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die Aufsicht über die reiche Reliquienkammer des Klosters übergeben sollte. Der Bruder Cyrillus machte mich mit jedem Stück sowie mit den Dokumenten bekannt. Er stand rücksichts der geistigen Ausbildung unserm Prior an der Seite.

      »Sollten denn, lieber Bruder Cyrillus«, sagte ich, »alle diese Dinge wahrhaftig das sein, wofür man sie ausgibt? Sollte auch hier nicht die betrügerische Habsucht manches untergeschoben haben, was nun als wahre Reliquie dieses oder jenes Heiligen gilt?[6]«

      Dem Bruder Cyrillus entging diese Wirkung seiner Rede nicht. Er fuhr nun fort, mit größerem Eifer und mit sprechender Innigkeit mir die Sammlung Stück vor Stück zu erklären. Endlich nahm er aus einem wohlverschlossenen Schranke ein Kistchen heraus und sagte:

      »Hierinnen, lieber Bruder Medardus! ist die geheimnisvollste, wunderbarste Reliquie enthalten, die unser Kloster besitzt. Solange ich im Kloster bin, hat dieses Kistchen niemand in der Hand gehabt als der Prior und ich. Ich kann die Kiste nicht ohne inneren Schauer anrühren. – Das, was darinnen enthalten, stammt unmittelbar von dem Widersacher her, aus jener Zeit, als er noch sichtlich gegen das Heil der Menschen kämpfen konnte.«

      Dir ist das Leben des heiligen Antonius zur Genüge bekannt. Du weißt, dass er in die Wüste zog, um sich von allem Irdischen zu entfernen, um seine Seele ganz dem Göttlichen zuzuwenden. Der Widersacher verfolgte ihn und trat ihm oft sichtlich in den Weg, um ihn in seinen frommen Betrachtungen zu stören. So kam es denn, dass der heilige Antonius einmal in der Abenddämmerung eine finstere Gestalt wahrnahm, die auf ihn zuschritt. In der Nähe erblickte er zu seinem Erstaunen, dass aus den Löchern des zerrissenen Mantels Flaschenhälse hervorguckten. Es war der Widersacher, der in diesem seltsamen Aufzug ihn höhnisch anlächelte. Er fragte, ob er nicht von den Elixieren kosten konnte. Der heilige Antonius war nicht mehr imstande, sich auf irgendeinen Kampf einzulassen. Er fragte ihn, warum er denn so viele Flaschen und auf solche besondere Weise bei sich trug. Da antwortete der Widersacher:

      »Siehe, wenn mir ein Mensch begegnet, so schaut er mich verwundert an. Unter so vielen Elixieren findet er ja wohl eins, was ihm recht mundet, und er säuft die ganze Flasche aus und wird trunken und ergibt sich mir[7].

      So weit steht das in allen Legenden. – In diesem Kistchen befindet sich nun aus dem Nachlass des heiligen Antonius eine solche Flasche mit einem Teufelselixier. Die Dokumente sind so authentisch und genau, dass wenigstens daran, dass die Flasche wirklich nach dem Tod des heiligen Antonius unter seinen Sachen gefunden wurde, kaum zu zweifeln ist. Übrigens kann ich versichern, lieber Bruder Medardus! dass, so oft ich die Flasche berühre, mich ein unerklärliches inneres Grauen anwandelt. Ich spüre ganz seltsamen Duft, der mich betäubt und zugleich eine innere Unruhe des Geistes. Dir, lieber Bruder Medardus, der du noch so jung bist, der du noch alles in glänzenderen, lebhafteren Farben erblickst, der du noch wie ein tapferer, aber unerfahrner Krieger zwar rüstig im Kampf, aber vielleicht zu kühn, deiner Stärke zu sehr vertraust, rate ich, das Kistchen öffnete man niemals oder wenigstens erst nach Jahren.«

      Der Bruder Cyrillus verschloß die geheimnisvolle Kiste wieder in den Schrank und übergab mir den Schlüsselbund. Als Cyrillus mich verlassen hat, übersah ich noch einmal die mir anvertrauten Heiligtümer, dann löste ich aber das Schlüsselchen ab und versteckte es tief unter meinen Skripturen im Schreibpulte.

      Der Heiligentag kam heran, die Kirche war besetzter als gewöhnlich. – Am Anfang blieb ich meiner Handschrift getreu. Leonardus sagte mir nachher, dass ich mit zitternder Stimme gesprochen habe. Bald aber war es, als strahle der glühende Funke himmlischer Begeisterung durch mein Inneres. Ein religiöser Wahn hat die Stadt ergriffen, alles strömte bei irgendeinem Anlass, auch an gewöhnlichen Wochentagen, nach dem Kloster, um den Bruder Medardus zu sehen, zu sprechen.

      Da keimte in mir der Gedanke auf, ich bin ein besonders Erkorner des Himmels.

