses edle Volk der Goten um fremde Schuld. Er kann es nicht verderben um des Frevels seines Königs willen. Nein, das wird er nicht. Und muß dies Volk einst untergehen, ich fühl’ es klar, dann ist es nicht um meine Tat. Für diese weih’ ich mich und mein Haus der Rache des Herrn.’ Und so kam Friede über mich, und mutig mag ich sterben.«

      Er schwieg. Hildebrand aber neigte das Haupt und küßte die Rechte, welche Odoaker erschlagen hatte. —

      »Das war mein Abschied an dich. Und mein Vermächtnis, mein Dank für ein ganzes Leben der Treue. Jetzt laß uns den Rest der Zeit noch diesem Volk der Goten zuwenden. Komm, hilf mir aufstehen, ich kann nicht in den Kissen sterben. Dort hängen meine Waffen. Gib sie mir! — Keine Widerrede! Ich will. Und ich kann.«

      Hildebrand mußte gehorchen. Rüstig erhob sich mit seiner Hilfe der Kranke von dem Lager, schlug einen weiten Purpurmantel um die Schultern, gürtete sich mit dem Schwert, setzte den niedern Helm mit der Zackenkrone auf das Haupt und stützte sich auf den Schaft der schweren Lanze, den Rücken gegen die breite dorische Mittelsäule des Gemaches gelehnt.

      »So, jetzt rufe meine Tochter. Und Cassiodor. Und wer sonst da draußen

      SIEBENTES KAPITEL

      So stand er ruhig, während der Alte die Vorhänge an der Tür zu beiden Seiten zurückschlug, so daß Schlafzimmer und Vorhalle nunmehr einen ungeschiedenen Raum bildeten. Alle draußen Versammelten — es hatten sich inzwischen noch mehrere Römer und Goten eingefunden — näherten sich mit Staunen und ehrfürchtigem Schweigen dem König.

      »Meine Tochter«, sprach dieser, »sind die Briefe aufgesetzt, die meinen Tod und meines Enkels Thronfolge nach Byzanz berichten sollen?« — »Hier sind sie«, sprach Amalaswintha.

      Der König durchflog die Papyrusrollen.

      »An Kaiser Justinus. Ein zweiter: an seinen Neffen Justinianus. Freilich, der wird bald das Diadem tragen und ist schon jetzt der Herr seines Herrn! Cassiodor hat sie verfaßt — ich sehe es an den schönen Gleichnissen. Aber halt« — und die hohe klare Stirn verdüsterte sich — »’eurem kaiserlichen Schutze meine Jugend empfehlend.’ Schutze? Das ist des Guten zu viel. Wehe, wenn ihr auf Schutz von Byzanz gewiesen seid. Freundschaft mich empfehlend ist genug von dem Enkel Theoderichs.« Und er gab die Briefe zurück. »Und hier ein drittes Schreiben nach Byzanz? An wen? An Theodora, die edle Gattin Justinians? Wie, an die Tänzerin vom Zirkus? Des Löwenwärters schamlose Tochter?« Und sein Auge funkelte. »Sie ist von größtem Einfluß auf ihren Gemahl«, wandte Cassiodor ein. — »Nein, meine Tochter schreibt an keine Dirne, die aller Weiber Ehre besudelt hat.« Und er zerriß die Papyrusrolle und schritt über die Stücke zu den Goten im Mittelgrund der Halle. »Witichis, tapferer Mann, was wird dein Amt sein nach meinem Tod?«

      »Ich werde unser Fußvolk mustern zu Tridentum.«

      »Kein Beßrer könnte das. Du hast noch immer nicht den Wunsch getan, den ich dir damals freigestellt nach der Gepidenschlacht. Hast du noch immer nichts zu wünschen?«

      »Doch, mein König.«

      »Endlich! Das freut mich — sprich.« — »Heute soll ein armer Kerkerwart, weil er sich weigerte, einen Angeklagten zu foltern und nach dem Liktor schlug, selbst gefoltert werden. Herr König, gib den Mann frei: das Foltern ist schändlich und —«

      »Der Kerkerwart ist frei, und von Stund’ an wird die Folter nicht mehr gebraucht im Reich der Goten. Sorg’ dafür, Cassiodorus. Wackrer Witichis, gib mir die Hand. Auf daß alle wissen, wie ich dich ehre, schenk’ ich dir Wallada, mein lichtbraun Edelroß, zu Gedächtnis dieser Scheidestunde. Und kommst du je auf seinem Rücken in Gefahr, oder« — hier sprach er ganz leise zu ihm — »will es versagen, flüstre dem Roß meinen Namen ins Ohr. — Wer wird Neapolis hüten? Der Herzog Thulun war zu rauh. Das fröhliche Volk dort muß durch fröhliche Mienen gewonnen werden.«

      »Der

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