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Das schwebt mir allerdings so vor.

      Vors.: Was machte Frau Wessel für einen Eindruck auf Sie?

      Sachverständiger: Die Frau machte auf mich einen durchaus glaubwürdigen Eindruck. Der Sachverständige bekundete im weiteren: Wessel klagte ihm nach seiner Entlassung, daß er, da er in einer Irrenanstalt gewesen, nirgends mehr Arbeit bekommen könne. Er (Sachverständige) habe ihm gesagt, er wolle ihm zur Erlangung von Arbeit behilflich sein, er solle sich evtl. auf ihn berufen. Schließlich habe er ihn an Direktor Schellmann in Brauweiler empfohlen.

      Vert.: Nachdem Wessel zwei Jahre in Freiheit und in Arbeit war, ist es dann nicht anzunehmen, daß, wenn er unter seinem Eid vor Gericht eine Aussage macht, auch die Wahrheit sagt?

      Sachverständiger: Das ist etwas viel, was da von mir auf einmal verlangt wird. Ich bemerke also, daß ich Wessel seit zwei Jahren nicht gesehen habe, ich habe also kein bestimmtes Urteil über seinen jetzigen Geisteszustand. Ich kann nur sagen: Wessel sieht durch die Brille seines eigenen Affekts und es entspricht seiner Geistesverfassung, irrtümlich das Gegenteil von der Wirklichkeit auszusagen.

      Sanitätsrat Dr. Laudahn: Er müsse bekunden, daß Wessel zu Dr. Udenthal einmal sagte: »Wenn ich Sie ersteche, so kann mir nichts passieren, denn ich bin ja als geisteskrank erklärt.«

      Vert.: Ist dieser Dr. Udenthal nicht derselbe, den Wessel im Verdacht hatte, daß er mit seiner Frau verbotenen Verkehr unterhalte.

      Sanitätsrat Dr. Laudahn: Das hat Wessel mir gegenüber entschieden in Abrede gestellt.

      Es wurde hierauf von dem Dolmetscher der englischen Sprache, Kanzleigehilfen Gottschalk, die Aussage des in London kommissarisch vernommenen Zeitungskorrespondenten Politt verlesen. Danach hatte dieser bekundet: Er habe sich mit Hilfe eines Dolmetschers dem Direktor Schellmann als englischer Journalist vorgestellt und diesen gebeten, ihm die Einrichtungen der Anstalt zu zeigen. Direktor Schellmann habe ihn sehr freundlich empfangen. Er habe ihm mitgeteilt, daß die Männer mittels Zwangsjacke und eisernen Fesseln, die Weiber durch Anlegung eines Maulkorbes bestraft werden. Er habe dies für kaum glaublich gehalten. Er habe alsdann die Leute beim Essen beobachtet und von Schellmann gehört, daß diejenigen Korrigenden, die ihr Morgenpensum nicht aufgearbeitet haben, kein Mittagsmahl erhalten. Schellmann habe ihm mitgeteilt, daß die Korrigenden Gefangene seien. Er habe, wenn die Korrigenden nach ihrer Entlassung keine Arbeit finden, das Recht der Wiederarretierung. Schellmann habe ihn u.a. in eine Zelle geführt, wo ein junger Mann mit der Fabrikation von Strohhüten beschäftigt war. Direktor Schellmann habe den jungen Mann wie einen Schulbuben am Ohr genommen und ihm mitgeteilt, daß der junge Mann an demselben Morgen gezüchtigt worden sei. Er (Zeuge) habe im Hofe der Anstalt Leute arbeiten sehen, die mit einem sackartigen Gegenstande bekleidet waren, so daß man die Haut sehen konnte. Es war damals gerade sehr kalt und er gewann den Eindruck, daß die Leute sehr unter der Kälte litten. Im übrigen habe er nicht wahrgenommen, daß die Korrigenden mit Roheit und Hartherzigkeit behandelt wurden, zumal wenn man erwäge, daß eine strenge Ordnung doch aufrechterhalten werden müsse.

      Es erschien hierauf als Zeugin die achtzehnjährige Korrigendin Anna Zimmer. Auf Antrag des Verteidigers ersuchte der Vorsitzende den Direktor Schellmann, während der Vernehmung dieser Zeugin den Saal zu verlassen. Die Zeugin, die einen sehr unsicheren und befangenen Eindruck machte, bekundete auf Befragen des Vorsitzenden: Sie sei seit 17 Monaten in der Brauweiler Arbeitsanstalt. Sie sei zunächst mit Hemdennähen beschäftigt gewesen. Sie sollte täglich sechs Hemden nähen, d.h. nur »reihen«, sie habe das Pensum aber nur zur Hälfte erledigen können, deshalb sei sie drei Tage mit Kostentziehung bestraft worden. Alsdann habe sie Tütenmachen gelernt und sollte täglich 750 Tüten machen. Da sie auch dies Pensum nicht erledigen konnte, sei sie wiederum mit drei Tagen Kostentziehung bestraft worden. Darauf habe sie das Bürstenmachen und zuletzt das Spulen gelernt und habe auch dabei das Pensum nicht machen können. Sie sei auch deshalb mit Kostentziehung und Arrest, das letztemal mit 36 Stunden, bestraft worden.

