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halbe Stunde lang, bis sie eine Brücke erreichten, die ihn an einer etwas schmaleren Stelle überspannte. Hier lag der "Wilde Eber", in den sie einkehrten. Das Gasthaus war ursprünglich eine Mühle gewesen, wovon noch das große, gut erhaltene Wasserrad kündete. Schon vor mehr als einem Jahrhundert jedoch hatten die geschäftstüchtigen damaligen Besitzer erkannt, dass das strategisch günstig gelegene Anwesen direkt an der Brücke der viel genutzten Straße wesentlich gewinnbringender nutzen ließ. Als Gasthof hatte sich der "Wilde Eber" seither zu einer wahren Goldgrube entwickelt.

      Der Geruch von gebratenem Fleisch, Wein und Bier erfüllte den großen Schankraum. Um dem Namen des Gasthauses gerecht zu werden, hing außer einem Hirsch auch ein allerdings ganz und gar nicht mehr wilder sondern ziemlich toter Eber auf einem Spieß über dem Feuer, bei dessen bloßem Anblick Maziroc bereits das Wasser im Mund zusammenlief. Das Schlemmen war schon immer eine seiner größten Leidenschaften gewesen, und er würde sie sich auch nicht durch einen allmählich zunehmenden Leibesumfang nehmen lassen, schon gar nicht während eines Gewaltrittes wie diesem.

      Ein Barde spielte auf seiner Laute, und Stimmengemurmel und Lachen schallten ihnen bei ihrem Eintreten entgegen, doch wurde es fast schlagartig stiller, als die übrigen Gäste sie bemerkten. Alle Blicke wandten sich ihnen zu. Nach ein paar Sekunden verklang auch das Lautenspiel mit einem schrillen Misston.

      Der Wirt, ein kleinwüchsiger Mann mit spärlichem grauem Haar und einem von Falten zerfurchten Gesicht, kam hinter seinem Tresen hervorgeschossen. "Was ist los? Spiel schon weiter!", herrschte er den Barden an, dann verneigte er sich demutsvoll vor Eibon, während hinter ihm das Lautenspiel erneut begann. "Welch ein strahlender Glanz in meinem bescheidenen Haus. Seid herzlich willkommen, hohe Herren", grüßte er unterwürfig und verneigte sich direkt noch ein paarmal hintereinander.

      Da für eine so große Gruppe wie die ihre nicht genügend Plätze frei waren, forderte er einige der weniger wohlhabend aussehenden Zecher barsch auf, sich umzusetzen, dann überschlug er sich beinahe vor Eifer, aus dem Lager und sogar seiner Wohnstube weitere Tische und Stühle herbeizuschaffen und zusammenzustellen, bis eine genügend lange Tafel entstanden war, dass sie alle daran Platz fanden. Kaum hatten sie sich gesetzt, schaffte er Becher und Krüge voller Wein herbei, von dem er behauptete, dass es der beste wäre, den er in seinem Keller hätte. Dem Wein folgten Körbe mit Brot und Früchten, zudem große Platten, auf denen so viel Bratenfleisch aufgehäuft war, dass sich die Tische fast unter der Last zu biegen begannen.

      Mittlerweile hatten die anderen Gäste ihre Gespräche längst wieder aufgenommen, doch Maziroc bemerkte sehr wohl die Blicke, die auch jetzt noch immer wieder zu ihnen herübergeworfen wurden, und es war unschwer zu erraten, dass sich die meisten Gespräche um sie drehten. Es ärgerte ihn, da er ungern so im Mittelpunkt des Interesses stand, nicht einmal in positiver Hinsicht, denn auch Bewunderung machte ihn höchstens verlegen. Ein bisschen fühlte er sich wie ein exotisches Tier, das auf einem Markt von der Menge neugierig begafft wurde, auch wenn das Interesse wohl in erster Linie den Elben galt. Sie befanden sich noch nicht allzu weit von Cavillon entfernt, und Magier waren zumindest hier in Larquina nichts Ungewöhnliches.

      Elben schon.

      Maziroc erinnerte sich wieder daran, wie aufgeregt Brak am Vortag auf die bloße Nachricht reagiert hatte, dass Elben auf dem Weg nach Cavillon wären. Auch für viele der hier anwesenden Gäste mochte es das erste Mal sein, dass sie Elben zu Gesicht bekamen und sogar mit ihnen im gleichen Raum speisten, zudem nicht nur Spähern, sondern den noch viel seltener anzutreffenden Elbenkriegern in Begleitung ihres Königs Eibon Bel Churio, der schon zu Lebzeiten eine Legende darstellte und die Hohe Festung bereits seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht mehr verlassen hatte. Mit einem Mal konnte er das Verhalten der meist einfachen Menschen besser verstehen, und sein Unmut über ihr Verhalten legte sich, als er sich vor Augen hielt, dass dies für sie ein historischer Moment sein musste, ein Ereignis, von dem sie noch ihren Kindern und Enkelkindern erzählen würden.

