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sich um eine Sitzblockade, durch die verhindert werden sollte, dass Fahrzeuge ein Kasernentor passieren. Das BVerfG verneinte hier gerade im Hinblick auf den ersten herannahenden Fahrer die Annahme von Gewalt, da ein vergeistigter Gewaltbegriff die natürliche Wortlautgrenze überschreite. Später hat der BGH in seiner sog. Zweite-Reihe-Rspr. allerdings Gewalt gegenüber den weiteren herannahenden Kraftfahrern angenommen, da diese infolge des Anhaltens des zuerst Eintreffenden durch die jeweils vor ihnen befindlichen Fahrzeuge eine unüberwindbare und damit physische Barriere vorfänden (vgl. zum gesamten Problemkomplex ausführl. Jäger, BT, Rn. 149 f.).[36]

      Unklar war, welche Auswirkungen diese Sitzblockaden-Entscheidung des BVerfG auf andere Sachverhalte hat. Jedoch hat das BVerfG versucht, seiner Auffassung Konturen zu verleihen. Dies zeigt folgendes

      Beispiel[37]: A fuhr der F innerhalb geschlossener Ortschaft im dichten Kolonnenverkehr nahe auf, betätigte den Blinker, gab mehrfach Licht- und Hupsignale und fuhr bei etwa 50 km/h bis auf ca. 1 m auf das Kfz der F auf. Der ganze Vorgang verlief über eine Strecke von etwa 300 m. Die F wurde dadurch in einen Angst- und Nervositätszustand versetzt, der sie zunehmend fahrunsicher machte. Dennoch gelang es ihr, sich in den dichten Kolonnenverkehr der rechten Fahrspur einzuordnen.

      Lösung: Das BVerfG hat im Beispielsfall eine nötigende Gewalt i. S. des § 240 I, II StGB bejaht. Dabei machte es noch einmal deutlich, dass eine rein psychische Zwangswirkung für die Annahme von Gewalt nicht genügt. Vorliegend lasse sich zunächst die den Auffahrvorgang ausmachende dynamische Bewegung des Kraftfahrzeugs ohne Weiteres als Kraftentfaltung begreifen, die auch im Betätigen des Gaspedals als unrechtsrelevantes Verhalten gesehen werden könne. Sofern die Auswirkungen dann körperlich empfunden werden, also zu physisch merkbaren Angstreaktionen führen, liege auch auf Opferseite ein körperlicher Zwang vor, der – auch gemessen an verfassungsrechtlichen Maßstäben – Gewalt sein könne. Dabei müsse der Fahrzeugführer bei bedrängender Fahrweise grundsätzlich auch damit rechnen, dass sein Verhalten zu Furchtreaktionen anderer Verkehrsteilnehmer führen kann. Ob in einem derartigen Fall auch § 315c I Nr. 2b StGB wegen „falschen Überholens“ vorliegt, ist Tatfrage (es hängt insbesondere davon ab, ob man das Verhalten als grob verkehrswidrig einstufen und von einem Beinaheunfall ausgegangen werden kann). Nicht gegeben sein dürfte regelmäßig § 315b StGB, da bei ihm im fließenden Verkehr eine Pervertierung des Straßenverkehrs vorausgesetzt wird und die Rspr. diesbezüglich sogar einen Schädigungsvorsatz verlangt (vgl. näher dazu Jäger, BT, Rn. 690 a. E.).

      Man muss sich klar machen, dass die soeben genannte Entscheidung des BVerfG auch auf andere Konstellationen Auswirkungen haben kann. So wird man künftig auch das Bedrohen mit einer Pistole zumindest dann als Gewalt begreifen können, wenn es beim Opfer zu einer körperlichen Schreckreaktion führt. Die Problematik der verfassungsgerichtlichen Rspr. liegt freilich darin, dass eine rechtssichere Handhabung kaum mehr möglich ist, weil die Bejahung von Gewalt von der schwer überprüfbaren „Belastbarkeit“ des Opfers abhängt. Das BVerfG hat dies allerdings gesehen und darauf hingewiesen, dass es jeweils auf die Umstände des Einzelfalls ankommen wird (vgl. zum Ganzen auch Jäger, BT, Rn. 141).

      Ein schönes und klausurträchtiges Beispiel für die Problematik des Art. 103 II GG liefert auch § 265a StGB. Rechtsprechung und h. M. gehen hier davon aus, dass es auch als Erschleichen der Leistung verstanden werden kann, wenn der Täter, der keine Fahrkarte gelöst hat, nur unauffällig im Zugabteil sitzt und sich auf diese Weise mit dem Anschein der Ordnungsgemäßheit umgibt.[38] Ausführlich dazu mit Fall und Lösung Jäger, BT, Rn. 476 ff.

