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Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung. Markus Berndt
Читать онлайн.Название Unternehmensstrafrecht und Unternehmensverteidigung
Год выпуска 0
isbn 9783811454668
Автор произведения Markus Berndt
Серия Praxis der Strafverteidigung
Издательство Bookwire
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Obschon § 266 StGB im Gegensatz zum Betrug kein Selbst-, sondern ein Fremdschädigungsdelikt darstellt und deswegen das für den Begriff der Vermögensverfügung zentrale Merkmal der Unmittelbarkeit keine vergleichbare Bedeutung haben kann,[178] wird man es zumindest unter zwei Gesichtspunkten nutzbar machen können: Im Rahmen der Gesamtsaldierung spielt das Merkmal der Unmittelbarkeit zunächst auf der Nachteilsseite der Saldierung insoweit eine Rolle, als der Pflichtverstoß unmittelbar zu der Vermögensgefährdung führen muss, die dementsprechend nicht von weiteren wesentlichen Zwischenschritten abhängen darf.[179] Der Rekurs auf dieses Kriterium ist angezeigt, weil auf der Vorteilsseite der Saldierung gleichermaßen nur unmittelbar, nicht aber mittelbar auf den Pflichtverstoß zurückgehende Vermögenszuflüsse berücksichtigungsfähig sind und eine unterschiedliche Behandlung beider Saldierungsseiten nicht einleuchtet.[180] Darüber hinaus kann das Merkmal der Unmittelbarkeit Bedeutung für die Bestimmung des schadensbegründenden Konkretisierungsgrades der Vermögensgefährdung insofern haben, als diese Gefahr nur hinreichend konkret ist, wenn sie unmittelbar in einen endgültigen Schaden übergehen kann, woran es jedenfalls bei solchen Gefährdungslagen fehlt, in denen der endgültige Vermögensverlust noch von weiteren eigenmächtigen Handlungen des Täters, Opfers oder eines Dritten abhängt.[181]
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Obwohl gegen ein Unternehmen gerichtete Bußgeld- oder Schadensersatzansprüche prinzipiell eine schadensgleiche konkrete Vermögensgefährdung begründen können,[182] führt der Rückgriff auf das Unmittelbarkeitsmerkmal im hier interessierenden Zusammenhang dazu, einen untreuerelevanten Nachteil abzulehnen. Zwar mag der dem Vorstand oder der Geschäftsführung anzulastende Verstoß gegen die Fortbestandssicherungspflicht eine Situation schaffen, die eine Gefahr für die Ausübung rechtswidriger Mitarbeiterpraktiken herbeiführt. Jedoch stehen zwischen dieser Treuepflichtverletzung und dem endgültigen Vermögensverlust nicht nur die Ausübung dieser Praktiken, sondern die erfolgreiche Festsetzung bzw. Geltendmachung etwaiger Bußgeld- oder Schadensersatzansprüche durch die Sanktionsbehörden oder die Geschädigten. Selbst wenn dem Unmittelbarkeitskriterium nicht zuwiderläuft, dass der endgültige Schadenseintritt faktisch noch von Handlungen des Opfers oder Dritter abhängt, wird man im Falle derartiger Ansprüche nur dann eine konkrete Vermögensgefahr annehmen können, wenn die Norm sich gleichsam selbst vollstreckt, so dass keine relevante Eigenmacht auf Seiten der Sanktionsinstanz oder eines geschädigten Opfers besteht.[183] Angesichts der insoweit feststellbaren und gerade durch entsprechende Eigenmacht der Sanktionsinstanz oder des Opfers gekennzeichneten Zwischenschritte liegt allenfalls eine mittelbare – genauer: abstrakte – Vermögensgefährdung vor. Insbesondere fehlt es daran, dass sich die den Bußgeld- oder Schadensersatzanspruch tragende Norm selbst vollstreckt, weil die Entscheidung über ihre Festsetzung im Wesentlichen vom (Entschließungs- und Auswahl-)Ermessen der Bußgeldbehörde oder des Geschädigten abhängt, wobei die Bußgeldbehörde im Bereich des Rechts der Ordnungswidrigkeiten nicht einmal auf der Grundlage des Legalitäts-, sondern des Opportunitätsprinzips operiert (§ 47 OWiG). Auf dieser Linie liegt es, wenn der Bundesgerichtshof in der Entscheidung über die Strafbarkeit des gegen rechtswidrige Mitarbeiterpraktiken nicht einschreitenden Leiters der Rechtsabteilung und Innenrevision erklärt, dass mögliche Ersatzansprüche und Prozesskosten nach Aufdeckung des Betruges keinen unmittelbaren Schaden begründen können, da insoweit noch die Aufdeckung der Tat als Zwischenschritt erfolgen müsse.[184]
(a) Allgemeines
