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Schmerzes, wie ein blutiger Springquell herausstürzte aus der zerrissenen Brust.

      Niemand befand sich in dem Kreise, den das Duett nicht tief ergriffen, vielen standen die hellen Tränen in den Augen, selbst die Benzon gestand, daß sie selbst im Theater bei irgendeiner gut dargestellten Abschiedsszene Ähnliches noch nicht empfunden. Man überhäufte Julien und den Kapellmeister mit Lobsprüchen, man sprach von der wahren Begeisterung, die beide beseelt, und stellte die Komposition vielleicht noch höher, als sie es verdiente.

      Der Prinzessin Hedwiga hatte man während des Gesanges die innere Bewegung wohl angemerkt, unerachtet sie bemüht war, ruhig zu scheinen, ja durchaus jede Teilnahme zu verbergen. Neben ihr saß ein junges Ding von Hofdame mit roten Wangen, zum Weinen und Lachen gleich aufgelegt, der raunte sie allerlei in die Ohren, ohne daß es ihr gelang, irgend andere Antwort zu erhalten, als einzelne Wörter, in der Angst der höfischen Konvenienz ausgestoßen. Auch der Benzon, die an der andern Seite saß, flüsterte sie gleichgültige Dinge zu, als höre sie gar nicht auf das Duett, die, nach ihrer strengen Manier, bat aber die Gnädigste, die Unterhaltung aufzusparen bis nach geendetem Duett. Jetzt aber sprach die Prinzessin, im ganzen Gesicht glühend, mit blitzenden Augen, so laut, daß sie die Lobsprüche der ganzen Gesellschaft übertönte.»Es wird mir nun wohl erlaubt sein, auch meine Meinung zu sagen. Ich gebe zu, daß das Duett als Komposition seinen Wert haben mag, daß meine Julie vortrefflich gesungen hat, aber ist es recht, ist es billig, daß man im gemütlichen Zirkel, wo freundliche Unterhaltung oben anstehen soll, wo wechselseitige Anregungen Rede, Gesang, forttreiben sollen, wie einen zwischen Blumenbeeten sanft murmelnden Bach, daß man da extravagante Sachen auftischt, die das Innere zerschneiden, deren gewaltsamen zerstörenden Eindruck man nicht verwinden kann? Ich habe mich bemüht, mein Ohr, meine Brust zu verschließen dem wilden Schmerz des Orkus, den Kreisler mit unser leicht verletzliches Inneres verhöhnender Kunst in Tönen aufgefaßt hat, aber niemand war so gütig, sich meiner anzunehmen. Gern will ich meine Schwäche Ihrer Ironie preisgeben, Kapellmeister, gern will ich gestehen, daß der üble Eindruck Ihres Duetts mich ganz krank gemacht hat. – Gibt es denn keinen Cimarosa, keinen Paesiello, deren Kompositionen recht für die Gesellschaft geschrieben sind?«

      «O Gott«, rief Kreisler, indem sein Gesicht in dem mannigfaltigsten Muskelspiel vibrierte, wie es allemal zu geschehen pflegte, wenn der Humor aufstieg in dem Innern,»o Gott, gnädigste Prinzessin! – wie ganz bin ich ärmster Kapellmeister Ihrer gütigen gnädigen Meinung! – Ist es nicht gegen alle Sitte und Kleiderordnung, die Brust mit all' der Wehmut, mit all' dem Schmerz, mit all' dem Entzücken, das darin verschlossen, anders in die Gesellschaft zu tragen, als dick verhüllt mit dem Fichu vortrefflicher Artigkeit und Konvenienz? Taugen denn alle Löschanstalten, die der gute Ton überall bereitet, taugen sie wohl was, sind sie wohl hinlänglich, um das Naphthafeuer zu dämpfen, das hie und da hervorlodern will? Spült man noch so viel Tee, noch so viel Zuckerwasser, noch so viel honettes Gespräch, ja noch so viel angenehmes Dudeldumdei hinunter, doch gelingt es diesem, jenem freveligen Mordbrenner, eine Congrevische Rakete ins Innere zu werfen, und die Flamme leuchtet empor, leuchtet und brennt sogar, welches dem puren Mondschein niemals geschieht! – Ja! gnädigste Prinzessin! – ja, ich! – aller Kapellmeister hienieden unseligster, ich habe schändlich gefrevelt mit dem entsetzlichen Duett, das wie ein höllisches Feuerwerk mit allerlei Leuchtkugeln, Schwanzraketen, Schwärmern und Kanonenschlägen durch die ganze Gesellschaft gefahren ist, und leider merk' ichs, fast überall gezündet hat! – Ha! – Feuer – Feuer – Mordio! – es brennt – Spritzenhaus auf – Wasser – Wasser – Hilfe – rettet!«

      Kreisler stürzte zu auf den Notenkasten, zog ihn hervor unter dem Flügel, öffnete ihn – warf die Noten umher – riß eine Partitur heraus, es war Paesiellos» Molinara«, setzte sich an das Instrument, begann das Ritornell der bekannten hübschen Ariette:» La Rachelina, Molinarina«, mit der die Müllerin auftritt. —

      «Aber lieber Kreisler!«sprach Julia ganz schüchtern und erschrocken.

