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nach der Matrosenausbildung seine nautischen Patente A5 und A6 an der Seefahrtsschule in Hamburg. Danach studierte er an der Hochschule für Wirtschaft und Politik, die er als Volkswirt verließ. In seiner Laufbahn war er u. a. für die Reederei Hapag-Lloyd als Poolreferent tätig und er arbeitete fast zwanzig Jahre lang für die Kutterfischer aus Finkenwerder, Bremerhaven und Cuxhaven. Von 2001 bis 2005 segelte er in seinem Boot um die Welt.

      Mit Ankerherz kam Kapitän Froböse 2018 als Gast der „Skua-Tour“ in Kontakt, wie die Reise über den Nordatlantik nach Island heißt. An Bord erzählte er erstmals diese Geschichte. Dietmar Froböse lebt mit seiner Familie in der Nähe von Hamburg.

      3 Broken sind schwere, quadratische Netze mit großen Augen an den vier Ecken, die zum Löschen der Ladung dienen.

       NORDSEESTURM

      NAME KAPITÄN MICHAEL NICOLAYSEN SCHIFF MOTORTANKER LENG SEEGEBIET NORDSEE DATUM KURZ VOR WEIHNACHTEN, 1988

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      Der Sturm hätte uns nicht mit solcher Stärke treffen sollen. Bis wir in seine Ausläufer gerieten, sollten wir längst im Windschutz der schottischen Küste sein und in Ruhe Weihnachten feiern können. So hatten es die Wetterberichte angekündigt und so hatte ich unsere Überfahrt anhand der eingegangenen Daten geplant.

      Doch der Orkan hatte einen anderen Plan.

      Er kam schneller, als von den Meteorologen vorhergesagt. Und er kam viel heftiger als prophezeit. Er hatte seine Route südlich verlagert und heulte über die Shetlands in Richtung Norwegen.

      Meine Frau begleitete mich auf dieser Reise. Sie war auf die Brücke gekommen und saß Achterkante auf der Bank. Unser Schiff rollte und stampfte stark. Sie rutschte hin und her. Ich werde nie den Moment vergessen, als sie aufstand und nach vorne an die Scheibe trat.

      „Mein Gott! Ich kann das Schiff nicht mehr sehen“, sagte sie. Eine weiße See rollte über das gesamte Schiff.

      Sie begann, leise zu weinen.

      Ich hatte keine Angst in diesen Stunden, wohl aber spürte ich einen Respekt. Eine Menge Respekt, die jeder Seemann vor der See und den Elementen haben sollte. Die Natur ist gewaltig und immer stärker als wir. Unser Schiff war der Motortanker Leng, 134 Meter lang, 19,20 Meter breit, mit der höchsten finnischen Eisklasse, also besonders robust gebaut. Im norwegischen Hafen Mongstad löschten wir am 20. Dezember 1988 unsere Ladung, als der erste Sturm durchzog.

      Am späten Nachmittag, der Wind nahm rasch zu, mussten wir das Löschen unterbrechen. Die Pumpen wurden gestoppt, die Ventile des Manifold geschlossen und die Löschleitungen abgebaut. Die See baute sich im ungeschützten Hafenbecken immer weiter auf. Wir brachten aus Sicherheitsgründen zusätzliche Leinen aus. Im Laufe des späten Abends kam dennoch Bewegung ins Schiff. Durch die enorme Windkraft fuhr die Leng an der Pier auf und ab. Die ersten Leinen rissen. Wir hatten keine Zeit mehr, neu zu spleißen. Wir knoteten also Augen in die Leinen.

      Die Maschine war besetzt. Mit Hilfe des Verstellpropellers und des Bugstrahlruders versuchte ich, das Schiff einigermaßen ruhig an der Pier zu halten. Gegen Morgen flaute der Sturm ab. Wir lagen wieder ruhig an der Pier, ganz so, als sei nichts geschehen. Wir setzten das Löschen unserer Ladung fort und legten ab. Gegen vier Uhr morgens erreichten wir die Lotsenstation.

      Wir wussten, dass das nächste Tief aufzog, und hatten alle Maßnahmen zur Sicherheit ergriffen. Alles war von Deck geholt und verstaut worden. Die Schotten waren dicht und mehrfach überprüft worden und die Seeschlagblenden auf dem Hauptdeck angebracht. Im Aufbau hatte ich alles laschen und seefest zurren lassen. Die Ballasttanks waren geflutet; wir hatten damit Maximaltiefgang und keine freien Oberflächen in den Tanks. Unser nächstes Ziel lautete Grangemouth, ein Chemiehafen im Firth of Forth, Schottland.

      Seit 1968 fahre ich zur See, seit ich als „Ferienfahrer“ auf einem Bananendampfer anheuerte. Auch um auszuprobieren, ob ich Seemann werden wollte. Das Kühlschiff fuhr von Hamburg nach Guayaquil in Ecuador.