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Sichtbarster Ausdruck für die Tendenz, das Unterlassen von Maßnahmen des Risikomanagements strafrechtlich zu sanktionieren, ist die als Reaktion auf die Finanzkrise entstandene Vorschrift des § 54a KWG. Sie ist im Zuge des Gesetzes zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen (Trennbankengesetz)[185] in das KWG aufgenommen worden. Vormals in den Rundschreiben der BaFin zu den Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) formulierte Pflichten, die nach h.M. norminterpretierende Verwaltungsvorschriften darstellten,[186] wurden auf diese Weise in Gesetzesrang erhoben. Inwieweit außerstrafrechtliche Pflichten in den Rang strafrechtlich sanktionierter Pflichten aufrücken dürfen, ist im Prinzipiellen jedoch nach wie vor ungeklärt.[187] In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass zwischen außerstrafrechtlichem Recht und Strafrecht grundsätzlich ein Verhältnis asymmetrischer Akzessorietät besteht und Strafsanktionen für die Verletzung außerstrafrechtlicher Pflichten zwar möglich, aber begründungsbedürftig sind.[188]
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Für den Gesetzgeber leitend war die Erwägung, dass eine strafrechtliche Sanktionierung unterbliebenen Risikomanagements kaum möglich ist.[189] Dies legitimiert für sich jedoch keine Kriminalisierung, da derartige Maßnahmen kein Selbstzweck sind. Unabhängig davon ist der legitimatorische Bezug auf die Finanzkrise ungereimt, die weniger durch unzureichende Compliance als durch die Tätigung extremer Risikogeschäfte selbst verursacht wurde; insofern wird auch hier der eigentliche Vorwurf umgeformt (siehe Rn. 115 ff.).[190] Die Ungereimtheit fällt umso deutlicher ins Auge als einschränkungslos alle und keineswegs nur „systemrelevante“ Institute erfasst werden.[191]
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Die Strafnorm ist allenthalben auf deutliche Ablehnung gestoßen.[192] Die Kritik ist berechtigt, weil § 54a KWG wegen der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und der für das Kapitalmarktstrafrecht typischen exzessiven Blanketttechnik Bedenken hinsichtlich Art. 103 Abs. 2 GG aufwirft.[193] Die Leistungsfähigkeit einer außerstrafrechtlichen Regulierung wurde nicht einmal erwogen, was Zweifel mit Blick auf die dem Strafrecht eigene Ultima ratio-Funktion aufwirft.[194] Unterhalb der verfassungsrechtlichen Ebene ist einzuwenden, dass geschütztes Rechtsgut[195] und Deliktscharakter[196] kaum erkennbar sind. Der noch im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens eingefügte § 54a Abs. 3 KWG wird immerhin dazu führen, dass es sich um weitgehend „totes Recht“ handelt.[197] Dies gilt umso mehr, als die nahezu unüberschaubaren Pflichtenkataloge aus § 25c Abs. 4a KWG sowie § 25c Abs. 4b S. 2 KWG kaum justiziabel sind.[198]
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Das zu schützende Rechtsgut ist letztlich in der unter Umständen auch durch die Bestandsgefährdung eines einzelnen Instituts auf dem Spiel stehenden Funktionsfähigkeit des Finanzsystems zu sehen.[199] Darüber hinaus wird das individuelle Vermögen des Instituts geschützt, was Bedeutung mit Blick auf § 823 Abs. 2 BGB hat.[200] Compliance dient nämlich gerade der Vermeidung von Rechtsverstößen im vermeintlichen Interesse eines Unternehmens, dem Sanktionen oder Imageschäden drohen.[201]
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Nach dem Gesetzgeber soll es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handeln.[202] Das Erfordernis der Herbeiführung einer Bestandsgefährdung spricht jedoch für die Klassifizierung als konkretes Gefährdungsdelikt.[203] Der Tatbestand hat eine zweiaktige Struktur, indem zu dem strafrechtlich relevanten Verhalten noch ein von Vorsatz oder Fahrlässigkeit (vgl. § 54a Abs. 2 KWG) umfasster Gefährdungserfolg treten muss. Das strafrechtlich relevante Verhalten als solches besteht in einem Nicht-dafür-Sorge-Tragen; es handelt sich also um ein echtes Unterlassungsdelikt.[204] Die Norm stellt zugleich ein Dauerdelikt dar, bei dem der rechtswidrige Dauerzustand erst durch Vornahme der geforderten Compliance-Maßnahmen beendet wird.
(b) Geschäftsleiter und Institut/Gruppe
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Aus dem Verweis in § 25c Abs. 4a und b KWG folgt, dass sich nur Geschäftsleiter strafbar machen können, wobei auf die Legaldefinition des § 1 Abs. 2 KWG zurückgegriffen werden kann. Es handelt