      Doch Kreisler warf sich vor Julien nieder auf beide Knie, und flehte:»Teuerste, holdseligste Julia! erbarmen Sie sich der hochverehrten Gesellschaft, gießen Sie Trost in die hoffnungslosen Gemüter, singen Sie die Rachelina! – Tun Sie es nicht, so bleibt mir nichts übrig, als mich hier vor Ihren sichtlichen Augen hinabzustürzen in die Verzweiflung, an deren Rand ich mich bereits befinde, und Sie halten den verlornen Maitre de la Chapelle vergebens am Rockschoß, denn indem Sie gutmütig rufen:»Bleibe bei uns o Johannes!«so ist er schon hinabgefahren zum Acheron, und wagt im dämonischen Shawltanz die allerzierlichsten Sprünge: darum singen Sie Werte!«

      Julia tat, wiewohl, so schien es, mit einigem Widerwillen, warum Kreisler sie gebeten.

      Sowie die Ariette geendet, begann Kreisler sofort das bekannte komische Duett des Notars mit der Müllerin. —

      Julia's Gesang, in Stimme und Methode, neigte sich ganz zum Ernsten, Pathetischen, demungeachtet stand ihr eine Laune zu Gebote, wenn sie komische Sachen vortrug, die die reizendste Liebenswürdigkeit selbst war. Kreisler hatte sich den seltsamen aber unwiderstehlich hinreißenden Vortrag der italienischen Buffi zu eigen gemacht, das ging heute aber beinahe bis zur Übertreibung, denn indem Kreisler's Stimme nicht dieselbe schien, da sie dem höchsten dramatischen Ausdruck in tausend Nuancen sich fügte, so schnitt er dabei auch solche absonderliche Gesichter, die einen Cato zum Lachen gebracht hätten.

      Es konnte nicht fehlen, daß alle laut aufjauchzten, losbrachen in schallendem Gelächter.

      Kreisler küßte Julien entzückt die Hand, die sie ihm ganz unmutig schnell wegzog.»Ach«, sprach Julie,»Kapellmeister, ich kann mich nun einmal in Ihre seltsame Launen – abenteuerliche möcht ich sie nennen, ich kann mich nun einmal gar nicht darin finden! – Dieser Todessprung von einem Extrem zum andern zerschneidet mir die Brust! – Ich bitte Sie, lieber Kreisler, verlangen Sie nicht mehr, daß ich mit tief bewegtem Gemüt, wenn noch die Töne der tiefsten Wehmut widerklingen in meinem Innern, daß ich dann Komisches singe, sei es auch noch so artig und hübsch! Ich weiß es – ich vermag es, ich setze es durch, aber es macht mich ganz matt und krank. – Verlangen Sie es nicht mehr! – nicht wahr, Sie versprechen mir das, lieber Kreisler?«

      Der Kapellmeister wollte antworten, in dem Augenblick umarmte aber die Prinzessin Julien stärker, ausgelassener lachend, als es irgendeine Oberhofmeisterin für schicklich halten, oder verantworten kann.

      «Komm an meine Brust«, rief sie,»du aller Müllerinnen holdeste, stimmreichste, launigste! – Du mystifizierst alle Barone, Amtsverweser, Notare in der ganzen Welt, und wohl noch gar – «Das übrige, was sie noch sagen wollte, ging unter in der dröhnenden Lache, die sie von neuem aufschlug.

      Und dann sich rasch zum Kapellmeister wendend:»Sie haben mich ganz mit sich ausgesöhnt, lieber Kreisler! – O jetzt verstehe ich Ihren springenden Humor. – Er ist köstlich, in der Tat köstlich! – Nur in dem Zwiespalt der verschiedensten Empfindungen, der feindlichsten Gefühle – geht das höhere Leben auf! – Haben Sie Dank, herzlichen Dank – da! – ich erlaube Ihnen, mir die Hand zu küssen!«

      Kreisler faßte die ihm dargebotene Hand, und wiederum, wiewohl nicht so heftig als zuvor, durchdröhnte ihn der Pulsschlag, so daß er einen Moment zu zögern genötigt war, ehe er die zarten enthandschuhten Finger an den Mund drückte, sich mit solchem Anstand verbeugend, als sei er noch Legationsrat. Selbst wußte er nun nicht, wie es kam, daß ihm diese physische Empfindung bei dem Berühren der fürstlichen Hand ungemein lächerlich bedünken wollte.»Am Ende«, sprach er zu sich selbst, als die Prinzessin ihn verlassen,»am Ende ist die Gnädigste eine Art von Leydner Flasche, und walkt honette Leute durch mit elektrischen Schlägen nach fürstlichem Belieben!«—

      Die Prinzessin hüpfte, tänzelte im Saal umher, lachte, trällerte dazwischen» La Rachelina molinarina«, und herzte und küßte bald diese, bald jene Dame, versicherte, nie in ihrem Leben sei sie froher gewesen, und das habe sie dem wackern Kapellmeister zu verdanken. Der ernsten Benzon war das alles im höchsten Grade zuwider, sie konnte es nicht lassen, die Prinzessin endlich bei Seite zu ziehen, und ihr ins Ohr zu flüstern:»Hedwiga, ich bitte Sie, welch ein Betragen!«

      «Ich

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