      Maziroc beschloss, gar nicht weiter auf seine Umgebung zu achten. Stattdessen griff er kräftig beim Fleisch zu, spülte es ausgiebig mit Wein hinunter und beendete sein Mahl schließlich mit Brot und Käse, bis er so satt war, dass er das Gefühl hatte, im nächsten Moment zu platzen. Gleichzeitig spürte er eine immer stärker werdenden Trägheit. In der vergangenen Nacht hatte er wegen des unbequemen Lagers im Wald nicht besonders gut geschlafen, und auch schon in der vorletzten Nacht hatte er aufgrund der langen Beratungen nur wenig Schlaf bekommen. Deshalb hätte er gegen eine längere Rast und ein, zwei Stündchen Ruhe nichts einzuwenden gehabt, und er war überzeugt, dass er nicht der Einzige war, dem es so erging.

      Diese Zeit gönnte Eibon ihnen jedoch nicht. Nur wenige Minuten, nachdem auch der Letzte von ihnen sein Mahl beendet hatte, drängte der Elbenkönig sie bereits wieder zum Aufbruch.

      Mit gleicher Eile hetzte er sie auch in den folgenden Tagen. Gewöhnlich brauchte man unter günstigen Bedingungen mindestens drei Wochen von Cavillon bis nach Ai'Lith, eher vier. Angetrieben von Eibon brachten sie diese erste Etappe ihrer Reise in knapp der Hälfte der Zeit hinter sich. Sie schliefen in keiner Nacht länger als sechs Stunden, legten nur eine höchstens halbstündige Rast am Tag ein und ritten in der übrigen Zeit so schnell, wie es ihnen nur möglich war.

      Völlig erschöpft erreichten sie auf diese Art am Nachmittag des vierzehnten Tages schließlich das Largos-Gebirge, in dessen Zentrum sich die Hohe Festung der Elben erhob.

      Ai'Lith, die ewige.

      Es war bei weitem nicht Mazirocs erster Besuch in der Hohen Festung, doch wie stets zuvor wurde er auch diesmal wieder von der gleichen Bewunderung und dem ehrfurchtsvollen Staunen überwältigt, wie beim ersten Mal. Viele bezeichneten bereits das weitgehend aus schwarzen Basaltblöcken erbaute Cavillon als ein zwar düster anmutendes, aber dennoch unvergleichliches Weltwunder, doch die Heimstatt der Elben stellte die Ordensburg ebenso wie jedes andere Bauwerk weit in den Schatten.

      Allein schon das weitläufige, von schroffen, hohen Felswänden umgebene Tal rund um die Hohe Festung mutete fast paradiesisch an. Ein kristallklares Flüsschen mit zahlreichen Kaskaden und sogar einem kleinen Wasserfall schlängelte sich hindurch und mündete in einem romantischen Weiher. Entlang des fruchtbaren Flussufers erstreckten sich Felder, auf denen Getreide, Mais und andere Nutzpflanzen angebaut wurden, im Wechsel mit Weideland, auf dem sich Pferde, Kühe, Schafe, Ziegen und andere Tiere tummelten. Dazwischen befanden sich überall riesige Beete, auf den Rosen und andere farbenprächtige Blumen bereits zu dieser frühen Jahreszeit in üppiger Blüte standen und das gesamte Tal mit süßem Duft erfüllten.

      Über allem schwebte ein friedlicher Zauber wie eine unsichtbare Aura, ein feines Gespinst, das jede Pflanze, jedes Tier und sogar das Wasser des Flusses wie auch jeden Stein zu umfangen schien, doch es war eine gänzlich andere Form der Magie, als Maziroc sie kannte und selbst zu erzeugen vermochte. Sie war älter, erhabener und ungleich mächtiger, aber sie war auch auf diesen Ort begrenzt. So wie sie alles in diesem Tal umfing, so entsprang sie ihm auch.

      Ihr eigentliches Zentrum jedoch war Ai'Lith, das sich inmitten des Talkessels auf einem niedrigen Hügel erhob. Dreißig, vierzig Meter hoch strebten die Mauern steil empor; Mauern, die aus titanischen, strahlend weißen Marmorquadern errichtet waren, jeder davon so groß wie ein Haus. In jedem einzelnen dieser zyklopischen Monolithen befand sich mindestens eine ergiebige Quarzader, von denen jede einzelne je nach Sonneneinfall wie ein Band aus verschiedenen vielfarbigen Edelsteinen gleißte und funkelte, sodass man nie länger als ein paar Sekunden hinblicken konnte, ohne von dem Glanz geblendet die Augen schließen

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