      Vors.: Sind Sie nicht auch wegen anderer Vergehen bestraft worden?

      Zeugin (nach längerem Zögern): Ich habe schließlich die Arbeit verweigert.

      Vors.: Weshalb verweigerten Sie die Arbeit?

      Zeugin: Weil ich immer ein so großes Pensum zu arbeiten bekam.

      Die Zeugin bekundete im weiteren auf Befragen: Sie habe einmal aus Versehen eine Fensterscheibe zerbrochen, deshalb sei sie von dem Pastor Peiner mit einem Seil geschlagen worden. Pastor Peiner habe dies außerdem dem Direktor Schellmann angezeigt. Letzterer habe sie zu fünf Tagen Arrest verurteilt und ihr auch noch die Kosten für die zerbrochene Scheibe abgezogen.

      Vors.: Haben Sie sich über die erlittenen Strafen bei den Herren aus Düsseldorf beklagt?

      Zeugin: Nein.

      Vors.: Wußten Sie, daß Sie das Recht haben, sich zu beschweren?

      Zeugin: Ja.

      Vors.: Wer hatte Ihnen das gesagt?

      Zeugin: Herr Direktor Schellmann.

      Vors.: Sie haben sich aber trotzdem nicht beschwert?

      Zeugin: Nein.

      Vors.: Hielten Sie Ihre Bestrafung für gerecht?

      Zeugin: Ja.

      Angekl. Hofrichter: Haben Sie nicht befürchtet, daß Sie sich durch eine Beschwerde bei den Düsseldorfer Herren Unannehmlichkeiten machen könnten?

      Zeugin: Jawohl.

      Vors.: Erhielten Sie, wenn Sie nicht Kostentziehung hatten, zur Genüge zu essen?

      Zeugin: Jawohl.

      Vors.: War die Kleidung ausreichend?

      Zeugin: Jawohl.

      Rechtsanwalt Gammersbach: Ich überreiche hier die Personalakten. Danach ist die Zeugin nicht mit fünf Tagen, sondern mit 24 Stunden bestraft worden.

      Direktor Schellmann, der hierauf wieder in den Saal gerufen wurde, bemerkte: Die Zimmer sei nicht wegen Zerbrechens der Scheibe, sondern wegen Ungehorsams mit einem Tag Arrest bestraft worden. Dieser eine Tag sei aber auf fünf Tage ausgedehnt worden, da die Zeugin noch vier Tage wegen Arbeitsverweigerung abzusitzen hatte. Die Zimmer gehörte zu den Mädchen, die ungeheuer faul waren. Die folgende Zeugin war die 17jährige Korrigendin Katharina Henn. Diese bekundete auf Befragen: Sie sei mehrfach mit Kostentziehung bestraft worden, weil sie ihr Pensum nicht machen konnte. Sie habe deshalb die Arbeit überhaupt verweigert und sei infolgedessen noch mit Arrest bestraft worden. Sie habe einmal aus Wut, weil ihr die Kost entzogen wurde, eine Glasscheibe zerschlagen. Es seien ihr deshalb Handschellen angelegt worden.

      Vert.: Haben Sie nicht deshalb die Arbeit verweigert, weil Sie, trotzdem Sie arbeiteten, keine warme Kost bekamen?

      Zeugin: Jawohl.

      Auf weiteres Befragen äußerte die Zeugin: Sie sei niemals geschlagen worden. Auch sei die Kost, wenn sie nicht Kostentziehung hatte, ausreichend gewesen, ebenso sei die Kleidung und Heizung hinreichend gewesen.

      Die 34jährige Zeugin Katharina Transfeld bekundete: Sie habe nur einmal vier Wochen »Cachotte« »wegen Frechheit« gehabt. Sonst sei sie niemals bestraft worden, sie habe auch niemals gehört, daß Korrigendinnen in Brauweiler geschlagen wurden. Die Beköstigung und Bekleidung sei ausreichend gewesen. Sie wußte, daß sie sich bei den Herren aus Düsseldorf beschweren könne. Der Herr Landrat sei einmal selbst in ihre Zelle gekommen und habe sie gefragt, ob sie eine Beschwerde habe.

      Die ehemalige Korrigendin Katharina Hoffmann erzählte des längeren, daß sie mit einer Aufseherin einmal einen heftigen Streit gehabt habe. Die Aufseherin habe sie furchtbar gestoßen und sie habe infolgedessen ein Waschbecken genommen und die Aufseherin mit Wasser begossen. Die Aufseherin habe ihr mit Schlägen gedroht, sie habe ihr aber erwidert, daß sie ihr sofort ein paar Ohrfeigen zurückgeben würde. Direktor Schellmann habe sich ihr gegenüber ganz

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