      Einen weiteren Fall zur Grenzziehung zwischen verbotener Analogie und zulässiger Auslegung liefert der Streit um die Frage, ob das unvorsätzliche Entfernen vom Unfallort einem berechtigten oder entschuldigten Entfernen nach § 142 II Nr. 2 StGB gleichgestellt werden kann. Das BVerfG[39] hat diese Frage jedoch mit der Begründung verneint, dass anderenfalls die Grenze des Wortsinns gesprengt würde.

       Achtung Klausur: Diese Entscheidung des BVerfG führt dazu, dass für den zuerst zu prüfenden § 142 I Nr. 1 StGB bedeutsamer wird, wann noch von einem unerlaubten Entfernen vom „Unfallort“ gesprochen werden kann. Näher dazu mit Fall und Lösung Jäger, BT, Rn. 727.

      Zu einem weiteren Fall der Abgrenzung von zulässiger Auslegung und verbotener Analogie Jäger, BT, Rn. 182.

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       4. Rückwirkungsverbot (lex praevia)

      Das Rückwirkungsverbot zielt darauf ab, dem Bürger einen Vertrauensschutz zu gewährleisten.

      a) Anwendungsbereich

- Unbestritten ist die rückwirkende Neuschaffung oder Erweiterung von strafbegründenden Normen verboten. Unstreitig verboten ist auch die strafschärfende Änderung oder Neueinführung von Rechtsfolgen.
- Strittig ist dagegen, ob das Rückwirkungsverbot nur die Normen des Besonderen Teils des StGB (also §§ 80 ff. StGB) betrifft oder auch die Normen des Allgemeinen Teils. Eine Mindermeinung geht davon aus, dass nur im Besonderen Teil die einzelnen Tatbestände vertypt sind, sodass auch nur hier das Rückwirkungsverbot sinnvoll anwendbar sei. Dem ist jedoch mit der h. M. strikt zu widersprechen, da die Reichweite eines Tatbestandes letztlich erst durch die Regeln des Allgemeinen Teils näher bestimmt wird; im Übrigen sind die Regeln des Allgemeinen Teils nur aus formellen (gesetzestechnischen) Gründen „vor die Klammer“ gezogen, ohne dass eine materielle Differenz bestünde.
- Streitig ist auch, ob das Rückwirkungsverbot in gleicher Weise für die prozessuale Verfolgbarkeit gilt. Bsp.: Verjährungsausschluss für Mord nach Begehung der Tat. Nach Auffassung des BVerfG[40] ist eine derartige nachträgliche Verjährungsverlängerung bzw. ein Verjährungsausschluss möglich. Bei der Verjährung fehle es nämlich an dem Vertrauensschutzelement, da diese ohnehin jederzeit unterbrochen werden kann.[41] Immerhin sei aber auch hier das Rechtsstaatsprinzip (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz) ausschlaggebend, sodass ein Verjährungsausschluss wohl nur im Bereich schwersten Unrechts in Frage komme.
- Rückwirkende Änderung der Rspr. Rspr. und Lehre gehen davon aus, dass Art. 103 II GG auf den Bereich der Rechtsschöpfung beschränkt ist und daher einer rückwirkenden Änderung der Rspr. nicht entgegensteht. Daher kann ein davon überraschter Täter allenfalls unter Schuldgesichtspunkten wegen eines Verbotsirrtums Straffreiheit oder Milderung erlangen. Jedoch komme ein strafbefreiender unvermeidbarer Verbotsirrtum (§ 17 S. 1 StGB) nur in Betracht, wenn das Verhalten des Täters nach der zur Tatzeit praktizierten höchstrichterlichen Rspr. als straflos gelten konnte und der Täter diese Rspr. gekannt und auf sie vertraut hat. Nach OLG Celle[42] ist dies alles Tatsachenfrage. Im Fall des OLG Celle ging es um die Herabsetzung der BAK von 1,5 auf 1,3 (heute sogar 1,1) Promille für die Annahme von absoluter Fahruntauglichkeit. Diese Rechtsprechungsänderung verstieß nicht gegen das Rückwirkungsverbot, weil nur die Rechtsschöpfung, nicht aber eine bestimmte Auslegung eines Tatbestandes von diesem Verbot erfasst wird. Denn der Einzelne kann kein Vertrauen auf eine stets gleichbleibende Rspr. haben.

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b) Sonderproblem: Sicherungsverwahrung[43] Nach einem Urteil des EGMR vom 17.12.2009[44] hat Deutschland in der Vergangenheit mit der Regelung zur Sicherungsverwahrung gegen die EMRK verstoßen. Die durch § 67d III StGB bewirkte rückwirkende Aufhebung der zeitlichen Begrenzung einer erstmaligen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung und damit nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung habe gegen das Recht auf Freiheit in Art. 5 EMRK und das Rückwirkungsverbot in Art. 7 EMRK verstoßen. Damit wich diese Entscheidung ausdrücklich von einer Entscheidung des BVerfG[45] ab, in der es zu gegenteiligen Ergebnissen gekommen war. Nach Ansicht des BVerfG sei das Rückwirkungsverbot nach Art. 103 II GG auf die Sicherungsverwahrung nicht anwendbar. Hier

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