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      Die Matrosen schärften mir ein: „Das ist ein gefährliches Pflaster! Moses, du gehst auf keinen Fall alleine an Land.“ Die Decksmannschaft musste noch die Luken zum Beladen vorbereiten, und so fand ich niemanden, der mich begleiten konnte. Nach dem Frühstück war die Neugierde zu groß. Ich stieg um kurz nach halb neun auf eine der Barkassen, die Seeleute von den Schiffen auf Reede an Land brachten, und sah mich im alten Teil der Stadt um. Dieses Gefühl werde ich nie vergessen, zum ersten Mal Südamerika. Ich kam mir ein wenig wie der Entdecker Kolumbus vor: ein kleiner Deckjunge, weißes Hemd, weiße Hose, eine Kamera um den Hals, Armbanduhr am Handgelenk, einen Geldbeutel in der Tasche.

      Mein Spaziergang durch das Viertel dauerte nicht lange. Ich wurde von einer Gruppe Jugendlicher umringt und spürte die Spitze eines Messers im Rücken. Ich war Kamera, Armbanduhr und Geldbeutel los. Zum Glück hatte sich Kolumbus, der Entdecker, das Ticket für die Barkasse in die Brusttasche des Hemdes gesteckt. Um kurz nach zehn Uhr schlich ich zurück an Bord, zur Schadenfreude der Matrosen. Sie verspotteten mich, denn sie hatten ja vorhergesagt, wie der Landgang für mich enden würde. Ich schämte mich, die Tränen liefen, und ich schloss mich in meiner Kammer ein. Es dauerte nicht lange, bis an die Tür gehämmert wurde. „Moses, komm raus!“ Für mich war das Kapitel Ecuador beendet, ich mochte nicht. „Siehst du jetzt zu, dass du rauskommst?“, riefen die Matrosen. Im Interesse einer harmonischen Heimreise folgte ich.

      Es wurde ein wunderbarer Ausflug. Wir besichtigten eine alte Kirche und einen südamerikanischen Friedhof mit den überirdischen Gräbern. Nach dieser Sightseeing-Tour gingen wir essen. Zum ersten Mal in meinem Leben aß ich Shrimps und fand es köstlich. Hinterher ging es dann noch in die „Alte Anita Bar“, eine bekannte Seefahrerbar. Die Matrosen hielten mich frei. Sie wollten, dass ich die Reise in guter Erinnerung behalte. Sie haben mir einen Weg in die weite Welt gezeigt. Und eine Kameradschaft, wie ich sie immer wieder auf See erlebt habe. Auch deshalb mag ich meinen Beruf.

      Nach dem Studium konnte ich als Dritter Offizier bei einer Tankerreederei anmustern. Und den Tankern blieb ich treu. Es ist ein anspruchsvoller Beruf. Auf allen Tankern, egal, welche flüssige Ladung transportiert wird, beschäftigt sich die gesamte Mannschaft immer mit der Ladung. Die Tanks müssen vor dem Beladen sauber sein. Ladungsreste müssen aus den Tanks, den Leitungen, Filtern und Entlüftungsmasten gewaschen werden. Die Ladungsrückstände und das Waschwasser werden in Sloptanks aufbewahrt und im nächsten Hafen entsorgt. Die Kontrollen sind engmaschig und sehr genau. Sollten wir beispielsweise Flugzeugkerosin laden, kam eine Spezialfirma zur Überprüfung der Tanks vor der Beladung an Bord. In den Tanks wurden mit Wattebauschen Proben an den Wänden genommen. Die kleinste Verunreinigung bedeutete mächtig Ärger und im schlimmsten Fall, dass ein anderes Schiff den Zuschlag bekam.

      Während der Reisen wurde die Ladung sowie die Temperatur kontrolliert.

      Damals musste alles noch per Hand und vielen Tabellen berechnet werden.

      Auch dies mochte ich an meinem Beruf. Der größte Tanker, auf dem ich fuhr, hatte eine Länge von 325 Metern bei einer Breite von 49 Metern, der maximale Tiefgang betrug 22 Meter. Auf Tankern bin ich auf fast allen Weltmeeren gefahren.

      Schlechtwetter gibt es überall, doch berüchtigt ist unter Seeleuten die Nordsee. Warum, das sollte ich mal auf dieser Reise mit der Leng erfahren. Als wir die Küste Norwegens verließen, setzte Schneetreiben ein, gefolgt von starkem Regen. Der Wind nahm immer weiter zu. Mit dem Leitenden Ingenieur und dem Ersten Offizier besprach ich, was zu tun war. Zur Sicherheit schalteten wir den Wellengenerator ab und schlossen die Hilfsdiesel ans Stromnetz an.

      Der Sturm drehte immer weiter auf, als schiebe man den Regler einer großen Turbine immer weiter bis an den Anschlag. Das Barometer fiel auf 962 Millibar. Am frühen Abend maßen wir Orkanstärke 12. Die Sicht: null. Es war schwierig, den Bug im Chaos aus Wellen und Gischt auszumachen.

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