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Wortschöpfung der »Work-Life-Balance« halte ich so und so nichts, weil schon der Grundgedanke faul ist. Arbeit ist schließlich nicht einfach ein Thema, das man vom Rest seines Lebens abkoppeln könnte. Der Mensch, sein Wohlbefinden und sein Erfolg sind als Ganzes zu betrachten, da gehört nun einmal auch die Beschäftigung dazu – die berufliche wie die private. So wie es die ganz Jungen gerne hätten, kann es aber auch nicht funktionieren: Sie konzentrieren sich hauptsächlich auf Freizeit und Familie, die Arbeit ist eher ein »notwendiges Übel« und wird, sobald es nicht mehr angenehm genug ist, schnell gewechselt. Ob das reicht, um langfristig glücklich und erfolgreich zu sein? Ich habe meine Zweifel.

      Das Sozialverhalten des Menschen hat mich immer schon sehr interessiert. Bereits als Teenager bin ich daher in psychologischen Büchern versunken, von Alfred Adler über C.G. Jung bis Erwin Ringel. Und als es mir in meinem Wirtschaftsstudium zu eindimensional wurde, habe ich mich auch noch für Soziologie eingeschrieben. Der latente Konflikt zwischen dem Einzelnen und der Gesellschaft kam mir dabei besonders spannend vor. Ich wollte wissen, warum wir Menschen dazu neigen, nicht zu unserer Individualität zu stehen. Ich konnte es mir nicht richtig erklären, da es für mich persönlich undenkbar war, nicht meiner inneren Stimme zu folgen. Egal, was die anderen sagten. Dass gelegentlich sogar von mir erwartet beziehungsweise verlangt wurde, klar entgegen meiner persönlichen Haltung zu handeln, erschien mir absurd und übergriffig. Lag ich damit falsch? Oder war ich ein Egoist? Nicht gesellschaftsfähig?

      Lange Zeit war mir nicht bewusst, dass – und vor allem was – all das mit meiner Herkunft zu tun hatte. Unsere Herkunft bestimmt unsere Zukunft mit. Woher wir kommen, wirkt sich stark darauf aus, wohin wir kommen können. Es muss uns also erst klar werden, wo wir herkommen, sprich, was unser »Ureigenes« ist, dann können wir das machen, was uns wirklich entspricht. Das ist eine ganz wesentliche Grundlage für Erfolg. Damit meine ich nicht etwa aus welchem Land, welcher sozialen Schicht oder welchem Elternhaus wir kommen, es geht noch wesentlich tiefer. Wir haben als Menschen Besonderheiten und Eigenarten mitbekommen, die unseren unverwechselbaren Charakter ausmachen und unsere Existenz formen. Der Auftrag lautet daher: Stelle fest, was dir entspricht (oder: als Kind entsprochen hat), und handle (als Erwachsener) danach.

      Die Persönlichkeitsmerkmale sind damit schon in Grundzügen genetisch in uns Menschen angelegt. Das Verhalten in seiner konkreten Ausformung wird aber nicht vererbt, sondern uns schlicht und ergreifend »anerzogen«. Weil wir uns, wie alle Lebewesen, auf unsere Umwelt beziehen und auf sie reagieren, werden wir natürlich von ihr beeinflusst. Trotzdem bleiben wir als Einzelpersonen frei darin, uns unsere Umwelt individuell zu gestalten. Der Drang von uns Menschen nach Gruppenzugehörigkeit ist aber stark ausgeprägt – im Kleinen wie im Großen: Wir sind Familien-, Team- oder Vereinsmitglied. Wir sind Teil einer Kultur, Gemeinschaft oder eben der Gesellschaft. Erst müssen, später wollen wir dazugehören.

      Aber Menschen brauchen Menschen. Wir brauchen das Gespräch und die Auseinandersetzung. Wir leben davon, dass wir uns austauschen. Der menschliche Verstand ist so begrenzt, daher brauchen wir den Austausch mit anderen für unser Fortkommen. Ein Mensch unterstützt den anderen, indem er ihm frischen Input gibt, quasi einen »frischen Geist einhaucht«, wo sein eigener Geist an die Grenzen stößt. Um mehr zu erkennen und verstehen zu können, sind verschiedene Blickwinkel und Dimensionen notwendig. Und die kommen nur in Form anderer Menschen daher, die uns inspirieren.

      Menschen brauchen Menschen also in erster Linie dafür, damit sie uns zeigen, was möglich ist. Damit wir uns eine Vorstellung machen können von einem Potenzial. Denn was wirklich möglich ist im Leben, können wir selber, sprich: alleine, gar nicht begreifen. Deswegen kannst du dir bei deinen Mitmenschen anschauen, was ist in deren Leben möglich. Und wenn es für sie möglich ist, ist es für dich auch möglich. Aber Achtung! Versuche nicht das Leben anderer Menschen zu kopieren. Natürlich kannst du dir Ideen holen, aber in erster Linie musst du davon überzeugt sein, was du tust, das reicht aus. Sei dir gewiss, dass jeder deiner Weggefährten, ob Freund, Familienmitglied, Kollege, Kunde, Partner, Nachbar oder Vorgesetzter, auch einen unbewussten Anteil an den »Krankheiten« unserer heutigen Gesellschaft hat. Sie heißen Angst, Bequemlichkeit und Verantwortungslosigkeit, wie ich weiter vorne beschrieben habe.

      1 1 Kutrzeba, Best Seller (2019), S. 33.

      2 2 Originaltext: Numquam parum est quod satis est; siehe Aphorismen.de, https://www.aphorismen.de/zitat/3175 (aufgerufen: 18.03.2022).

      3 3 Originaltext: Play is the highest form of research; siehe Quote Investigator, https://quoteinvestigator.com/2014/08/21/play-research/ (aufgerufen 18.03.2022).

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