      Es war mir nun gewiss, dass der alte Pilgram in der heiligen Linde der heilige Joseph, der wunderbare Knabe aber das Jesuskind selbst gewesen, das in mir den Heiligen begrüßt hat. Leonardus wurde sichtlich kälter gegen mich. Er vermied, mit mir ohne Zeugen zu sprechen, aber endlich brach er los:

      »Nicht verhehlen kann ich es dir, lieber Bruder Medardus, dass du seit einiger Zeit durch dein ganzes Betragen mir Mißfallen erregst. – Es ist etwas in deine Seele gekommen, das dich dem Leben in frommer Einfalt abwendig macht. In deinen Reden herrscht ein feindliches Dunkel. – Lass mich offenherzig sein! – Du trägst in diesem Augenblick die Schuld unseres sündigen Ursprungs! – Der Beifall nach jeder Anreizung lüsterne Welt gezollt, hat dich geblendet. Du siehst dich selbst in einer Gestalt, die nicht dein eigen, sondern ein Trugbild ist, welches dich in den verderblichen Abgrund lockt. Gehe in dich, Medardus! – entsage dem Wahn, der dich betört – ich glaube ihn zu kennen! – schon jetzt ist dir die Ruhe des Gemüts entflohen. – Lass dich warnen, weiche aus dem Feinde, der dir nachstellt. – Sei wieder der gutmütige Jüngling, den ich mit ganzer Seele liebte.«

      Tränen quollen aus den Augen des Priors, als er dies sprach. – Aber nur feindselig waren seine Worte in mein Innres gedrungen. Stumm blieb ich vom innern Groll ergriffen bei den Zusammenkünften der Mönche. Je mehr ich mich nun von Leonardus und den Brüdern entfernte, mit desto stärkeren Banden wusste ich die Menge an mich zu ziehen. Am Tage des heiligen Antonius war die Kirche so gedrängt voll, dass man die Türen weit öffnen musste. Nie habe ich kräftiger, feuriger, eindringender gesprochen. Da fiel in der Kirche mein umherschweifender Blick auf einen langen, hageren Mann, der sich an einen Eckpfeiler lehnte. Er hat auf seltsame, fremde Weise einen dunkelvioletten Mantel umgeworfen. Sein Gesicht war leichenblass, aber der Blick der großen, schwarzen, stieren Augen fuhr wie ein glühender Dolchstich durch meine Brust. Mich durchbebte ein unheimliches, grauenhaftes Gefühl. Die ganze Gestalt hatte etwas Furchtbares – Entsetzliches! – Ja! – Es war der unbekannte Maler aus der heiligen Linde. Ich fühlte mich wie von eiskalten, grausigen Fäusten gepackt. Da schrie ich auf in der Höllenangst wahnsinniger Verzweiflung:

      »Ha Verruchter! hebe dich weg! – hebe dich weg – denn ich bin es selbst! – ich bin der heilige Antonius!«

      Als ich aus dem bewußtlosen Zustand wieder erwachte, befand ich mich auf meinem Lager. Der Bruder Cyrillus saß neben mir. Das schreckliche Bild des Unbekannten stand mir noch lebhaft vor Augen. Aber je mehr der Bruder Cyrillus, dem ich alles erzählte. Er wollte mich überzeugen, dass es nur ein Gaukelbild meiner erhitzten Phantasie war. Ich fühlte bittre Reue und Scham über mein Betragen auf der Kanzel. Niemand erblickte übrigens den Mann im violetten Mantel. Der Prior Leonardus verbreitete nach seiner anerkannten Gutmütigkeit auf das eifrigste überall, wie es nur der Anfall einer hitzigen Krankheit war. Wirklich war ich auch noch krank, als ich nach mehreren Wochen wieder in das gewöhnliche klösterliche Leben eintrat. Dennoch unternahm ich es, wieder die Kanzel zu besteigen. Aber ich war von der entsetzlichen bleichen Gestalt verfolgt. Meine Predigten waren gewöhnlich – steif – zerstückelt.

      Nach einiger Zeit begab es sich, dass ein junger Graf und seine Hofmeister unser Kloster besuchte und die vielfachen Merkwürdigkeiten sehen wollte. Ich musste die Reliquienkammer aufschließen. Wir traten hinein, als der Prior abgerufen wurde. Ich blieb mit den Fremden allein. Der Graf ergoss sich in allerlei witzigen Anmerkungen und Einfällen über den komischen Teufel.

      »Haben Sie an leichtsinnigen Weltmenschen kein Ärgernis, ehrwürdiger Herr! – Sein Sie überzeugt, dass wir beide, ich und mein Graf, die Heiligen als herrliche, von der Religion hoch begeisterte Menschen verehren.«

      Unter diesen Worten hat der Hofmeister den Schieber des Kistchens schnell aufgeschoben und die schwarze, sonderbar geformte Flasche herausgenommen. Es verbreitete sich wirklich, wie der Bruder Cyrillus es mir gesagt, ein starker Duft.

      »Ei«, rief der Graf, »ich wette, dass das Elixier des Teufels weiter nichts ist als herrlicher echter Syrakuser.«

      »Ganz gewiss«, erwiderte der Hofmeister, »und stammt die Flasche wirklich aus dem Nachlass des heiligen Antonius, so geht es Ihnen, ehrwürdiger Herr!«

      Stärker stieg der Duft aus der Flasche und wallte durch das Zimmer. Der Hofmeister kostete zuerst und rief begeistert:

      »Herrlicher – herrlicher Syrakuser!

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<p>6</p>

Sollte auch hier nicht die betrügerische Habsucht manches untergeschoben haben, was nun als wahre Reliquie dieses oder jenes Heiligen gilt? – Опять же, не должна ли мошенническая жадность некоторых здесь подорвать то, что теперь считается истинной реликвией того или иного святого?

<p>7</p>

Unter so vielen Elixieren findet er ja wohl eins, was ihm recht mundet, und er säuft die ganze Flasche aus und wird trunken und ergibt sich mir. – Среди такого количества эликсиров он, наверное, найдет один, который подойдет ему по вкусу, и он выпьет всю бутылку, и напьется, и сдастся мне.