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Praxisleitfaden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG). Holger Hembach
Читать онлайн.Название Praxisleitfaden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG)
Год выпуска 0
isbn 9783800594733
Автор произведения Holger Hembach
Серия CB - Compliance Berater Schriftenreihe
Издательство Bookwire
– die einen jährlichen Gesamtumsatz von 36 Millionen Pfund oder mehr erzielen.
Gesamtumsatz bedeutet dabei der Umsatz der Organisation oder ihrer Tochterunternehmen, der durch die Veräußerung von Gütern oder Dienstleistungen erzielt wird, die zu den normalen Aktivitäten dieser Organisation oder ihrer Tochtergesellschaften gehören, nach Abzug von Umsatzsteuer, anderen Steuern und Rabatten.101 Das Fehlen einer Definition des Begriffs „Geschäftstätigkeit“ („carrying on a business“) erschwert es in einigen Fällen, festzustellen, ob ein Unternehmen der Berichtspflicht unterfällt. Nach den Hinweisen, die die Regierung zur Umsetzung des Gesetzes gibt, sind Kriterien, die auf eine Geschäftstätigkeit im Vereinigten Königreich hindeuten, eine Registrierung im UK Companies House, Geschäftsräume im Vereinigten Königreich, die Erbringung von Dienstleistungen im Vereinigten Königreich, das Erzielen von Einkommen im Vereinigten Königreich.102 Die Umsatzgrenze ergibt sich nicht aus dem Text des Gesetzes; sie wird auf Grundlage des Gesetzes vom Innenministerium festgelegt.
Der Bericht muss in jedem Geschäftsjahr veröffentlicht werden. Er muss, abhängig von der Gesellschaftsform, von der Führung des Unternehmens unterzeichnet sein, also etwa vom Vorstand im Falle einer Aktiengesellschaft oder von einem „General Partner“ im Fall einer „Limited Partnership“ (Section 54 Abs. 6).
Das „Modern Slavery Statement“ kann Informationen enthalten über (Section 54 Abs. 5)
– die Struktur der Organisation, ihr Geschäft und ihre Lieferketten
– ihre Herangehensweise („policies“) bezüglich Sklaverei und Menschenhandel
– ihre Prozesse zur Ausübung der Sorgfaltspflicht bezüglich Sklaverei und Menschenhandel in ihrem Geschäftsbereich und in ihren Lieferketten
– die Teile ihres Geschäftsbereichs und ihrer Lieferketten, in denen es Risiken von Sklaverei und Menschenhandel gibt und die Schritte, die sie eingeleitet hat, um diese Risiken einzuschätzen und mit ihnen umzugehen
– die Effektivität dabei, sicherzustellen, dass Sklaverei und Menschenhandel in ihrem Geschäftsbereich oder in ihren Lieferketten nicht stattfindet, auf Grundlage der Indikatoren, die sie für angemessen hält
– das Training, das sie ihren Mitarbeitern über Sklaverei und Menschenhandel anbietet.
Berichtspflichtige Organisationen müssen das „Modern Slavery Statement“ auf ihrer Webseite veröffentlichen und deutlich erkennbar verlinken, wenn sie über eine Webseite verfügen (Section 54 Abs. 7); andernfalls müssen sie es auf Anfrage zur Verfügung stellen (Section 54 Abs. 8).
Es gibt keine öffentliche Stelle, bei der die Berichte eingereicht oder deponiert werden müssen. Zunächst sammelten Nicht-Regierungsorganisationen die Modern Slavery Statements und stellten sie auf Webseiten zur Verfügung, um den leichten Zugriff zu ermöglichen und die Vergleichbarkeit zu erleichtern. Inzwischen stellt die britische Regierung eine solche Webseite (Modern Slavery Registry) zur Verfügung.103 Die Einreichung der Berichte auf dieser Webseite ist aber freiwillig. Die Nicht-Regierungsorganisationen haben daher ihre entsprechenden Webseiten geschlossen.104 Das Archiv mit früheren Berichten, Analysen der Berichte usw. ist aber weiterhin zugänglich.
