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und begraben in den Abgründen des Gebirges ist. Ich bin es nicht, denn ich lebe.

      Ich besuchte sowieso die vielen öffentlichen Häuser, in denen man trank, spielte u.d.m., und vorzüglich war mir in dieser Art ein Hotel in der Stadt lieb. Jeden Abend versammelte eine zahlreiche Gesellschaft. – An einem Tisch im Nebenzimmer sah ich immer dieselben Personen, ihre Unterhaltung war lebhaft und geistreich. Es gelang mir, den Männern näherzutreten, endlich irgendeine interessante, literarische Notiz, nach der sie vergebens suchten, mitteilte und so einen Platz am Tische erhielt. So hat ich eine Bekanntschaft mir wohltat, und meine Stimmung wurde täglich unbefangener und heitrer.

      Seit mehreren Abenden sprach man in der Gesellschaft, die ich besuchte, viel von einem fremden Maler, der angekommen und eine Ausstellung seiner Gemälde veranstaltet hat. Alle außer mir haben die Gemälde schon gesehen. So beschloss ich auch hinzugehen. Der Maler war nicht da, als ich in den Saal trat. Doch machte ein alter Mann den Cicerone und nannte die Meister der fremden Gemälde, die der Maler zugleich mit den seinigen ausgestellt. – Es waren herrliche Stücke, Originale berühmter Meister. Aber mein Blick fiel auf ein lebensgroßes Porträt, in dem ich die Fürstin, meine Pflegemutter, erkannte. Sie war herrlich und mit jener im höchsten Sinn aufgefaßten Ähnlichkeit, wie Van Dyck seine Porträts malte. Darin war Tracht, wie sie in der Prozession am Bernardustage vor den Nonnen einherzuschreiten pflegte, gemalt. Der Maler hat gerade den Moment ergriffen, als sie nach vollendetem Gebet sich anschickt, aus ihrem Zimmer zu treten, um die Prozession zu beginnen. In dem Blick der herrlichen Frau lag ganz der Ausdruck des zum Himmlischen erhobenen Gemüts. Ach, es war, als schien sie Vergebung für den frechen Sünder zu erflehen, der sich gewaltsam von ihrem Mutterherzen losgerissen, und dieser Sünder war ja ich selbst![11] Gefühle durchströmten meine Brust. Eine unaussprechliche Sehnsucht riß mich fort. Ich war wieder bei dem guten Pfarrer im Dorf des Zisterzienserklosters, ein muntrer, unbefangener, froher Knabe, weil der Bernardustag gekommen. Ich sah sie!

      »Bist du recht fromm und gut gewesen, Franziskus?« frug sie mit der Stimme, deren vollen Klang die Liebe dämpfte.

      »Bist du recht fromm und gut gewesen?«

      Ach, was konnte ich ihr antworten? – Frevel auf Frevel habe ich gehäuft. Dem Bruch des Gelübdes folgte der Mord! – Von Gram und Reue zerfleischt, sank ich halb ohnmächtig auf die Knie, Tränen entstürzten meinen Augen. – Erschrocken sprang der Alte auf mich zu und fragte:

      »Was ist Ihnen, was ist Ihnen, mein Herr?«

      »Das Bild der Äbtissin ist meiner gestorbenen Mutter so ähnlich«, sagte ich dumpf.

      »Kommen Sie, mein Herr!« sagte der Alte, »solche Erinnerungen sind zu schmerzhaft. Man darf sie vermeiden. Es ist noch ein Porträt hier, welches mein Herr für sein bestes hält. Das Bild ist nach dem Leben gemalt und vollendet. Wir haben es verhängt, damit die Sonne nicht die noch nicht einmal ganz eingetrockneten Farben verderbe.«

      Der Alte stellte mich sorglich in das gehörige Licht und zog dann schnell den Vorhang weg. – Es war Aurelie! – Mich ergriff ein Entsetzen, das ich kaum bekämpfen konnte. – Aber ich erkannte die Nähe des Feindes, der mich vernichten wollte. Mir kam der Mut wieder. Mit gierigen Blicken verschlang ich Aureliens Reize.

      Von dem fremden Maler wollte ich etwas erfahren. Ich hatte nämlich nichts Geringeres im Sinn, als in meiner jetzigen neuen Gestalt auf das Schloß zurückzukehren. Und das schien mir nicht einmal ein sonderlich kühnes Wagstück zu sein. – Am Abend ging ich in jene Gesellschaft. Man sprach viel von den Gemälden des fremden Malers und vorzüglich von dem seltnen Ausdruck, den er seinen Porträts gab.

