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Texte lasen. Von Freundinnen, mit denen ich gerne ins Kino gegangen bin oder stundenlang über Literatur und Kunst reden konnte oder die dieselbe Musik mögen. Und von denjenigen, mit denen ich mehreres von alldem zusammen tun und leben konnte.

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      Ich habe nun endlich, nach langem Suchen, das Material gefunden, das ich zu meinem »Fall« aufgehoben habe. Solidaritätsbroschüren zum Beispiel, in denen Briefe von mir abgedruckt sind. Von mir? Die Frau, die diese Briefe schrieb, erstaunt mich. Verunsichert mich. Sie ist so politisch, so auf den Punkt. Sie schreibt nicht über all die positiven Dinge, die sie im Knast erlebt, die Mitgefangenen, den Baum auf dem Hof, die Erleichterung über die neue Zelle, oben, im Hellen, mit Fenster zum Hof. Nein, diese Frau schreibt einer Freundin:

      »Meine Zelle ist exakt zweieinhalb Schritte breit und fünf Schritte lang, und ich spreche hier nicht von Riesenschritten. Gehen kann ich nur die fünf Schritte in der Länge. Die Breite ist nur theoretisch da, denn sie ist durch das Mobiliar völlig verbaut. Schrank, Toilette, Waschbecken, Tisch, Stuhl – alles für sich genommen zu klein, gleichzeitig aber zu groß für den winzigen Raum. (…)

      Alle paar Wochen kommen sie in diesen Raum, um alles von oben bis unten zu durchwühlen, meine Aufzeichnungen zu lesen, in meinen Sachen zu kramen. Intimität, das lernst du sehr schnell, kannst du abschreiben. Die gibt es nicht im Knast. Einsamkeit ja, aber keine Intimität. Du bist gleichzeitig total alleine und ebenso total allen Zugriffen ausgesetzt. (…)

      Isolationshaft heißt, dass du Tag für Tag, Nacht für Nacht nur auf dich allein angewiesen bist. Du fängst an, das Sprechen zu verlernen, merkst bei Besuchen, dass dir die Worte fehlen, dass du deine Zeit brauchst, um ins Reden zu kommen. Alle deine Sinne werden auf Entzug gesetzt. (…)

      Ich habe Glück gehabt. Ich kam nach drei Monaten Totalisolation in den sogenannten Normalvollzug, wobei das Wort ›normal‹ der blanke Zynismus ist. Im Knast ist nichts normal. Meine Situation ist ein Mischmasch aus Isolationsbedingungen und sogenanntem Normalvollzug. Meine Besucherinnen und Besucher kann ich nur hinter der Trennscheibe sehen. Das heißt, wir können uns nicht umarmen, nicht berühren, nicht fühlen. Neben mir sitzt eine Beamtin aus dem Knast, neben dem Besuch ein Bulle vom Landeskriminalamt, der jedes Wort mitschreibt. (…)

      Der sogenannte Normalvollzug sieht so aus: Wir Frauen haben zwei Stunden am Tag Kontakt miteinander. Eine Stunde vormittags beim Hofgang, eine Stunde nachmittags beim ›Aufschluss‹. Den Rest der Zeit, also 22 Stunden, sitze ich allein auf der Zelle. (…)

      Die Kehrseite zu den Versuchen, dich einzuschränken und zu zerstören ist, dass du dich selber kennenlernst wie nie zuvor. Dass du deine eigene Zähigkeit entdeckst und Kraftreserven, von denen du gar nicht wusstest, dass du sie hast.«

      Wer bin jetzt ich? Die Frau, die damals, in der realen Situation, diesen Brief geschrieben hat, oder die Frau, die nun, gut dreißig Jahre danach, ihre Erinnerungen an diese Zeit schreibt? Welche von uns beiden beschreibt die Situation im Gefängnis treffender? Haben mich das Alter und der zeitliche Abstand milde gestimmt? Bin ich rührselig geworden? Oder habe ich mich damals selbst zensiert, wegen der interessierten Mitleser von der Bundesanwaltschaft einerseits, und weil ich andererseits das Gefühl hatte, ich müsse mich als richtige politische Gefangene beweisen (und wenn ja, gegenüber wem)?

      Weder noch, vermutlich. Oder beides. Ich war damals anders »drauf«, härter, mehr eingebunden in linksradikales Denken. Und ich durfte tatsächlich auch nie vergessen, dass die Bundesanwaltschaft nicht nur bereit war, jedes Wort von mir zu verdrehen, sondern auch daran interessiert war, Schwächen bei mir auszumachen: als potenzielle Einfallstore. Ich habe kein Wort mit ihnen gesprochen, und ihre angeblichen Beweise gegen mich waren nicht gerade beeindruckend. In meinen Briefen zu erzählen, was mir Freude machte, was mir die Situation erleichterte, was mich stärkte, hätte zur Folge haben können, dass mir genau das künftig verwehrt, entzogen, verboten würde. Ich weiß nicht, ob es tatsächlich so gekommen wäre, aber ich konnte diese Möglichkeit nicht außer Acht lassen. Im Keller stand eine Zelle leer …

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