Das Gesetz sieht keine echten Sanktionen für Verstöße gegen die Berichtspflicht vor. Der zuständige Minister kann bei einem Gericht eine Anordnung beantragen, ein Modern Slavery Statement zu erstellen, wenn ein Unternehmen gegen die Berichtspflicht verstößt (Section 54 Abs. 11). Diese Vorschrift ist aber bislang nie angewandt worden,105 obwohl nach Berichten von Nicht-Regierungsorganisationen 40 % der berichtspflichtigen Unternehmen seit Inkrafttreten des UK Modern Slavery Acts konsistent gegen ihre Berichtspflicht verstoßen haben.106 Als Reaktion auf Berichte über Zwangsarbeit durch Uiguren in Xinjiang kündigte die britische Regierung im Januar 2021 an, künftig finanzielle Sanktionen für Verstöße gegen die Berichtspflicht einzuführen.107
Die britische Regierung hat eine Handreichung zur Anfertigung der Modern Slavery Statements veröffentlicht.108 Dennoch ist es ein häufiger Kritikpunkt, dass die Berichte nach dem UK Modern Slavery Act nicht zu einer echten Information über die Risiken moderner Sklaverei in Lieferketten und über die Maßnahmen dienen, die Unternehmen ergreifen.109
4) Der Australische Modern Slavery Act
In Australien trat am 01.01.2019 der Modern Slavery Act in Kraft. Er lehnt sich in wesentlichen Punkten an den UK Modern Slavery Act an.110 Das Gesetz erlegt also bestimmten Einheiten die Pflicht auf, über die Risiken moderner Sklaverei im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit und in ihren Lieferketten zu berichten; dabei müssen sie auch darlegen, welche Maßnahmen sie ergreifen, um diese Risiken zu vermeiden bzw. abzumildern.
Wie der UK Modern Slavery Act, zielt also der Australische Modern Slavery Act darauf ab, durch Berichtspflichten die Transparenz zu erhöhen und so Verbraucher und andere Gruppen in die Lage zu versetzen, Druck auf die Einheiten auszuüben, die das „modern slavery statement“ erstellt haben.
Gleichzeitig versuchte der Gesetzgeber jedoch, erste Erfahrungen bei der Umsetzung des britischen Vorbildes zu berücksichtigen und dabei hervorgetretene Defizite zu vermeiden.111 Dies betrifft vor allem das Fehlen von Sanktionen für Verstöße gegen die Berichtspflicht, den Kreis der verpflichteten Organisationen und die Qualität der abgegebenen „modern slavery statements“.112
Die Berichtspflicht trifft „Einheiten“, die in Australien ihren Sitz haben, registriert oder dort tätig sind und einen Umsatz von mindestens 100 Millionen australischer Dollar erzielen (Section 3). Der Begriff der Einheit umfasst dabei nicht nur Unternehmen, sondern auch Behörden oder nicht profitorientierte Organisationen. Dies ist eine Reaktion auf eine verbreitete Kritik, dass der UK Modern Slavery Act die öffentliche Hand von der Berichtspflicht ausschließt, obwohl gerade diese für Beschaffung im großen Umfang verantwortlich ist und mit gutem Beispiel vorangehen sollte.113
5) Modern Slavery Act 2018 (NSW) – New South Wales, Australien
In New South Wales, dem zweitgrößten Staat Australiens, verabschiedete das Parlament am 21.06.2018 den Modern Slavery Act 2018 (NSW). Das Gesetz trat jedoch nicht sogleich in Kraft. Drei Wochen später wurde auf Ebene des Gesamtstaates der Modern Slavery Act verabschiedet. Auch dieser trat nicht sofort in Kraft. Im Jahr 2019 wurde, unter anderem im Hinblick auf mögliche Widersprüche zwischen diesen beiden Gesetzen, das „Standing Committee on Social Issues“ des Parlaments von New South Wales beauftragt, die Umsetzbarkeit des Gesetzes, seine Auswirkungen auf Unternehmen sowie die Wechselwirkung mit dem Modern Slavery Act zu überprüfen.114
Nach der Debatte des Berichts verabschiedete das Parlament von New South Wales am 29.11.2021 den „Modern Slavery Amendment Act“, der bestimmte Änderungen am Modern Slavery Act vorsah. Der Modern Slavery Act (NSW) trat dann am 01.01.2022 in Kraft.
In der geänderten Fassung wurde vor allem die Berichtspflicht gestrichen. Nach der ursprünglichen Fassung sollten Unternehmen mit einem Umsatz von 50 Millionen australischer Dollar ein „Modern Slavery Statement“ abgeben. Dagegen lag die Schwelle beim Modern Slavery Act auf Ebene des Gesamtstaates bei 100 Millionen australischer Dollar.115 Die Pflicht zur Abgabe eines Modern Slavery Statement richtet sich damit allein nach dem Modern Slavery Act auf Ebene des „Commonwealth“.
Darüber hinaus wurde die Möglichkeit einer Geldstrafe gestrichen. Die Verhängung einer Geldstrafe ist ebenfalls auf Ebene des Gesamtstaates nicht möglich.
Dagegen sieht das Gesetz weiterhin das Amt eines Anti-Sklaverei-Kommissars vor. Dieser hat die Aufgabe, die öffentliche Aufmerksamkeit für moderne Sklaverei zu stärken;