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führ uns liebreich zu Dir!«

      Wie die Erfüllung des Gebetes aussieht, zeigt das Schicksal des Helden in der vielgelesenen Novelle Aus dem Leben eines Taugenichts (1826). Angeregt durch Friedrich Schlegels »Idylle über den Müßiggang« in dem Roman Lucinde, schickt Eichendorff seinen Taugenichts als Glücksritter in die Welt, die vor dem alles poetisierenden Blick26 des Ich-Erzählers märchenhafte Züge annimmt. Mit einer Geige, wenig Geld und viel Gottvertrauen »schlendert« der wanderlustige Müllerssohn fort und singt:

      Den lieben Gott laß ich nur walten;

      Der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld

      Und Erd’ und Himmel will erhalten,

      Hat auch mein’ Sach’ aufs best’ bestellt!

      Der Ausgang rechtfertigt diese fromme Einfalt: Nach Verwechslungen, Maskeraden und glücklichen Zufällen heiratet der Taugenichts eine schöne Waise und bekommt dazu vom Grafen »das weiße Schlößchen, das da drüben im Mondschein glänzt«, geschenkt; und so endet »alles, alles gut!«.

      Ein böses Ende nimmt dagegen die Novelle Das Schloss Dürande (1837), eine Erzählung aus der Zeit der großen Französischen Revolution. Diese wirklichkeitsnähere Darstellung einer unbedingten Liebe und deren Untergang in den gesellschaftsgeschichtlichen Umwälzungen erlaubt dem Leser Rückschlüsse auf Eichendorffs politischen Standpunkt.

      Das Universalgenie der Hoch- oder Spätromantik war ERNST THEODOR WILHELM HOFFMANN (1776–1822), der aus Verehrung für Mozart seinen Vornamen Wilhelm durch Amadeus ersetzte. Der in Königsberg geborene Jurist wurde 1802 in die Provinz verbannt, weil er einflussreiche Leute der verdorbenen bürgerlichen Gesellschaft in Posen durch Karikaturen27 bloßgestellt hatte. Nachdem er beim Zusammenbruch Preußens im Jahre 1806 seine Stelle als Regierungsrat in Warschau verloren hatte, ging er an das Theater in Bamberg, wo er als Kapellmeister, Direktionsgehilfe, Bühnenarchitekt und Kulissenmaler arbeitete. Später war er Kammergerichtsrat in Berlin. E. T. A. Hoffmann, der Werke von Goethe, Brentano und Fouqué vertonte, schrieb an einen Freund: »Die Wochentage bin ich Jurist und höchstens etwas Musiker, Sonntags am Tage wird gezeichnet und Abends bin ich ein sehr witziger Autor bis in die späte Nacht.«

      Das erinnert sehr an sein Märchen Der goldene Topf (1814), in dem erzählt wird, wie der etwas unbeholfene Student Anselmus kraft seines kindlichen, poetischen Gemüts den Übergang aus dem bürgerlichen Alltagsleben in das phantastische Zauberreich der Poesie findet. Denn anders als Eichendorffs Taugenichts muss Anselmus die Wirklichkeit verlassen, um glücklich zu sein. Er heiratet die Tochter eines Geisterfürsten, der in Dresden als Archivar lebt, und zieht auf die versunkene Insel Atlantis. Am Ende steht die Frage, ob der Erzähler durch seine Mitteilung »nicht auch dort wenigstens einen artigen Meierhof als poetisches Besitztum« seines inneren Sinnes erworben habe – Seligkeit, jedenfalls, bedeute nichts »als das Leben in der Poesie«.

      Unbestreitbar besaß E. T. A. Hoffmann einen ansehnlichen Meierhof im Reiche der Poesie. Da dieses Reich aber auf einer versunkenen Insel angesiedelt war und auf Hoffmanns poetisches Besitztum oft der spukbelebte Schatten der Unterwelt fiel, ist es nicht verwunderlich, dass der Dichter als »Gespensterhoffmann« in die Literaturgeschichte einging. Hoffmanns Kriminalnovelle Das Fräulein von Scuderi und sein Schauerroman28 Die Elixiere des Teufels sind ausgemachte Thriller.

      Die Elixiere des Teufels, »Nachgelassene Papiere des Bruders Medardus, eines Kapuziners« (1815), enthalten die Geschichte einer verfluchten Familie: Ein ruchloser Maler muss nach seinem Tode als Wiedergänger umgehen, bis seine Freveltaten an dem letzten seiner Nachkommen gerächt sind. Dieser letzte Spross des unseligen Geschlechts ist der stolze und leidenschaftliche Medardus, der sein Gelübde bricht, weil er von einer teuflischen Reliquie gekostet hat und darauf, von erotischer Gier und schauerlicher Mordlust getrieben, zum dämonischen Verbrecher wird. Begegnungen mit einem Doppelgänger und Erscheinungen des verstorbenen Ahnherrn bringen den Mönch dabei an die Grenze des Wahnsinns.