      Von seltsamen Gefühlen, von unbekannten Ahnungen bestürmt, ging ich den ändern Abend später als gewöhnlich in die Gesellschaft. Der Fremde saß mit mir zugekehrtem Rücken am Tisch. Als ich mich setzte, als ich ihn erblickte, da starrten mir die Züge jenes fürchterlichen Unbekannten entgegen, der am Antoniustag an den Eckpfeiler gelehnt stand und mich mit Angst und Entsetzen erfüllte. Der Feind war nun sichtlich ins Leben getreten. Es galt, den Kampf auf den Tod mit ihm zu beginnen. – Ich beschloß, den Angriff abzuwarten. Der Fremde schien mich nicht sonderlich zu beachten, sondern setzte das Kunstgespräch fort. Man kam auf seine Gemälde und lobte Aureliens Porträt. – Man fragte nach meinem Urteil, da ich eben jenes Bild so herrlich mit allen seinen Vorzügen in Worten dargestellt habe. Unwillkürlich fuhr es mir heraus, dass ich die heilige Rosalia mir nicht wohl anders denken konnte, als ebenso wie das Porträt der Unbekannten. Der Maler schien meine Worte kaum zu bemerken, aber sagte:

      »In der Tat ist jenes Frauenzimmer, die das Porträt getreulich darstellt. Es ist eine fromme Heilige, die im Kampf sich zum Himmlischen erhebt. Ich habe sie gemalt, als sie, von dem entsetzlichsten Jammer ergriffen, doch in der Religion Trost und von dem ewigen Verhängnis, Hilfe hofft.«

      Man verlor sich in andere Gespräche.

      Als das Lachen endlich zu verstummen anfing, fragte der Fremde plötzlich:

      »Haben Sie schon den Teufel gesehen, meine Herren?«

      Man hielt die Frage für die Einleitung zu irgendeinem Schwank und versicherte allgemein, dass man noch nicht die Ehre gehabt hat. Da fuhr der Fremde fort:

      »Nun, es hätte wenig gefehlt, so wäre ich zu der Ehre gekommen, und zwar auf dem Schloss des Barons F. im Gebirge.«

      Ich erbebte, aber die ändern lachten:

      »Nur weiter, weiter!«

      »Sie kennen wohl alle wahrscheinlich, wenn Sie die Reise durch das Gebirge machen, jene wilde, schauerliche Gegend. – Man spricht davon, dass der Graf Viktorin, mit bösen Anschlägen im Kopf auf diesem Felsen saß. Plötzlich erschien der Teufel und den Grafen in den Abgrund schleuderte. Der Teufel erschien sodann als Kapuziner auf dem Schloss des Barons. Nachdem er seine Lust mit der Baronesse gehabt hat, schickte er sie zur Hölle, so wie er auch den wahnsinnigen Sohn des Barons. Er wollte durchaus Teufels Inkognito nicht dulden, sondern laut verkündete: »Es ist der Teufel!« Nachher verschwand der Kapuziner. Es wird gesagt, dass er feige vor dem Viktorin geflohen ist, der aus dem Grab aufstand. So kann ich Sie doch davon versichern, dass die Baronesse an Gift umkam, Hermogen meuchlings ermordet wurde, der Baron kurz darauf vor Gram starb und Aurelie, eben die fromme Heilige, in ein Zisterzienserkloster, flüchtete. Äbtissin war ihrem Vater befreundet. Sie haben das Bild dieser herrlichen Frau in meiner Galerie gesehen.«

      Die Wirkung der geheimnisvollen Reden des Malers sowie meine leidenschaftliche Unruhe war nur zu sichtlich. Die heitre Stimmung verschwand.

      Der fremde Maler stand auf und durchbohrte mich mit den stieren, lebendigtoten Augen wie damals in der Kapuzinerkirche. – Er sprach kein Wort, er schien starr und leblos, aber sein gespenstischer Anblick sträubte mein Haar, kalte Tropfen standen auf der Stirn, und von Entsetzen gewaltig erfaßt, erbebten alle Fibern.

      »Hebe dich weg«, schrie ich außer mir, »du bist selbst der Satan, du bist der frevelnde Mord, aber über mich hast du keine Macht!«

      Der Maler lachte im fürchterlichen Hohn:

      »Bruder Medardus, Bruder Medardus, falsch ist dein Spiel, geh und verzweifle in Reue und Scham.«

      Als der Morgen dämmerte, lag die Stadt schon weit hinter mir. – Die Frage der Postmeister: wohin? rückte es immer wieder aufs Neue mir vor. Aber hat nicht eine unwiderstehliche Macht mich gewaltsam herausgerissen aus allem, was mir sonst befreundet? Rastlos durchstrich ich das herrliche Land, nirgends fand ich Ruhe, es trieb mich unaufhaltsam fort, immer weiter hinab in den Süden. In einer finstern Nacht fuhr ich durch einen dichten Wald, wie mir der Postmeister gesagt und deshalb geraten hat, bei ihm der Morgen abzuwarten. Schon als ich abfuhr, leuchteten Blitze in der Ferne. Aber bald zogen schwärzer und schwärzer die Wolken herauf, der Donner hallte furchtbar im tausendstimmigen Echo wider.

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<p>11</p>

Ach, es war, als schien sie Vergebung für den frechen Sünder zu erflehen, der sich gewaltsam von ihrem Mutterherzen losgerissen, und dieser Sünder war ja ich selbst! – Увы, казалось, будто она молила о прощении у дерзкого грешника, который насильно вырвал себя из сердца ее матери, и этим грешником был я сам!