      In der ebenfalls analytisch aufgebauten Novelle Das Fräulein von Scuderi (1819) geht es um einen genialen Goldschmied, der unter dem dämonischen Zwang steht, die von ihm gefertigten und veräußerten Schmuckstücke wieder an sich zu bringen. Cardillac, der Pariser Goldschmied, ermordet seine Kunden, bis er bei einem nächtlichen Anschlag selbst erstochen wird. Sein treuer Gehilfe Olivier, der aus Liebe zu Cardillacs Tochter Madelon geschwiegen hatte, enthüllt Cardillacs Wahn, nachdem er selbst des Mordes an seinem Meister verdächtigt wurde.

      In derselben Sammlung29 wie Das Fräulein von Scuderi erschien auch die Novelle Die Bergwerke zu Falun (1818). E. T. A. Hoffmann fand den Stoff, den schon Johann Peter Hebel unter dem Titel Unverhofftes Wiedersehen (1810) bearbeitet hatte (vgl. Kap. 7), in GOTTHILF HEINRICH SCHUBERTS (1780–1860) Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft (1808), einer romantischen Naturphilosophie, der Hoffmann manche Anregung verdankte.

      Den seinerzeit oft behandelten Gegensatz zwischen dem Lebensstil eines Bürgers und dem eines Künstlers stellte E. T. A. Hoffmann noch einmal höchst launig aus seinen eigenen Erfahrungen als beamtetes Genie dar. In dem Roman Lebens-Ansichten des Katers Murr nebst fragmentarischer Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler in zufälligen Makulaturblättern30 (1819 und 1821) verkörpern der Kater Hoffmanns bürgerliches Dasein und der aus den dreizehn Stücken der Kreisleriana bekannte Kapellmeister sein Leben als Künstler.

      Als der Kater Murr seine Lebensansichten schrieb, zerriß er ohne Umstände ein gedrucktes Buch, das er bei seinem Herrn vorfand, und verbrauchte die Blätter harmlos teils zur Unterlage, teils zum Löschen. Diese Blätter blieben im Manuskript und – wurden, als zu demselben gehörig, aus Versehen mit abgedruckt!

      So kommt es zu einem grotesken Wechsel der Perspektiven. Während Kreisler sich im Widerstreit zwischen Ideal und Lebenswirklichkeit am Hof eines Duodezfürsten verzehrt, trivialisiert der spießige Murr den Bildungsroman. Er will belehren, »wie man sich zum großen Kater bildet«, und schreibt mit seiner Lebensgeschichte eine Parodie auf die modischen Biographien mit dem zeitüblichen Titel »Leben und Meinungen des XY«.31

      Wie E. T. A. Hoffmann machten zwei Romantiker französischer Herkunft Berlin zu ihrer Wahlheimat: FRIEDRICH DE LA MOTTE FOUQUÉ (1777–1843), dessen Märchen Undine (1811) Hoffmann, später Albert Lortzing vertonen, und ADELBERT VON CHAMISSO (1781–1838), der Peter Schlemihls wundersame Geschichte (1814) erfand.

      Der schlesisch-ungarische NIKOLAUS LENAU schloss sich dem Kreis der schwäbischen Romantiker an. Die schwäbischen Romantiker trafen einander in dem gastlichen Haus des experimentierenden Parapsychologen JUSTINUS KERNER (1786–1862), der in der Seherin von Prevorst (1829), ähnlich wie Brentano, die Visionen einer somnambulen Neurasthenikerin aufschrieb und einige volkstümliche Lieder zu Des Knaben Wunderhorn beisteuerte.32 Zu Kerners Gästen zählte LUDWIG UHLAND (1787–1862), der als Balladendichter in den Lesebüchern fortlebt,33 der biedermeierlich harmlose GUSTAV SCHWAB (1792–1850), der Die schönsten Sagen des klassischen Altertums (1838–40) sammelte, der genialische WILHELM WAIBLINGER (1804–1830) und der Erzähler WILHELM HAUFF (1802–1827), dessen historischer Roman Lichtenstein (1826) heute weniger bekannt ist als seine Märchenzyklen Die Karawane (1825)34 und Das Wirtshaus im Spessart (1828). Gelegentlich fand sich auch Eduard Mörike aus dem nahen Cleversulzbach bei Kerner in Weinsberg ein. Hier ging die Romantik ins Provinzielle und ins Biedermeier über.

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